Zum Hauptinhalt springen

Kein Wohnrecht trotz Verlöbnis: Räumung nach Trennung

Der beste Anwalt für Mietrecht
Auch ein Verlöbnis schützt nicht vor der Räumung aus der Wohnung des Partners. Das entschied ein Gericht und machte deutlich: Eigentumsrechte gehen vor, selbst wenn eine Heirat geplant war.
Schlüsselübergabe, im Hintergrund eine Wohnungstür und Umzugskartons
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Wenn aus Liebe ein Rechtsstreit wird

Nach dem Tod ihres Ehemannes lernte eine Hauseigentümerin im Jahr 2020 einen neuen Partner kennen. Was als neue Liebe begann, entwickelte sich zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Ende 2020 zog der Mann mit Einverständnis der Frau in ihr Haus ein. Zu diesem Zeitpunkt verfügte er noch über eine eigene Mietwohnung in einer anderen Stadt.

Die Beziehung schien ernst zu werden. Die beiden sprachen untereinander davon, verlobt zu sein, und stellten sich auch gegenüber Freunden und Bekannten als Verlobte vor. Im Vertrauen auf eine gemeinsame Zukunft kündigte der Mann im Juli 2021 seine eigene Wohnung und gab diese endgültig auf. Er hatte nun keinen eigenen Wohnraum mehr und lebte vollständig im Haus seiner Partnerin.

Doch wie so oft im Leben kam es anders als geplant. Spätestens Ende 2023 entschloss sich die Hauseigentümerin zur Trennung. Die Beziehung war gescheitert. Über einen Rechtsanwalt ließ sie ihren ehemaligen Partner im November 2023 auffordern, das Haus zu räumen und bis Ende Januar 2024 zu verlassen. Zusätzlich wurde ihm ab Februar 2024 ein Hausverbot erteilt.

Der Mann weigerte sich jedoch, auszuziehen. Er bewohnte weiterhin zwei Räume im Kellerbereich des Hauses und nutzte ein Gäste-WC im Erdgeschoss. Seine Argumentation: Durch das Verlöbnis und die Aufgabe seiner eigenen Wohnung habe er ein rechtlich geschütztes Wohnrecht in dem Haus erworben. Schließlich habe er im Vertrauen auf die künftige Eheschließung seine alte Wohnung aufgegeben.

Die rechtliche Auseinandersetzung

Die Hauseigentümerin sah das völlig anders. Sie bestritt sogar, dass es jemals ein echtes Verlöbnis im rechtlichen Sinne gegeben habe. Von Anfang an habe sie klargemacht, dass sie den Mann nicht heiraten und überhaupt keine Ehe mehr eingehen wolle. Über eine konkrete Eheschließung sei nie gesprochen worden.

Der Beklagte hingegen beharrte auf seinem Standpunkt. Es habe sehr wohl ein Verlöbnis bestanden, sogar eine Verlobungsfeier habe Anfang Januar 2021 im gemeinsamen Haus stattgefunden. Durch die vollständige Aufgabe seiner Mietwohnung sei ein faktisches Wohnrecht entstanden. Er berief sich dabei auf die gesetzlichen Regelungen zum Verlöbnis und argumentierte, dass ihm aufgrund des Vertrauens auf die Eheschließung besondere Rechte zustünden.

Zunächst versuchte der Mann sogar, die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts anzufechten. Er war der Ansicht, dass wegen des Verlöbnisses das Familiengericht zuständig sein müsse. Doch sowohl das Landgericht als auch in der Folge das Oberlandessgericht wiesen diese Einwände zurück. Es handele sich um eine gewöhnliche bürgerlich-rechtliche Streitigkeit über Eigentums- und Besitzrechte, nicht um eine Familiensache.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gab der Klägerin in allen Punkten recht. Der ehemalige Lebensgefährte muss die Räume räumen und darf das Haus auch künftig nicht mehr betreten. Die Begründung des Gerichts ist eindeutig und für ähnliche Fälle wegweisend.

Zunächst stellte das Gericht fest: Die Klägerin ist unbestritten Eigentümerin des Hauses. Als Eigentümerin hat sie grundsätzlich das Recht, von jedem Besitzer, der nicht zum Besitz berechtigt ist, die Herausgabe zu verlangen. Dies ergibt sich aus dem Eigentumsrecht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch fest verankert ist.

