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Mieterlisten können rechtlich bindende Zusagen sein

Der beste Anwalt für Mietrecht
Wer beim Immobilienkauf auf die angegebenen Mieterträge vertraut, kann bei Problemen Schadenersatz fordern.
zwei Männer stehen vor einem Mehrfamilienhaus und diskutieren über Unterlagen, die sie in der Hand halten
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Gekauft mit acht Wohnungen, nur sieben vermietbar

Eine Käuferin erwarb ein Mehrfamilienhaus, das laut Kaufvertrag acht vermietbare Wohneinheiten haben sollte. Der Kaufvertrag enthielt eine detaillierte Mieterliste als Anlage, die alle acht Wohnungen mit den jeweiligen Nettokaltmieten aufführte. Die Gesamtmieterträge beliefen sich auf rund 3.600 Euro monatlich.

Nach dem Kauf stellte sich jedoch heraus, dass für die Dachgeschosswohnung keine Baugenehmigung vorlag. Ohne diese Genehmigung ist eine Vermietung rechtlich nicht zulässig. Die Käuferin forderte daraufhin eine anteilige Kaufpreisminderung und Schadensersatz für die Nebenkosten.

Der Streitpunkt: War die Vermietbarkeit garantiert?

Die Verkäuferin argumentierte, sie habe keine besonderen Garantien über die Vermietbarkeit abgegeben. Die Mieterliste diene lediglich dazu, die Mietübergabe zu regeln. Zudem enthalte der Kaufvertrag einen ausdrücklichen Ausschluss der Sachmängelhaftung.

Die Käuferin sah das anders: Durch die detaillierte Auflistung der Mieterträge in der Mieterliste sei konkludent vereinbart worden, dass tatsächlich acht vermietbare Wohneinheiten existieren. Dies stelle eine Beschaffenheitsvereinbarung dar, für die der Haftungsausschluss nicht gelte.

Das Gericht gibt der Käuferin recht

Das Oberlandesgericht Naumburg entschied zugunsten der Käuferin und sprach ihr über 108.000 Euro zu. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit mehreren wichtigen Punkten:

Mieterliste als Beschaffenheitsvereinbarung

Das Gericht stellte klar: Wer im Kaufvertrag konkrete Mieterträge angibt, garantiert damit stillschweigend auch die Vermietbarkeit der aufgeführten Wohneinheiten. Die Käuferin durfte darauf vertrauen, dass der Kaufgegenstand einen baulichen Zustand aufweist, der die angegebene Nutzung objektiv ermöglicht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Mieterträge zu den Eigenschaften gehören, die Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sind. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass die Mietverhältnisse tatsächlich bestehen, sondern auch darauf, dass eine rechtmäßige Vermietung möglich ist.

Haftungsausschluss greift nicht

Obwohl der Kaufvertrag einen Ausschluss der Sachmängelhaftung enthielt, half dies der Verkäuferin nicht. Bei vereinbarten Beschaffenheiten gilt ein wichtiger Grundsatz: Allgemeine Haftungsausschlüsse erstrecken sich nicht auf das Fehlen vertraglich zugesicherter Eigenschaften.

Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der Mieterliste um mehr als nur eine Aufstellung bestehender Mietverhältnisse handelte. Für die reine Mietübergabe wäre eine Angabe der Miethöhen nicht erforderlich gewesen.

Berechnung der Minderung

Die fehlende Baugenehmigung für die Dachgeschosswohnung machte 9,71 Prozent der Gesamtmieterträge aus. Entsprechend wurde der Kaufpreis um diesen Anteil gemindert. Die Käuferin erhielt über 97.000 Euro Kaufpreisminderung plus etwa 11.700 Euro Schadensersatz für anteilige Nebenkosten wie Maklergebühren, Notarkosten und Grunderwerbssteuer.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Käufer einer Immobilie

Dieses Urteil stärkt Ihre Position erheblich. Wenn Ihnen beim Immobilienkauf konkrete Mieterträge genannt werden, können Sie darauf vertrauen, dass diese auch legal erzielbar sind. Verkäufer können sich nicht einfach auf allgemeine Haftungsausschlüsse berufen, wenn die versprochenen Mieterträge aufgrund fehlender Genehmigungen nicht realisierbar sind.

Praxistipp: Lassen Sie sich bei vermieteten Objekten nicht nur die Mietverträge zeigen, sondern auch alle relevanten Baugenehmigungen. Bestehen Sie darauf, dass die rechtmäßige Nutzung aller Wohneinheiten nachgewiesen wird.

Als Verkäufer einer Immobilie

Das Urteil mahnt zur Vorsicht bei der Darstellung von Mieterträgen. Wer konkrete Mieterträge angibt, übernimmt damit automatisch auch die Verantwortung für deren Realisierbarkeit. Allgemeine Haftungsausschlüsse bieten keinen Schutz, wenn damit gleichzeitig bestimmte Eigenschaften der Immobilie zugesichert werden.

Empfehlung: Prüfen Sie vor dem Verkauf alle Baugenehmigungen und stellen Sie sicher, dass alle vermieteten Einheiten auch rechtmäßig vermietet werden dürfen. Formulieren Sie Angaben zu Mieterträgen vorsichtig und lassen Sie sich rechtlich beraten.

Bedeutung für Makler und Berater

Das Urteil verdeutlicht, dass bereits die Aufnahme von Mieterträgen in Verkaufsunterlagen rechtliche Konsequenzen haben kann. Makler und Berater sollten ihre Mandanten über diese Risiken aufklären und dafür sorgen, dass alle Angaben zu Mieterträgen vollständig und korrekt sind.

Fazit: Vertrauen Sie, aber prüfen Sie nach

Das Urteil des OLG Naumburg zeigt, dass Käufer sich auf die im Kaufvertrag gemachten Angaben zu Mieterträgen verlassen können. Verkäufer tragen eine weitreichende Verantwortung für die Richtigkeit und Realisierbarkeit ihrer Angaben. Ein pauschaler Haftungsausschluss reicht nicht aus, um sich dieser Verantwortung zu entziehen.

Für beide Seiten gilt: Eine sorgfältige Vorbereitung und rechtliche Beratung können kostspielige Streitigkeiten vermeiden. Bei Unsicherheiten sollten Sie nicht zögern, fachkundigen Rat einzuholen.


Quelle: OLG Naumburg, Urteil vom 06.11.2023 - 12 U 84/23

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