Vorkaufsrecht: Keine einfache Umwandlung möglich
Der Fall: Wenn Nachbarn ihre Rechtsbeziehung ändern wollen
Zwei Grundstücksnachbarinnen wollten ihre rechtliche Beziehung neu ordnen. Die eine Eigentümerin hatte ein Grundstück, das mit einem besonderen Recht belastet war: einem Vorkaufsrecht. Dieses Recht stand nicht irgendeiner bestimmten Person zu, sondern immer der jeweiligen Eigentümerin des Nachbargrundstücks. Man spricht hier von einem subjektiv-dinglichen Vorkaufsrecht, weil es mit dem Grundstück verbunden ist und sozusagen dessen Schicksal teilt.
Die beiden Nachbarinnen kamen überein, diese Regelung zu ändern. Das Vorkaufsrecht sollte künftig nicht mehr automatisch dem jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks zustehen, sondern dauerhaft bei der aktuellen Nachbarin verbleiben. Außerdem sollte dieses Recht nicht vererblich und nicht übertragbar sein. Juristisch gesprochen wollten sie aus dem subjektiv-dinglichen ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht machen.
Die Eigentümerinnen ließen ihre Vereinbarung notariell beurkunden und beantragten die entsprechende Änderung im Grundbuch. Doch das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung.
Die rechtliche Kernfrage: Was ist eine bloße Änderung?
Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob es sich bei dem Vorhaben der beiden Eigentümerinnen um eine einfache Inhaltsänderung handelte. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt in Paragraph 877 die Möglichkeit, den Inhalt eines bereits eingetragenen Rechts zu ändern. Solche Änderungen können grundsätzlich durchgeführt werden, ohne dass das ursprüngliche Recht erst gelöscht und dann neu eingetragen werden muss.
Die Eigentümerinnen argumentierten, dass ihre gewünschte Umwandlung eine solche Inhaltsänderung darstelle. Sie verwiesen darauf, dass beide Formen des Vorkaufsrechts im Gesetz unter der gemeinsamen Überschrift des dinglichen Vorkaufsrechts geregelt seien. Das subjektiv-dingliche und das subjektiv-persönliche Vorkaufsrecht seien daher nur unterschiedliche Ausprägungen desselben Rechts.
Das Grundbuchamt und später auch die Gerichte sahen dies anders. Sie lehnten den Antrag mit der Begründung ab, dass hier keine bloße Inhaltsänderung, sondern eine grundlegende Umwandlung vorliege, die rechtlich nicht zulässig sei.
Die Unterschiede zwischen den beiden Vorkaufsrechten
Um die Entscheidung zu verstehen, muss man die wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Arten von Vorkaufsrechten kennen. Das subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht ist fest mit einem Grundstück verbunden. Es steht immer demjenigen zu, der gerade Eigentümer dieses Grundstücks ist. Verkauft der Eigentümer sein Grundstück, geht das Vorkaufsrecht automatisch auf den neuen Eigentümer über. Das Recht folgt sozusagen dem Grundstück.
Das subjektiv-persönliche Vorkaufsrecht hingegen ist an eine bestimmte Person geknüpft. Nur diese Person kann das Vorkaufsrecht ausüben. Verkauft sie ihr Grundstück, bleibt sie dennoch berechtigt. Der neue Eigentümer erhält das Vorkaufsrecht nicht. Hier folgt das Recht der Person, nicht dem Grundstück.
Diese unterschiedliche Natur der beiden Rechtsformen hat weitreichende Konsequenzen. Das subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht ist nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein wesentlicher Bestandteil des begünstigten Grundstücks. Es kann von diesem Grundstück nicht getrennt werden. Diese Untrennbarkeit ist in Paragraph 1103 ausdrücklich geregelt.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs: Klare Grenzen
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Auffassung der Vorinstanzen und wies die Rechtsbeschwerde zurück. Die Karlsruher Richter führten mehrere Argumente für ihre Entscheidung an.
Zunächst stellten sie fest, dass eine Inhaltsänderung nach Paragraph 877 des Bürgerlichen Gesetzbuchs grundsätzlich nicht möglich ist, wenn sich die Person des Berechtigten ändern soll. Genau dies sei aber bei der Umwandlung eines subjektiv-dinglichen in ein subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht der Fall. Beim subjektiv-dinglichen Recht ist der jeweils aktuelle Grundstückseigentümer berechtigt. Beim subjektiv-persönlichen Recht hingegen bleibt eine bestimmte Person berechtigt, auch wenn sie das Grundstück verkauft.
