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Sonderumlage bleibt trotz ungültiger Baumaßnahme

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Wohnungseigentümer müssen eine beschlossene Sonderumlage auch dann zahlen, wenn der zugrunde liegende Baubeschluss später für ungültig erklärt wird. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Fall.
Das Dach eines Hauses wir neu eingedeckt.
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Zwei Beschlüsse mit unterschiedlichem Schicksal

In einer kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft mit nur drei Eigentümern kam es zu einem bemerkenswerten Rechtsstreit. Auf der Eigentümerversammlung im November 2019 fassten die Eigentümer zwei separate Beschlüsse. Im ersten Tagesordnungspunkt beschlossen sie die Sanierung der Dacheindeckung. Im zweiten Punkt einigten sie sich auf die Finanzierung dieser Maßnahme durch eine Sonderumlage, die bis Ende 2019 fällig werden sollte.

Einer der Eigentümer, dem knapp die Hälfte der Miteigentumsanteile gehörte, focht jedoch nur den ersten Beschluss an, also die Entscheidung über die Baumaßnahme selbst. Den Finanzierungsbeschluss ließ er unangefochten. Während des langwierigen Gerichtsverfahrens verkaufte dieser Eigentümer seine Wohnung. Später wurde der Beschluss über die Dachsanierung tatsächlich rechtskräftig für ungültig erklärt.

Die rechtliche Auseinandersetzung

Nun stellte sich die entscheidende Frage: Was passiert mit der Zahlungspflicht aus der Sonderumlage, wenn die Baumaßnahme, für die das Geld bestimmt war, gar nicht durchgeführt werden darf? Der ehemalige Eigentümer argumentierte, dass er die Sonderumlage nicht mehr zahlen müsse, da ihr Zweck weggefallen sei. Er versuchte, die Vollstreckung aus dem Urteil zur Zahlung der Sonderumlage für unzulässig erklären zu lassen.

Die Eigentümergemeinschaft forderte die Zahlung dennoch ein, denn der Beschluss über die Sonderumlage war nie angefochten worden und damit bestandskräftig geworden. Aus ihrer Sicht hatte sich an der Zahlungspflicht nichts geändert.

Das Gericht entscheidet: Zwei getrennte Beschlüsse sind unabhängig

Das Landgericht Frankfurt am Main und später auch der Bundesgerichtshof gaben der Eigentümergemeinschaft recht. Die Begründung ist für alle Wohnungseigentümer von großer praktischer Bedeutung. Wenn zwei separate Beschlüsse gefasst werden und nur einer davon angefochten wird, bleibt der andere Beschluss grundsätzlich wirksam und durchsetzbar.

Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass ein gültiger Beschluss über die Erhebung einer Sonderumlage die Zahlungspflicht auch dann begründet, wenn der Beschluss über die Baumaßnahme später rechtskräftig für ungültig erklärt wird. Anders als bei einem fehlerhaften Kostenverteilungsschlüssel, der eine Jahresabrechnung unrichtig macht, stellt sich der Sonderumlagebeschluss nicht als falsch dar.

Warum die Zahlungspflicht bestehen bleibt

Die Richter argumentierten, dass der Finanzierungsbeschluss keine unumkehrbaren Fakten schafft. Die Eigentümergemeinschaft hat verschiedene Möglichkeiten, mit dem eingezahlten Geld umzugehen. Sie kann es an die Eigentümer zurückzahlen, für einen anderen Zweck verwenden oder in die Erhaltungsrücklage einstellen. Die Gemeinschaft kann sogar die ursprünglich geplante Maßnahme während des laufenden Anfechtungsverfahrens durchführen und mit dem Geld aus der Sonderumlage finanzieren, denn das Wohnungseigentumsgesetz erlaubt dies ausdrücklich.

Im vorliegenden Fall hätte der betroffene Eigentümer rechtzeitig auch den Finanzierungsbeschluss anfechten müssen. Dass er dies versäumte, ging zu seinen Lasten. Das Gericht sah auch keinen Raum für die Anwendung allgemeiner rechtlicher Notbehelfe wie den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder eine Vollstreckungsabwehrklage.

Verkauf der Wohnung ändert nichts

Besonders bemerkenswert ist, dass selbst der Verkauf der Eigentumswohnung während des Verfahrens die Zahlungspflicht nicht entfallen ließ. Der Bundesgerichtshof betonte, dass es den Parteien eines Kaufvertrags freisteht, entsprechende vertragliche Regelungen zu treffen. Wenn ein Verkäufer in Kenntnis laufender Rechtsstreitigkeiten seine Wohnung veräußert, trägt er das Risiko, wenn er keine Vereinbarungen mit dem Käufer über die Behandlung offener Ansprüche trifft.

