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Notarhaftung bei Grundstücksrückübertragung

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Notare müssen bei Grundstücksübertragungen dafür sorgen, dass Vormerkungen erst nach der Löschung nachrangiger Belastungen gelöscht werden. Fehler können zu erheblichen finanziellen Schäden führen.
Ältere Dame sitzt mit einer Notarin am Schreibtisch
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Familiengrundstück wird zum Problemfall

Eine ältere Dame hatte ihrem Sohn zwei Grundstücke geschenkt. Für den Fall, dass die Grundstücke in finanzielle Schwierigkeiten geraten sollten, sicherte sie sich ein Rückübertragungsrecht. Dieses Recht wurde durch sogenannte Vormerkungen im Grundbuch geschützt. Eine Vormerkung ist ein Eintrag im Grundbuch, der ein zukünftiges Recht an einem Grundstück absichert und verhindert, dass spätere Einträge diesem Recht den Rang streitig machen können.

Der Sohn geriet tatsächlich in finanzielle Schwierigkeiten. Mehrere Gläubiger ließen zwischen 2009 und 2011 Zwangssicherungshypotheken in das Grundbuch eintragen. Diese Sicherheiten beliefen sich auf insgesamt knapp 150.000 Euro. Eine Zwangssicherungshypothek ermöglicht es Gläubigern, ihre Forderungen durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück durchzusetzen.

Die fehlerhafte notarielle Beurkundung

Im Mai 2011 ließ die Mutter die Grundstücke wieder auf sich zurückübertragen. Eine Notarin beurkundete den Rückübertragungsvertrag. Darin war geregelt, dass die Grundstücke lastenfrei zurückübertragen werden sollten. Die Notarin sollte sich um die Löschung der Zwangssicherungshypotheken kümmern.

Doch hier begann das Problem: Im Vertrag stand, dass die Rückauflassungsvormerkung gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung gelöscht werden sollte. Die Löschung der Zwangssicherungshypotheken sollte dagegen erst nach der Eigentumsumschreibung erfolgen.

Diese Regelung erwies sich als verhängnisvoll. Im Juli 2011 wurde die Mutter wieder als Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurden die schützenden Vormerkungen gelöscht. Die Zwangssicherungshypotheken blieben jedoch im Grundbuch stehen, weil weder die Notarin noch die Beteiligten die erforderlichen Löschungsbewilligungen einholten.

Zwangsversteigerung trotz Rückübertragung

Im Jahr 2013 wurde die Situation dramatisch. Die Gläubiger des Sohnes ließen einen Zwangsversteigerungsvermerk für beide Grundstücke eintragen. Der Sohn kontaktierte daraufhin die Notarin und fragte, was zu tun sei. Die Notarin teilte ihm mit, dass wegen der Löschung der Vormerkung nichts mehr unternommen werden könne. Auch eine Rechtspflegerin des zuständigen Gerichts bestätigte diese Einschätzung.

2015 kam es zur Zwangsversteigerung eines der Grundstücke. Der Versteigerungserlös wurde an die Gläubiger ausgezahlt. Das zweite Grundstück konnte die Mutter zwar verkaufen, jedoch kam es wegen der ungeklärten Rechtslage bis zu ihrem Tod im April 2016 zu keiner Abwicklung des Kaufvertrags.

Der Rechtsstreit: Haftung der Notarin

Die Erben der verstorbenen Mutter verklagten die Notarin auf Schadensersatz in Höhe von knapp 150.000 Euro. Sie warfen ihr vor, ihre Amtspflichten verletzt zu haben. Das Landgericht und das Oberlandesgericht Düsseldorf wiesen die Klage jedoch ab.

Das Oberlandesgericht erkannte zwar an, dass die Notarin ihre Pflicht verletzt hatte, indem sie die Löschungsbewilligungen nicht einholte. Es sah die Haftung aber als ausgeschlossen an. Die Begründung: Die Erblasserin und ihr Sohn hätten es versäumt, rechtzeitig ein Rechtsmittel zu ergreifen, um den Schaden abzuwenden. Sie hätten beispielsweise Beschwerde gegen die Untätigkeit der Notarin einlegen oder die Gläubiger direkt auf Löschung der Hypotheken verklagen können. Dieses Versäumnis gehe zu ihren Lasten.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf und verwies den Fall zurück. Die Richter stellten fest, dass das Oberlandesgericht das rechtliche Gehör der Kläger verletzt hatte. Es hatte wesentliche Teile des Vortrags nicht berücksichtigt.

Die Kläger hatten nämlich vorgebracht, dass der Sohn sich sehr wohl an die Notarin gewandt hatte. Diese hatte ihm aber erklärt, dass wegen der Löschung der Vormerkung nichts mehr unternommen werden könne. Auch die zuständige Rechtspflegerin hatte dies bestätigt. Die Kläger hatten zum Beweis dieser Behauptung sogar den Sohn als Zeugen benannt.

