Schwarzgeld beim Immobilienkauf: Wann der Vertrag trotzdem wirksam bleibt


Der Fall: Bargeld vor dem Notartermin
Eine Käuferin erwarb eine Eigentumswohnung. Im notariellen Kaufvertrag wurde ein Kaufpreis von 120.000 Euro beurkundet. Tatsächlich hatten Käuferin und Verkäufer jedoch einen Preis von 150.000 Euro vereinbart. Die Differenz von 30.000 Euro zahlte die Käuferin bereits vor dem Notartermin in bar an den Verkäufer. Nach Zahlung der restlichen 120.000 Euro wurde die Käuferin als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen.
Die Situation eskalierte, als der Verkäufer beim Finanzamt eine Selbstanzeige wegen seiner Mitwirkung bei der Verkürzung der Grunderwerbsteuer erstattete. Daraufhin setzte das Finanzamt die Grunderwerbsteuer für den gesamten Kaufpreis von 150.000 Euro fest. Die Parteien begannen Gespräche über eine mögliche Rückabwicklung des Kaufvertrags.
Die versuchte Rückabwicklung
Auf Verlangen des Verkäufers ließ die Käuferin einen Widerspruch gegen ihre eigene Eintragung als Eigentümerin ins Grundbuch eintragen. Der Verkäufer überwies daraufhin 120.000 Euro auf ein notarielles Treuhandkonto, das an die Käuferin ausgezahlt wurde. Allerdings war der Verkäufer zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder als Eigentümer eingetragen worden.
Die Käuferin forderte nun vom Verkäufer die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus dem Grundbuch. Der Verkäufer verweigerte dies mit der Begründung, der Kaufvertrag sei wegen der Schwarzgeldabrede nichtig. Der Fall landete vor Gericht.
Die zentrale Rechtsfrage
Das Gericht musste klären, ob eine Schwarzgeldabrede beim Immobilienkauf automatisch zur Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrags führt. Diese Frage ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da solche Abreden in der Vergangenheit nicht selten vorkamen. Für beide Parteien stand viel auf dem Spiel: Wer ist rechtmäßiger Eigentümer der Wohnung?
Keine automatische Nichtigkeit
Der Bundesgerichtshof stellte zunächst klar, dass der beurkundete Kaufvertrag über 120.000 Euro als Scheingeschäft nach § 117 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nichtig war, da er von den Parteien nicht gewollt wurde. Der tatsächlich gewollte mündliche Kaufvertrag über 150.000 Euro war zunächst formunwirksam, da Grundstückskaufverträge der notariellen Beurkundung bedürfen.
Diese Formunwirksamkeit wurde jedoch durch die notarielle Auflassungserklärung und die Eintragung der Käuferin ins Grundbuch geheilt. Dies ist eine etablierte Rechtspraxis, die auf § 311b des Bürgerlichen Gesetzbuchs beruht. Damit war die Formfrage geklärt.
Der entscheidende Unterschied zur Schwarzarbeit
Die eigentliche Kernfrage war, ob der Kaufvertrag gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt und deshalb nach §§ 134, 138 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nichtig ist. Der Verkäufer argumentierte, die Rechtsprechung zu Schwarzarbeit bei Werkverträgen müsse auch auf Immobilienkaufverträge angewendet werden.
Der Bundesgerichtshof lehnte diese Übertragung ab. Bei Verstößen gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz sind Werkverträge ohne weiteres nichtig, wenn darin Regelungen zur Umgehung steuerlicher Pflichten enthalten sind. Das Gesetz verbietet ausdrücklich solche Vertragsgestaltungen, um den redlichen Wettbewerb zu schützen.
Anders verhält es sich bei Immobilienkaufverträgen. Hier gibt es kein vergleichbares Verbotsgesetz. Die Strafvorschrift der Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung schützt ausschließlich das staatliche Steueraufkommen, nicht aber den redlichen Wettbewerb zwischen Marktteilnehmern. Der Schutzzweck ist also ein völlig anderer.
Wann führt eine Schwarzgeldabrede zur Nichtigkeit?
Der Bundesgerichtshof bestätigte seine langjährige Rechtsprechung, die bis auf das Reichsgericht zurückgeht. Eine Schwarzgeldabrede beim Grundstückskauf führt nur dann zur Nichtigkeit des Vertrags, wenn die Steuerhinterziehung alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts war.
Dies ist regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch ernstlich gewollt ist. Entscheidend ist also, ob die Parteien tatsächlich das Grundstück übertragen und den Kaufpreis zahlen wollten. Wenn die Steuerhinterziehung nur ein Nebenzweck war, bleibt der Vertrag wirksam.