Der entscheidende Punkt war nun: Ist der Beklagte zum Besitz berechtigt? Und hier wurde es interessant. Das Gericht untersuchte verschiedene mögliche Rechtsgrundlagen für ein Besitzrecht.

Keine vertragliche Wohnrechtsvereinbarung

Als mögliche rechtliche Grundlage kam zunächst ein Leihvertrag in Betracht. Bei einer Leihe überlässt jemand einem anderen eine Sache unentgeltlich zum Gebrauch. Genau das war hier der Fall: Die Frau überließ dem Mann Wohnraum, ohne dass er dafür Miete zahlen musste.

Bei einem Leihvertrag ohne feste Laufzeit kann der Verleiher die Sache jedoch jederzeit zurückfordern. Der Beklagte hatte nichts dazu vorgetragen, dass eine bestimmte Dauer vereinbart worden wäre. Auch aus dem Zweck der Überlassung ergab sich keine bestimmte Dauer. Die Klägerin konnte also das Haus jederzeit zurückfordern, was sie durch das anwaltliche Schreiben im November 2023 auch getan hatte.

Die Verlöbnis-Frage: Kein Wohnrecht aus einem Eheversprechen

Der Kern der gerichtlichen Auseinandersetzung war die Frage, ob aus dem behaupteten Verlöbnis ein Recht zum Besitz folgen könne. Das Gericht verneinte dies aus zwei unabhängigen Gründen.

Erstens konnte der Beklagte nicht überzeugend nachweisen, dass überhaupt jemals ein Verlöbnis im rechtlichen Sinne bestanden hatte. Das Gericht gelangte sogar zu der Überzeugung, dass es nie ein echtes Verlöbnis gab. Ein Verlöbnis setzt nämlich voraus, dass beide Partner ernsthaft die Absicht haben, einander zu heiraten. Dieses gegenseitige Eheversprechen muss von beiden Seiten gewollt sein. Wenn aber, wie die Klägerin vortrug, von Anfang an klar war, dass sie nicht heiraten wolle, fehlt es an diesem erforderlichen Willen zur Eheschließung.

Zweitens stellte das Gericht klar: Selbst wenn man ein Verlöbnis annimmt, folgt daraus kein Recht zum Besitz der Wohnung. Diese Feststellung ist besonders wichtig und hat grundsätzliche Bedeutung. Der Beklagte hatte argumentiert, ihm stehe aufgrund des Verlöbnisses ein geschütztes Wohnrecht zu. Das Gericht widersprach dieser Ansicht deutlich.

Die gesetzlichen Regelungen zum Verlöbnis sehen bei einem Rücktritt vom Verlöbnis nur einen Schadensersatzanspruch vor. Ersetzt werden können Vermögensschäden, die auf dem Vertrauen auf die künftige Eheschließung beruhen. Das Gesetz spricht hier vom sogenannten negativen Interesse oder Abwicklungsinteresse.

Was bedeutet Schadensersatz statt Wohnrecht?

Das Gericht erklärte den Unterschied sehr anschaulich. Angenommen, der Beklagte hatte tatsächlich im Vertrauen auf die Heirat seine Wohnung aufgegeben. Dann könnte er theoretisch Ersatz für alle daraus entstandenen Vermögensschäden verlangen. Das könnten beispielsweise die Kosten für eine neue Wohnung sein oder Umzugskosten.

Nicht zu ersetzen sind hingegen Vorteile, die erst durch die Ehe entstanden wären. Ein dauerhaftes Wohnrecht im Haus der Partnerin wäre ein solcher Vorteil gewesen, der erst mit der Ehe gekommen wäre. Selbst wenn man also den Verlust der alten Wohnung als Vermögensschaden ansieht und eine Naturalrestitution annimmt, würde daraus nur die Pflicht folgen, das alte Mietverhältnis wiederherzustellen.

Unter keinen Umständen werden aber durch das Verlöbnis oder dessen Auflösung neue Rechte bezüglich des Wohnens im Haus der anderen Person begründet. Das Verlöbnis verschafft keinen Anspruch darauf, in der Wohnung des anderen Partners wohnen zu dürfen.

Unterlassungsanspruch: Kein Zutritt mehr zum Haus

Zusätzlich zur Räumung sprach das Gericht auch einen Unterlassungsanspruch aus. Der Beklagte darf das Haus künftig nicht mehr betreten. Bei Zuwiderhandlung drohen ihm empfindliche Ordnungsgelder oder sogar Ordnungshaft.

