Wurzelschäden durch Straßenbäume: Was müssen Anlieger dulden?


Der Fall: Jahrelanger Streit um Platanenwurzeln
Eine Hausbesitzerin aus Nordrhein-Westfalen kämpfte jahrelang gegen die Folgen von Straßenbäumen vor ihrem Grundstück. Zwei Platanen standen auf dem Gehweg in unmittelbarer Nähe zu ihrem Vorgarten und ihrer Garagenauffahrt. Die Wurzeln der Bäume wuchsen in ihr Grundstück hinein und hoben dabei die Betonplatten ihrer Zuwegung an.
Der Ärger begann bereits 2012, als die Eigentümerin erstmals vor Gericht zog. Damals war sie erfolgreich: Das Landgericht verurteilte die Stadt zu Schadensersatz in Höhe von rund 1400 Euro. Ein Sachverständiger hatte festgestellt, dass die Wurzeln der städtischen Platanen mitverantwortlich für die Schäden waren.
Doch die Probleme blieben bestehen. Trotz der Gerichtsentscheidung änderte sich an der Situation nichts. Die Wurzeln wuchsen weiter, neue Schäden entstanden. Die Grundstückseigentümerin sah sich zu einem erneuten Gerichtsverfahren gedrängt.
Die Forderung: Wurzeln weg, Platten neu
Diesmal wollte die Klägerin nicht nur Geld, sondern eine dauerhafte Lösung. Sie forderte von der Stadt die vollständige Entfernung aller Wurzeln unter ihrer Garagenauffahrt und dem Hauseingang sowie die Neuverlegung der beschädigten Betonplatten und eine endgültige Beseitigung der Schadensursache.
Die Argumentation der Klägerin klang zunächst überzeugend: Die Bäume seien erst nach dem Bau der Häuser gepflanzt worden, eine Wurzelsperre habe gefehlt. Die Schäden würden immer größer, die Wurzeln näherten sich sogar dem Gebäude. Eine Gartenbaufirma habe von einer Reparatur abgeraten, da die Wurzeln die neuen Platten schnell wieder beschädigen würden.
Das rechtliche Dilemma: Duldungspflicht vs. Eigentumsrechte
Das Gericht musste eine schwierige Abwägung treffen. Auf der einen Seite stehen die Eigentumsrechte der Grundstückseigentümer, auf der anderen Seite das öffentliche Interesse an Straßenbäumen.
Die Rechtslage ist klar geregelt: Nach dem Straßengesetz Nordrhein-Westfalen müssen Grundstückseigentümer die Einwirkungen von Straßenbäumen grundsätzlich dulden. Dies betrifft nicht nur Laubfall oder Verschattung, sondern auch das Hineinwachsen von Wurzeln.
Diese Duldungspflicht ist kein Zufall. Straßenbäume erfüllen wichtige Funktionen: Sie verbessern das Stadtklima und binden Kohlendioxid, schaffen Lebensqualität und eine angenehme Atmosphäre, spenden Schatten und kühlen die Umgebung und lockern das Stadtbild auf und beruhigen das Auge.
Der Gesetzgeber hat bewusst entschieden, dass diese Vorteile für die Allgemeinheit Vorrang haben vor den Interessen einzelner Grundstückseigentümer.
Die Ausnahme: Wann endet die Duldungspflicht?
Dennoch gibt es Grenzen. Die Duldungspflicht endet in besonderen Ausnahmesituationen, wenn die Bäume zu ernsthaften, nicht anderweitig behebbaren Schäden führen oder die Nutzung des Grundstücks in einem unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt mehr zumutbaren Maß beeinträchtigt wird.
Diese Schwelle ist bewusst hoch angesetzt. Normale Beeinträchtigungen wie angehobene Gehwegplatten oder kleinere Schäden müssen hingenommen werden.
Die überraschende Wende: Neue Sachverständigenuntersuchung
Das Gericht beauftragte einen neuen Sachverständigen mit der Untersuchung der Garagenauffahrt. Das Ergebnis war überraschend: An den Stellen, wo der frühere Gutachter 2011 noch Wurzeln gefunden hatte, waren keine Wurzeln mehr vorhanden.