Im vorliegenden Fall war eindeutig, dass beide Parteien den Eigentumsübergang und die Kaufpreiszahlung ernstlich wollten und auch vollzogen. Der Verkäufer hatte kein eigenes Interesse an der Unterverbriefung. Die Ersparnis bei der Grunderwerbsteuer für die Käuferin betrug lediglich 1.500 Euro und trat damit deutlich hinter ihr Erwerbsinteresse zurück.
Die Zahlung vor dem Notartermin
Der Verkäufer argumentierte, die Barzahlung vor dem Beurkundungstermin zeige, dass die Steuerhinterziehung im Vordergrund gestanden habe. Der Bundesgerichtshof wies dies zurück. Die zeitlich vorgelagerte Barzahlung mag zwar einen gewissen Druck für den Vertragsschluss erzeugt haben. Dies ändere aber nichts daran, dass der Eigentumserwerb Hauptzweck des Kaufvertrags war.
Der ernstliche Wille zum Leistungsaustausch war durch den Abschluss des Kaufvertrags und seinen Vollzug eindeutig belegt. Die Reihenfolge der Zahlungen war für die rechtliche Bewertung nicht ausschlaggebend.
Keine Gesamtnichtigkeit wegen Teilnichtigkeit
Selbst wenn die Schwarzgeldabrede isoliert betrachtet nichtig gewesen wäre, hätte dies nicht zur Nichtigkeit des gesamten Kaufvertrags geführt. Nach § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann die Nichtigkeit eines Vertragsteils zwar die Gesamtnichtigkeit bewirken. Dies gilt aber nur, wenn anzunehmen ist, dass die Parteien ohne den nichtigen Teil nicht kontrahiert hätten.
Das Gericht stellte fest, dass die Käuferin die Wohnung auch dann erworben hätte, wenn der gesamte Kaufpreis von 150.000 Euro beurkundet worden wäre. Der Verkäufer hatte kein eigenes Interesse an der Unterverbriefung. Damit hätten beide Parteien den Vertrag auch ohne die Schwarzgeldabrede zu denselben Konditionen geschlossen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil hat wichtige Konsequenzen für die Praxis. Zunächst die gute Nachricht: Wenn Sie einen Immobilienkaufvertrag mit Schwarzgeldabrede geschlossen haben und der Eigentumserwerb ernstlich gewollt war, ist der Vertrag in der Regel wirksam. Eine spätere Anfechtung durch eine der Parteien wird regelmäßig scheitern.
Die schlechte Nachricht: Die Steuerhinterziehung bleibt natürlich strafbar. Das Finanzamt kann die hinterzogenen Steuern nachfordern, und es drohen strafrechtliche Konsequenzen. Eine Selbstanzeige wie im vorliegenden Fall kann unter bestimmten Voraussetzungen Straffreiheit bewirken, befreit aber nicht von der Pflicht zur Nachzahlung der Steuern.
Für Käufer bedeutet das Urteil: Sie bleiben Eigentümer, müssen aber mit steuerlichen Nachforderungen rechnen. Eine Rückabwicklung des Vertrags gegen den Willen der anderen Partei ist praktisch ausgeschlossen. Der Verkäufer kann nicht einseitig die Nichtigkeit geltend machen, um den Vertrag zu kippen.
Für aktuelle Immobilienkäufe gilt: Finger weg von Schwarzgeldabreden. Seit April 2023 verbietet das Geldwäschegesetz zudem Barzahlungen über 10.000 Euro beim Immobilienerwerb. Verstöße können mit Bußgeldern bis zu einer Million Euro geahndet werden.
Rechtssicherheit durch klare Linie
Das Urteil schafft Rechtssicherheit in einem praktisch wichtigen Bereich. Die klare Abgrenzung zur Rechtsprechung bei Schwarzarbeit ist nachvollziehbar, da die Schutzzwecke der verletzten Normen unterschiedlich sind. Beim Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz geht es um den Schutz des Wettbewerbs, bei der Steuerhinterziehung allein um das staatliche Steueraufkommen.
Dennoch sollte das Urteil nicht als Freibrief missverstanden werden. Die strafrechtlichen und steuerrechtlichen Risiken bleiben erheblich. Zudem können die Finanzämter bei Verdachtsfällen gezielt nachforschen. Die vollständige und ehrliche Angabe des Kaufpreises ist nicht nur rechtlich geboten, sondern erspart allen Beteiligten erheblichen Ärger.
Die Rechtsprechung zeigt auch: Einmal getroffene Vereinbarungen lassen sich nicht einfach rückgängig machen, wenn einem die steuerlichen Konsequenzen unangenehm werden. Beide Parteien sind an den geschlossenen Vertrag gebunden, auch wenn dieser ursprünglich mit rechtswidrigen Elementen versehen war.
Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.03.2024, Aktenzeichen V ZR 115/22
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