Der Bundesgerichtshof betonte, dass sich dieser Unterschied besonders deutlich zeige, wenn man an einen späteren Verkauf denke. Würde die aktuell als Berechtigte vorgesehene Person ihr Grundstück veräußern, bliebe sie bei einem subjektiv-persönlichen Vorkaufsrecht weiterhin vorkaufsberechtigt. Bei einem subjektiv-dinglichen Vorkaufsrecht würde das Recht dagegen auf den neuen Grundstückseigentümer übergehen.
Darüber hinaus machte das Gericht deutlich, dass es sich bei den beiden Vorkaufsrechtsformen um unterschiedliche Rechtstypen handele. Dies ergebe sich insbesondere aus der gesetzlichen Regelung in Paragraph 1103. Das subjektiv-dingliche Vorkaufsrecht ist danach untrennbar mit dem Grundstück verbunden. Eine Umwandlung in ein subjektiv-persönliches Recht würde diese Bindung lösen, was mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar sei.
Die Richter verwiesen auch auf andere Bereiche des Grundstücksrechts. Der Gesetzgeber habe an verschiedenen Stellen ausdrücklich geregelt, wann eine Umwandlung zwischen verschiedenen Rechtstypen möglich ist. So können etwa Hypotheken in Grundschulden umgewandelt werden und umgekehrt. Für das Vorkaufsrecht fehle eine vergleichbare Regelung. Daraus folge, dass der Gesetzgeber eine solche Umwandlung nicht vorsehen wollte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Eigentümer, die ein bestehendes Vorkaufsrecht umgestalten möchten, müssen mit zusätzlichem Aufwand rechnen. Eine einfache Änderung im Grundbuch reicht nicht aus. Stattdessen muss das bisherige Recht zunächst gelöscht werden. Anschließend kann ein neues Vorkaufsrecht mit dem gewünschten Inhalt eingetragen werden.
Diese Vorgehensweise hat praktische Konsequenzen, insbesondere für den Rang des Rechts im Grundbuch. Der Rang bestimmt, welches Recht im Konfliktfall Vorrang hat. Bei der Löschung und Neubestellung verliert das Vorkaufsrecht seinen ursprünglichen Rang und erhält bei der Neueintragung einen neuen, in der Regel schlechteren Rang. Dies kann problematisch sein, wenn zwischenzeitlich andere Rechte eingetragen wurden.
Die Entscheidung zeigt auch die Grenzen der vertraglichen Gestaltungsfreiheit im Grundbuchrecht auf. Nicht alles, was die Beteiligten vereinbaren wollen, lässt sich im Grundbuch auch so umsetzen. Das Grundbuchrecht folgt strengen formalen Vorgaben, die nicht beliebig durch Vertragsgestaltung umgangen werden können.
Für die Praxis bedeutet dies, dass bereits bei der ursprünglichen Bestellung eines Vorkaufsrechts sorgfältig überlegt werden sollte, welche Form gewählt wird. Eine spätere Korrektur ist zwar möglich, aber mit Nachteilen verbunden. Wer unsicher ist, sollte fachkundigen Rat einholen, bevor entsprechende Vereinbarungen getroffen werden.
Die Entscheidung bringt zudem Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Das Grundbuch soll eine zuverlässige Auskunft über die Rechtslage geben. Durch die klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen Vorkaufsrechtsformen wird diese Funktion gestärkt. Jeder kann dem Grundbuch entnehmen, welche Art von Vorkaufsrecht besteht und wer berechtigt ist.
Grundsätze des Urteils
- Umwandlung subjektiv-dinglichen in subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht ist keine zulässige Inhaltsänderung nach § 877 BGB
- Inhaltsänderung nach § 877 BGB nicht möglich, wenn sich Person des Berechtigten ändern soll
- Subjektiv-dingliches und subjektiv-persönliches Vorkaufsrecht sind unterschiedliche Rechtstypen, keine bloßen Ausprägungen desselben Rechts
- Subjektiv-dingliches Vorkaufsrecht ist nach § 1103 BGB untrennbar mit Grundstück verbunden; Umwandlung würde diese Bindung lösen
- Umgestaltung nur durch Löschung des alten und Neubestellung des gewünschten Rechts möglich; neues Recht erhält neuen Rang
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Januar 2025, Az. V ZB 10/24
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