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Zu wenig Wohnfläche: Wann Käufer Geld zurückfordern können

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Wer eine Immobilie kauft und dabei deutlich weniger Wohnfläche erhält als im Exposé angegeben, kann eine Kaufpreisminderung verlangen. Das zeigt ein aktuelles Urteil zur Frage der Toleranzgrenzen.
Ein Paar steht in einer leeren Wohnung mit Bauplänen in der Hand
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Versprechen und Wirklichkeit klaffen auseinander

Ein Ehepaar erwarb ein Wohnhaus, nachdem im Maklerexposé eine Wohnfläche von circa 120 Quadratmetern ausgewiesen worden war. Der Kaufpreis lag im sechsstelligen Bereich. Nach dem Einzug ließen die neuen Eigentümer die Wohnfläche fachmännisch nachmessen und erlebten eine unangenehme Überraschung: Statt der erwarteten 120 Quadratmeter verfügte das Haus lediglich über knapp 97 Quadratmeter Wohnfläche. Die Abweichung betrug damit etwa ein Viertel der versprochenen Fläche.

Die Käufer fühlten sich getäuscht und forderten von den Verkäufern eine entsprechende Kaufpreisminderung. Diese beriefen sich jedoch auf einen im notariellen Kaufvertrag vereinbarten Gewährleistungsausschluss und weigerten sich, Geld zurückzuzahlen. Der Streit landete vor Gericht.

Die rechtliche Ausgangslage: Was gilt als Wohnfläche?

Das Gericht musste zunächst eine grundsätzliche Frage klären: Nach welchen Maßstäben ist die Wohnfläche überhaupt zu berechnen? Anders als bei öffentlich geförderten Wohnungen, für die die Wohnflächenverordnung zwingend gilt, gibt es bei frei finanzierten Immobilien keine gesetzlich vorgeschriebene Berechnungsmethode. Die Richter stellten fest, dass es außerhalb des sozialen Wohnungsbaus kein allgemeingültiges Verständnis für die Berechnung der Wohnfläche gibt.

Wenn die Vertragsparteien keine ausdrückliche Vereinbarung über die anzuwendende Berechnungsmethode getroffen haben, ist nach der Rechtsprechung auf die örtliche Verkehrssitte abzustellen. Im konkreten Fall ermittelte ein Sachverständiger, dass in der betreffenden Region bei Immobilienverkäufen üblicherweise die Wohnflächenverordnung als Berechnungsgrundlage herangezogen wird, auch wenn diese formal nur für geförderten Wohnraum gilt.

Die Bedeutung des Maklerexposés: Mehr als bloße Werbung

Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die rechtliche Einordnung der Angaben im Maklerexposé. Die Verkäufer argumentierten, das Exposé sei lediglich ein Werbemittel ohne verbindliche Zusagen. Das Gericht widersprach dieser Sichtweise deutlich. Nach ständiger Rechtsprechung können Angaben in einem Verkaufsexposé eine Beschaffenheitserwartung im kaufrechtlichen Sinne begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Exposé im Auftrag des Verkäufers erstellt und von diesem inhaltlich genehmigt wurde.

Die Käufer durften daher darauf vertrauen, dass die im Exposé genannte Wohnfläche von circa 120 Quadratmetern auch tatsächlich vorhanden ist. Diese Angabe wurde damit zur geschuldeten Sollbeschaffenheit der Kaufsache. Allerdings räumte das Gericht den Verkäufern durch das Wörtchen "circa" einen gewissen Toleranzspielraum ein.

Die Zehn-Prozent-Grenze: Wo Ungenauigkeiten enden

Eine Zirka-Angabe im Exposé bedeutet, dass keine exakt präzise Wohnfläche versprochen wird. Kleine Abweichungen aufgrund von Messungenauigkeiten oder unterschiedlichen Bewertungsspielräumen müssen Käufer hinnehmen. Doch wo verläuft die Grenze zwischen akzeptabler Ungenauigkeit und erheblichem Mangel? Das Gericht zog diese Grenze bei zehn Prozent Abweichung.

Wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als zehn Prozent unter der im Exposé genannten Zirka-Angabe liegt, stellt dies einen Sachmangel dar, der Gewährleistungsrechte auslöst. Im vorliegenden Fall betrug die erwartbare Mindestwohnfläche somit 108 Quadratmeter. Mit tatsächlich nur knapp 97 Quadratmetern lag die Abweichung deutlich über der zulässigen Toleranzgrenze.

Die Besichtigung ersetzt keine Aufklärung

Die Verkäufer wandten ein, die Käufer hätten das Haus vor dem Kauf besichtigt und sogar einzelne Räume ausgemessen. Sie hätten also die Möglichkeit gehabt, die Wohnflächenangabe zu überprüfen. Dieses Argument überzeugte das Gericht nicht. Die Wohnfläche sei keine Eigenschaft, die einer normalen Besichtigung vollständig zugänglich ist. Es handelt sich um einen Rechtsbegriff, dessen Ermittlung das Ergebnis einer wertenden Betrachtung nach bestimmten Berechnungsregeln darstellt.

