Sanierungsbeschluss ungültig: Angebote müssen rechtzeitig vorliegen
Der Fall: Großsanierung ohne Vorbereitung
In einer Wohnanlage mit über hundert Einheiten sollten die Etagenflure umfassend saniert werden. Geplant waren Malerarbeiten an Wänden und Decken, die Erneuerung der Bodenbeläge, das Lackieren der Wohnungseingangstüren samt Zargen sowie die Installation neuer LED-Beleuchtung mit Bewegungsmeldern. Die Eigentümergemeinschaft beschloss in ihrer Versammlung im Dezember 2023, diese Arbeiten für ein Gesamtbudget von rund 280.000 Euro durchführen zu lassen. Zur Finanzierung wurde unter anderem eine Sonderumlage von 100.000 Euro beschlossen, die auf alle Eigentümer nach ihren Miteigentumsanteilen verteilt werden sollte.
Eine Eigentümerin war mit diesem Vorgehen nicht einverstanden und focht den Beschluss an. Ihr Hauptvorwurf lautete, dass die Eigentümer vor der Versammlung keine Gelegenheit hatten, sich mit den verschiedenen Angeboten auseinanderzusetzen. Die Angebote lagen zwar möglicherweise in der Versammlung zur Einsicht aus, waren jedoch nicht im Vorfeld an die Eigentümer versandt worden.
Was genau wurde bemängelt?
Die Einladung zur Eigentümerversammlung enthielt lediglich einen Hinweis darauf, dass über die Sanierung bereits im Vorjahr diskutiert worden sei und nun wegen Preisanpassungen ein aktuelles Budget definiert werden solle. Im Protokoll der Versammlung waren dann verschiedene Angebote unterschiedlicher Firmen mit teils erheblichen Preisunterschieden aufgeführt. Die Verwaltung argumentierte, dass alle Angebote in schriftlicher Form in der Versammlung vorgelegen hätten und dort hätten eingesehen werden können. Eine Versendung der Unterlagen im Vorfeld sei rechtlich nicht erforderlich gewesen.
Das Amtsgericht München gab der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft zunächst Recht und wies die Anfechtungsklage ab. Es hielt es für gerade noch hinnehmbar, dass die Angebote nicht mit der Einladung verschickt worden waren. Die Eigentümerin ging daraufhin in Berufung.
Die Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht München I änderte das Urteil ab und erklärte den Beschluss für ungültig. Die Richter führten aus, dass bei einer so umfangreichen Sanierungsmaßnahme die Eigentümer vorab über den Inhalt der eingeholten Angebote hätten informiert werden müssen. Dabei müsse mindestens eine Übersicht über die abgegebenen Angebote, etwa in Form eines Preisspiegels, der die Vergleichbarkeit ermöglicht, vorab übersandt werden.
Das Gericht berief sich dabei auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Demnach kann eine ordnungsgemäße Beschlussfassung im Einzelfall erfordern, dass den Wohnungseigentümern schon in der Einladung zur Eigentümerversammlung Informationen zur Verfügung gestellt werden. Nur so können sie sich inhaltlich mit dem Beschlussgegenstand befassen und sich ausreichend auf die Versammlung vorbereiten.
Wann sind Vorabinformationen erforderlich?
Die Übersendung von Unterlagen zu einem vorgeschlagenen Beschluss ist immer dann erforderlich, wenn für die Beschlussfassung eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen von wesentlicher Bedeutung ist. Dies gilt insbesondere bei namhaften Sonderumlagen für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen.
Bei der Bestellung eines Verwalters hatte der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass ein Angebotsvergleich erschwert ist, wenn die Namen der Interessenten erst in der Eigentümerversammlung bekannt gegeben werden. Die Vergütungen in verschiedenen Angeboten lassen sich nämlich nicht immer direkt vergleichen. Es gibt Verträge mit einer Pauschalvergütung und solche, in denen die Vergütung in verschiedene Preisbestandteile oder Teilentgelte aufgeteilt ist. Ein sachgerechter Angebotsvergleich ist daher nur unter genauer Auseinandersetzung mit den jeweiligen Vergütungsgestaltungen und dem Leistungsumfang der Angebote möglich. In der Eigentümerversammlung steht dafür regelmäßig nicht genügend Zeit zur Verfügung.
Keine ausreichende Vorinformation im Vorjahr
Das Gericht betonte, dass die Beschlussfassung im Dezember 2023 keine bloße Preisanpassung einer bereits hinreichend diskutierten Maßnahme darstellte, wie es Protokoll und Einladung nahelegten. In der Versammlung des Vorjahres war zwar über Sanierungsmaßnahmen mit einem Rahmen von etwa 122.800 Euro diskutiert worden, jedoch ohne dass den Eigentümern konkrete Angebote vorgelegt worden wären. Hinsichtlich eines Teils der Maßnahmen im Wert von 50.000 Euro war bereits ein Beschluss gefasst worden. Selbst unter Berücksichtigung möglicher Mehrkosten durch eine geteilte Umsetzung wäre bei der Sanierung der Etagenflure von deutlich weniger als 80.000 Euro auszugehen gewesen.