Der Bundesgerichtshof machte deutlich: Wenn diese Behauptung stimmt, könnte das ein Verschulden der Erblasserin ausschließen. Wer von einem Notar eine falsche Rechtsauskunft erhält und dieser im guten Glauben vertraut, handelt nicht schuldhaft, wenn er deshalb kein Rechtsmittel einlegt. Als juristische Laien hatten die Erblasserin und ihr Sohn keinen Anlass, an der Richtigkeit der Auskunft der Notarin zu zweifeln.

Zwei Fehler der Notarin

Der Bundesgerichtshof wies außerdem auf einen zweiten Fehler der Notarin hin, der bisher zu wenig beachtet worden war. Die Vertragsgestaltung selbst war bereits fehlerhaft.

Die Notarin hätte dafür sorgen müssen, dass die Vormerkung erst nach der Löschung der nachrangigen Hypotheken gelöscht wird. Stattdessen regelte der Vertrag, dass die Vormerkung gleichzeitig mit der Eigentumsumschreibung gelöscht werden sollte, die Hypotheken aber erst danach.

Diese Regelung führte zu einer gefährlichen Grundbuchlage. Nach außen hin entstand der Anschein, die rangwahrende Wirkung der Vormerkung sei entfallen. Tatsächlich war die Vormerkung rechtlich zwar nicht erloschen, weil keine materiell-rechtliche Aufhebung erklärt worden war. Das Grundbuch war insoweit unrichtig. Doch dieser rechtliche Feinheit konnten und mussten die Gläubiger nicht nachgehen. Sie hielten sich deshalb weiter für berechtigt zu vollstrecken.

Gegen diesen ursprünglichen Fehler in der Vertragsgestaltung hätte die Erblasserin oder ihr Sohn vor der Eigentumsumschreibung auch gar kein Rechtsmittel mehr ergreifen können. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie keinen Anlass, die von der Notarin gewählte Formulierung in Zweifel zu ziehen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Das Urteil des Bundesgerichtshofs hat wichtige praktische Auswirkungen für alle, die Grundstücksgeschäfte tätigen.

Für Grundstückseigentümer bedeutet das Urteil: Wenn ein Notar bei der Abwicklung eines Grundstücksgeschäfts Fehler macht, können Sie unter Umständen Schadensersatz verlangen. Sie müssen sich aber auch selbst darum kümmern, dass vereinbarte Löschungen tatsächlich durchgeführt werden. Prüfen Sie die Grundbuchauszüge sorgfältig und fragen Sie beim Notar nach, wenn etwas nicht in Ordnung zu sein scheint.

Wichtig ist aber auch: Wenn Sie beim Notar nachfragen und dieser Ihnen eine falsche Auskunft gibt, kann das Ihre Haftung als Geschädigter mindern oder sogar ganz ausschließen. Sie müssen nicht gegen die ausdrückliche Auskunft eines Rechtskundigen handeln. Als juristischer Laie dürfen Sie darauf vertrauen, dass der Notar Ihnen die richtige Rechtslage erklärt.

Für Notare enthält das Urteil eine klare Botschaft: Bei Grundstücksrückübertragungen mit Vormerkungen ist höchste Sorgfalt geboten. Die Vertragsgestaltung muss sicherstellen, dass Vormerkungen erst nach der Löschung nachrangiger Belastungen gelöscht werden. Außerdem müssen Notare ihre Abwicklungspflichten ernst nehmen. Wenn sie sich verpflichten, Löschungsbewilligungen einzuholen, müssen sie dies auch tatsächlich tun.

Das Urteil zeigt auch, dass Notare bei Nachfragen von Beteiligten vorsichtig sein müssen. Eine falsche Rechtsauskunft kann dazu führen, dass der Geschädigte nicht mehr verpflichtet ist, selbst Maßnahmen zur Schadensabwendung zu ergreifen. Die Haftung des Notars bleibt dann bestehen.

In der Praxis sollten Sie beachten: Wenn Sie eine Grundstücksübertragung mit Rückübertragungsrecht und Vormerkung planen, sprechen Sie mit dem Notar genau ab, wie die Löschungsreihenfolge sein soll. Lassen Sie sich die Regelung erklären. Nach der Beurkundung sollten Sie die tatsächliche Umsetzung im Grundbuch kontrollieren. Wenn Ihnen etwas auffällt, das nicht der Vereinbarung entspricht, wenden Sie sich sofort an den Notar.

Der Fall ist noch nicht abgeschlossen. Der Bundesgerichtshof hat ihn zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht Düsseldorf zurückverwiesen. Dort muss nun geprüft werden, ob die Behauptungen der Kläger stimmen und wie sich dies auf die Haftung der Notarin auswirkt. Auch die Frage der Verjährung und einer möglichen Mithaftung der Erblasserin muss noch geklärt werden.

Grundsätze des Urteils

  • Notar haftet bei fehlerhafter Vertragsgestaltung, wenn Vormerkung vor Löschung nachrangiger Belastungen gelöscht wird
  • Notar muss Abwicklungspflichten erfüllen; unterlassene Einholung vereinbarter Löschungsbewilligungen begründet Amtspflichtverletzung
  • Falsche Rechtsauskunft des Notars kann Verschulden des Geschädigten ausschließen; juristischer Laie darf auf notarielle Auskunft vertrauen

Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. April 2025, Az. III ZR 18/24

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