Dieser Anspruch ergibt sich daraus, dass der Beklagte durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt das Eigentumsrecht der Klägerin beeinträchtigt. Die bereits seit Monaten bestehende Beeinträchtigung ließ das Gericht davon ausgehen, dass auch künftig die Gefahr besteht, dass der Beklagte wieder versuchen könnte, das Haus zu betreten. Deshalb war nicht nur die Räumung, sondern auch das Verbot weiterer Besuche gerechtfertigt.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat praktische Bedeutung für alle, die in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft leben oder planen, mit dem Partner zusammenzuziehen. Es zeigt deutlich die Grenzen rechtlicher Ansprüche auf, wenn eine Beziehung scheitert.

Eigentumsrechte bleiben bestehen: Wer Eigentümer einer Immobilie ist, behält seine Rechte auch dann, wenn der Partner einzieht. Ein Zusammenleben, selbst über Jahre, ändert nichts an den Eigentumsverhältnissen. Der Nicht-Eigentümer erwirbt durch das bloße Wohnen in der Immobilie keine eigenen Rechte.

Ein Verlöbnis schafft kein Wohnrecht: Selbst wenn Paare fest planen zu heiraten und dies auch nach außen kommunizieren, entsteht daraus kein rechtlich geschütztes Wohnrecht. Das Verlöbnis ist rechtlich sehr schwach ausgeprägt und vermittelt vor allem keine Besitzrechte an Immobilien.

Eigene Wohnung nicht vorschnell aufgeben: Das Urteil zeigt, wie riskant es sein kann, die eigene Wohnung aufzugeben, um zum Partner zu ziehen, solange man nicht verheiratet ist oder keine anderen rechtlichen Absicherungen getroffen hat. Im Fall einer Trennung steht man möglicherweise ohne eigenen Wohnraum da.

Schadensersatzansprüche statt Wohnrechte: Hat jemand im Vertrauen auf eine Heirat seine Wohnung aufgegeben und kommt es nicht zur Ehe, kann möglicherweise Schadensersatz verlangt werden. Dies ersetzt aber nur die entstandenen Nachteile, beispielsweise Kosten für eine neue Wohnung. Es entsteht kein Anspruch darauf, dauerhaft in der Wohnung des anderen wohnen zu dürfen.

Rechtsschutz durch klare Vereinbarungen: Wer als Nicht-Eigentümer eine gewisse Absicherung haben möchte, sollte klare vertragliche Vereinbarungen treffen. Dies könnte ein befristeter Mietvertrag sein oder eine andere schriftliche Vereinbarung über Nutzungsrechte. Verlässt man sich nur auf mündliche Zusagen oder auf das Verlöbnis, steht man bei einer Trennung rechtlich schwach da.

Das Urteil macht deutlich, dass emotionale Bindungen und Zukunftspläne rechtlich nicht dasselbe sind wie gesicherte Wohnrechte. Wer Rechtssicherheit haben möchte, muss dies durch entsprechende Verträge oder durch eine Heirat erreichen.


Quelle: Landgericht Kempten, Urteil vom 28.10.2024, Az. 64 O 232/24

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.


Das könnte Sie auch interessieren:

22. Juli 2025
Wenn die falsche Person zur Eigentümerversammlung einlädt, sind die dort gefassten Beschlüsse nicht automatisch unwirksam. Das LG Lüneburg stärkt d...
22. August 2025
Bei genehmigungspflichtigen Grundstücksverkäufen kann der Makler seine Provision erst nach der behördlichen Genehmigung des Kaufvertrags verlangen.
30. September 2025
Vermieter müssen bei Mieterhöhungen konkret begründen, warum ihre Wohnung mehr wert ist. Eine einfache Tabelle mit Häkchen genügt nicht, entschied ...
09. Oktober 2025
Seit Januar 2025 dürfen Wohnraumvermieter Nebenkostenbelege digital bereitstellen. Für Gewerberaummieter gilt diese Erleichterung jedoch nicht. Das...
17. September 2025
Wohnungseigentümer können die Jahresabrechnung ihrer Eigentümergemeinschaft auch bei kleineren Fehlern erfolgreich anfechten. Dies zeigt ein aktuel...
26. Juli 2025
Ein aktuelles Urteil zeigt die Grenzen der Selbsthilfe bei Falschparkern auf dem Vermietungsgrundstück und stärkt die Rechte von Mietern. Parkt ...