Der nunmehr beschlossene Umfang lag jedoch bei 280.000 Euro und war damit weit von den früheren Überlegungen entfernt. Die damalige Diskussion bezog sich nicht auf einzelne konkrete Angebote, der Umfang der vorzunehmenden Maßnahmen blieb vage, und es war noch nicht diskutiert worden, ob zuvor Elektroinstallationen erneuert werden sollten. Vor allem aber lag in der Versammlung des Vorjahres den Eigentümern kein einziges Angebot vor, das im Vorfeld der Beschlussfassung 2023 hätte geprüft werden können.
Einsichtnahme in der Versammlung reicht nicht aus
Das Gericht stellte klar, dass auch eine mögliche Einsichtnahme in die Angebote während der Versammlung nicht ausgereicht hätte. Aus der Diskussion zwischen den Parteien ging hervor, dass die Angebote nicht unmittelbar aus sich heraus so verständlich waren, dass sie eine Vergleichbarkeit bei oberflächlicher Prüfung ermöglicht hätten.
Die vom Amtsgericht angenommene Möglichkeit, dass nicht ausreichend informierte Eigentümer den Beschlussantrag einfach ablehnen könnten, bedeute gerade eine unsachgerechte Einschränkung. Wenn Mitglieder nur deswegen mit Nein stimmen, weil ihnen nicht sämtliche Informationen zur Verfügung stehen, besitzen sie ebenso wenig eine ausreichende Entscheidungsgrundlage wie bei einer Ja-Stimme. Gerade in der Beschränkung der Möglichkeit, eine informierte Entscheidung zu treffen, liege der Ladungsfehler, der zur Aufhebung führen müsse.
Besondere Anforderungen bei erstmaliger Sonderumlage
Das Gericht wies zudem darauf hin, dass besondere Informationspflichten bestehen, wenn erstmals über eine Sonderumlage beschlossen werden soll. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Vergleichsfall hatte es ausgereicht, nur Stichworte in das Einladungsschreiben aufzunehmen, weil bereits zuvor über eine Sonderumlage für das konkrete Vorhaben beschlossen worden war und die Wohnungseigentümer deshalb schon informiert waren. Soll allerdings erstmals über eine Sonderumlage beschlossen werden, können sich die Wohnungseigentümer ohne eine ausführlichere Erläuterung zur Notwendigkeit der Umlage nicht sachgerecht vorbereiten.
Welche Informationen sind erforderlich?
Welche Informationen vorab zu übermitteln sind, richtet sich nach verschiedenen Faktoren. Zu berücksichtigen sind die Komplexität des Beschlussgegenstandes, das Bedürfnis der Wohnungseigentümer, sich umfassend anhand konkreter Unterlagen vor der Versammlung ein Bild zu machen, und die Frage, inwieweit die Eigentümer vom Beschlussgegenstand bereits ein Bild haben, beispielsweise durch eine Vorbefassung in früheren Versammlungen.
Auf die Diskussion einer umfangreichen Sanierungsmaßnahme kann sich der Wohnungseigentümer nur vorbereiten, wenn die Verwaltung ihm Unterlagen zur Verfügung stellt. Dies können die zur Diskussion stehenden Angebote selbst sein oder eine Auswertung dieser Angebote. Das Gericht ließ offen, ob im konkreten Fall die Angebote insgesamt hätten übersendet werden müssen oder ein Preisspiegel genügt hätte, da beides nicht erfolgt war.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Wohnungseigentümern erheblich. Wenn in Ihrer Eigentümergemeinschaft umfangreiche Sanierungsmaßnahmen anstehen, haben Sie einen Anspruch darauf, sich vorab mit den eingeholten Angeboten vertraut machen zu können. Eine bloße Ankündigung in der Einladung zur Versammlung genügt nicht. Die Verwaltung muss Ihnen entweder die Angebote selbst oder zumindest eine aussagekräftige Zusammenfassung mit Preisvergleich rechtzeitig vor der Versammlung zusenden.
Dies gilt insbesondere dann, wenn eine erhebliche finanzielle Belastung auf Sie zukommt und wenn es sich um eine erstmalige Sonderumlage handelt. Je komplexer die Maßnahme und je höher die Kosten, desto größer ist Ihr Informationsbedürfnis und desto umfassender müssen die Vorabinformationen sein.
Wird ein Beschluss ohne die erforderlichen Vorabinformationen gefasst, liegt ein Verfahrensfehler vor. Solche Beschlüsse können innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist ab Beschlussfassung angefochten werden. Die Anfechtung muss schriftlich gegenüber der Gemeinschaft erklärt und anschließend gerichtlich durchgesetzt werden.
Für Verwaltungen bedeutet das Urteil, dass sie bei der Vorbereitung von Eigentümerversammlungen sorgfältiger vorgehen müssen. Wenn mehrere Angebote für umfangreiche Arbeiten eingeholt wurden, sollten diese den Eigentümern rechtzeitig vor der Versammlung zugänglich gemacht werden. Alternativ kann eine strukturierte Übersicht erstellt werden, die alle wesentlichen Informationen zu den verschiedenen Angeboten enthält und einen direkten Vergleich ermöglicht. So wird sichergestellt, dass die Eigentümer eine informierte Entscheidung treffen können und der Beschluss rechtlich Bestand hat.
Quelle: Landgericht München I, Urteil vom 27.08.2025, Aktenzeichen 1 S 3380/25 WEG
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