Auch die Übergabe von bemaßten Grundrissplänen vor Vertragsschluss stellte keine ausreichende Richtigstellung dar. Die Verkäufer hätten die Käufer aktiv darauf hinweisen müssen, dass die Exposé-Angabe möglicherweise unzutreffend ist. Die bloße Möglichkeit, aus übergebenen Unterlagen selbst eine andere Wohnfläche zu berechnen, reicht nicht aus, um eine zuvor hervorgerufene Fehlvorstellung zu korrigieren.

Grobe Fahrlässigkeit schließt Gewährleistungsausschluss aus

Ein entscheidender Aspekt des Falls war der im Kaufvertrag vereinbarte pauschale Gewährleistungsausschluss. Grundsätzlich können Verkäufer und Käufer vereinbaren, dass für Sachmängel keine Gewährleistung übernommen wird. Doch dieser Ausschluss greift nicht, wenn der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen oder grob fahrlässig nicht erkannt hat.

Im vorliegenden Fall hatten die Verkäufer aus ihren eigenen Bauunterlagen Kenntnis von einer deutlich geringeren Wohnfläche von etwa 91 Quadratmetern. Als die beauftragte Maklerin jedoch eine Wohnfläche von 120 Quadratmetern errechnete, hinterfragten sie diese Abweichung zwar kurz, ließen sich dann aber mit dem Hinweis zufrieden, dass Terrassen zusätzlich berücksichtigt worden seien. Sie veröffentlichten ausschließlich die höhere, verkäufergünstigere Zahl und verschwiegen die ihnen bekannte niedrigere Berechnung.

Das Gericht wertete dieses Verhalten als grob fahrlässig. Die Verkäufer hätten die offensichtliche Diskrepanz zwischen zwei erheblich voneinander abweichenden Wohnflächenberechnungen erkennen müssen. Wer trotz erkannter Zweifel nur die für ihn günstigere Information veröffentlicht und die andere verschweigt, verletzt die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Der Gewährleistungsausschluss griff daher nicht.

Die Berechnung der Minderung: Mehr als simple Mathematik

Viele Käufer gehen davon aus, dass bei 25 Prozent weniger Wohnfläche auch der Kaufpreis um 25 Prozent zu mindern ist. Diese Rechnung ist jedoch zu einfach. Das Gericht stellte klar, dass die Minderung nicht durch bloße Umrechnung des Kaufpreises auf die Quadratmeterzahl erfolgen kann. Bei der Immobilienbewertung ist zwischen Bodenwert und Gebäudewert zu unterscheiden. Zudem spielen viele weitere Faktoren eine Rolle, etwa Lage, Ausstattung und Bausubstanz.

Das Gericht holte ein Sachverständigengutachten ein, das den tatsächlichen Verkehrswert der Immobilie mit der vorhandenen Wohnfläche sowie den fiktiven Verkehrswert bei Vorhandensein der erwarteten Wohnfläche ermittelte. Auf Basis dieser Werte wurde dann die Minderungsquote berechnet. Im konkreten Fall ergab sich eine Kaufpreisminderung von rund zehn Prozent, obwohl die Wohnfläche um etwa 25 Prozent zu gering war.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil stärkt die Position von Immobilienkäufern erheblich. Wenn im Exposé eine bestimmte Wohnfläche angegeben ist und die tatsächliche Fläche um mehr als zehn Prozent darunter liegt, haben Käufer einen Anspruch auf Kaufpreisminderung. Dies gilt auch dann, wenn im Kaufvertrag ein Gewährleistungsausschluss vereinbart wurde, sofern der Verkäufer den Mangel grob fahrlässig oder vorsätzlich verschwiegen hat.

Für Verkäufer bedeutet das Urteil: Wohnflächenangaben im Exposé sollten sorgfältig geprüft und nach anerkannten Berechnungsmethoden erstellt werden. Wer unterschiedliche Berechnungen kennt, muss den Käufer hierüber aktiv aufklären. Das bloße Überlassen von Grundrissen reicht nicht aus. Besonders wichtig ist, dass auch vom Makler erstellte Exposés dem Verkäufer zugerechnet werden, wenn er diese inhaltlich genehmigt hat.

Käufer sollten bei erheblichen Abweichungen zwischen Exposé-Angaben und tatsächlicher Wohnfläche nicht zögern, ihre Rechte geltend zu machen. Die bloße Besichtigung der Immobilie vor dem Kauf schadet nicht, selbst wenn man dort die Gelegenheit gehabt hätte, einzelne Räume auszumessen. Eine Nachberechnung der Wohnfläche ist für juristische Laien kaum möglich und wird auch nicht erwartet.

Das Urteil schafft wichtige Klarheit über die Berechnungsmethoden für die Wohnfläche. Wo keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde, gilt die örtliche Verkehrssitte. In den meisten Regionen dürfte dies die Anwendung der Wohnflächenverordnung bedeuten. Käufer und Verkäufer haben damit einen verlässlichen Maßstab, an dem sie sich orientieren können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Wohnflächenangaben in Exposés sind keine bloßen Werbeaussagen, sondern begründen konkrete Ansprüche. Wer als Käufer deutlich weniger Wohnfläche erhält als versprochen, muss dies nicht hinnehmen, sondern kann sein Recht auf Minderung durchsetzen.


Quelle: Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 23.06.2022, Az. 22 U 91/21

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