Die Richter sahen den ehemaligen Eigentümer auch deshalb nicht als schutzbedürftig an, weil er die Möglichkeit gehabt hätte, im Kaufvertrag mit dem Erwerber zu regeln, wie mit noch offenen Ansprüchen der Gemeinschaft umzugehen ist. Hierzu hätte umso mehr Veranlassung bestanden, als die Veräußerung in voller Kenntnis der rechtlichen Auseinandersetzungen erfolgte.

Welche Rechtsschutzmöglichkeiten gibt es?

Das Gericht machte deutlich, dass Wohnungseigentümer nicht schutzlos sind. Nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Beschlusses hat jeder Eigentümer grundsätzlich einen Anspruch auf Folgenbeseitigung. Das bedeutet, dass die Folgen des als nicht ordnungsgemäß erkannten Beschlusses so weit wie möglich rückgängig zu machen sind.

In der Praxis kann dies bedeuten, dass es ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, einen Finanzierungsbeschluss durch einen neuen Beschluss wieder aufzuheben, wenn der Finanzierungsbedarf entfallen ist. Allerdings ist auch denkbar, dass die eingezahlten Gelder einer Rücklage zugeführt werden, um die Maßnahme nach einer neuen Beschlussfassung zu finanzieren. Wenn die Eigentümer den gewünschten Beschluss nicht fassen, kann hiergegen Rechtschutz durch eine Beschlussanfechtungsklage oder eine Beschlussersetzungsklage erlangt werden.

Die richtige Strategie bei Eigentümerversammlungen

Der Fall zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, bei Eigentümerversammlungen strategisch vorzugehen. Wenn Sie gegen einen Baubeschluss sind, sollten Sie auch den dazugehörigen Finanzierungsbeschluss anfechten, sofern beide als getrennte Beschlüsse gefasst werden. Andernfalls riskieren Sie, dass Sie die Kosten tragen müssen, obwohl die Maßnahme selbst nicht durchgeführt werden darf.

Nur wenn bei der Beschlussfassung ausdrücklich klargestellt wird, dass beide Beschlüsse miteinander stehen oder fallen sollen, sind sie rechtlich als Einheit zu behandeln. Ohne eine solche Klarstellung gelten sie als unabhängige Entscheidungen mit jeweils eigenem rechtlichen Schicksal.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Wohnungseigentümer ergeben sich aus dieser Entscheidung wichtige praktische Konsequenzen. Wenn Sie mit einer geplanten Baumaßnahme nicht einverstanden sind und diese anfechten wollen, müssen Sie beide Beschlüsse anfechten: sowohl den über die Maßnahme selbst als auch den über die Finanzierung. Eine Anfechtung nur eines Teils kann dazu führen, dass Sie zahlen müssen, ohne dass die Maßnahme durchgeführt wird.

Beim Verkauf Ihrer Eigentumswohnung sollten Sie besonders vorsichtig sein, wenn noch Rechtsstreitigkeiten über Beschlüsse anhängig sind. Treffen Sie klare vertragliche Vereinbarungen mit dem Käufer darüber, wer für welche Verpflichtungen aufkommen muss. Dies gilt insbesondere für Sonderumlagen, deren rechtliches Schicksal noch nicht abschließend geklärt ist.

Für Eigentümergemeinschaften bedeutet die Entscheidung Rechtssicherheit. Ein bestandskräftiger Finanzierungsbeschluss bleibt durchsetzbar, auch wenn die damit geplante Maßnahme nicht umgesetzt werden kann oder darf. Die Gemeinschaft hat dann verschiedene Optionen, wie sie mit den eingezahlten Geldern verfahren kann, ohne dass einzelne Eigentümer sich einfach der Zahlungspflicht entziehen können.

Die klare Trennung zwischen Bau- und Finanzierungsbeschluss gibt den Eigentümergemeinschaften die Möglichkeit, flexibel zu reagieren. Sie können entscheiden, ob sie das Geld zurückzahlen, für andere Zwecke verwenden oder für eine spätere, überarbeitete Fassung der ursprünglichen Maßnahme vorhalten wollen.


Quelle: BGH, Beschluss vom 5.6.2025, Aktenzeichen V ZR 232/24, veröffentlicht in NZM 2025, 817

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