Der neue Sachverständige stellte fest, dass die ursprünglich unter der Garagenauffahrt verlaufenden Wurzeln nicht mehr existierten, die sichtbaren Anhebungen der Betonplatten nicht mehr auf Wurzeln zurückzuführen waren und die Schäden hauptsächlich aus der unzureichenden Bauausführung der Auffahrt resultierten.
Diese Erkenntnis war entscheidend für das Urteil. Ohne nachweisbare Wurzeln als Schadensursache fehlte die Grundlage für den Beseitigungsanspruch.
Die Entscheidung: Klage abgewiesen
Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Begründung war eindeutig: Es liegt keine Ausnahmesituation vor, die einen Beseitigungsanspruch rechtfertigen würde, die Grundstückseigentümerin muss die Bäume weiterhin dulden und die aktuellen Schäden sind nicht mehr auf die Straßenbäume zurückzuführen.
Besonders bedeutsam: Das Gericht stellte klar, dass die Beweislast bei der Klägerin liegt. Wer von der Stadt die Entfernung von Wurzeln fordert, muss den Kausalzusammenhang zwischen Baumwurzeln und Schäden nachweisen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung hat wichtige praktische Folgen für alle Straßenanlieger.
Grundsätzliche Duldungspflicht bestätigt: Hausbesitzer müssen Beeinträchtigungen durch Straßenbäume weitgehend hinnehmen. Dazu gehören nicht nur Laubfall und Verschattung, sondern auch Wurzelschäden.
Hohe Hürden für Beseitigungsansprüche: Nur in extremen Fällen können Anlieger von der Stadt die Entfernung von Bäumen oder Wurzeln verlangen. Normale Schäden und Beeinträchtigungen reichen nicht aus.
Selbsthilferecht bleibt bestehen: Grundstückseigentümer dürfen über die Grenze wachsende Wurzeln selbst kappen. Dies muss jedoch vorher der Straßenbaubehörde angezeigt werden. Zudem sind naturschutzrechtliche Bestimmungen zu beachten.
Beweislast beim Eigentümer: Wer Ansprüche gegen die Stadt geltend macht, muss den Zusammenhang zwischen Straßenbäumen und Schäden eindeutig nachweisen. Vermutungen reichen nicht aus.
Regelmäßige Überprüfung notwendig: Sachverhalte können sich ändern. Was einmal als Wurzelschaden festgestellt wurde, muss nicht dauerhaft bestehen bleiben.
Praktische Tipps für Betroffene
Falls Sie selbst von Wurzelschäden betroffen sind, sollten Sie zunächst die Schäden regelmäßig fotografieren und deren Entwicklung dokumentieren. Dies kann bei späteren Verfahren hilfreich sein. Lassen Sie außerdem durch einen Sachverständigen prüfen, ob die Schäden tatsächlich auf Straßenbäume zurückzuführen sind.
In vielen Fällen ist die Eigeninitiative der praktischste Weg. Zeigen Sie geplante Wurzelschnitte rechtzeitig bei der Straßenbaubehörde an. Informieren Sie sich jedoch über eventuelle naturschutzrechtliche Beschränkungen, da für das Kappen von Wurzeln eine Befreiung erforderlich sein kann.
Haben Sie realistische Erwartungen: Klagen gegen die Stadt sind selten erfolgreich. Prüfen Sie daher alternative Lösungswege.
Fazit: Stadtgrün hat Vorrang
Das Urteil macht deutlich, dass der Gesetzgeber dem Stadtgrün einen hohen Stellenwert einräumt. Die Vorteile von Straßenbäumen für die Allgemeinheit überwiegen die Nachteile für einzelne Anlieger.
Diese Wertung ist nachvollziehbar: Angesichts des Klimawandels und der Bedeutung von Grünflächen für die Lebensqualität in Städten sind Straßenbäume wichtiger denn je. Ihr Schutz geht daher in der Regel vor den Interessen einzelner Grundstückseigentümer.
Für Hausbesitzer bedeutet dies: Pragmatische Lösungen sind oft der beste Weg. Statt aufwendige Gerichtsverfahren zu führen, sollten Betroffene prüfen, ob sie durch Eigeninitiative und sachgerechte Baumaßnahmen mit den Auswirkungen der Straßenbäume leben können.
Die Entscheidung zeigt auch, wie wichtig eine gründliche Beweisführung ist. Ohne eindeutige Nachweise für den Kausalzusammenhang zwischen Baumwurzeln und Schäden haben Klagen gegen die Stadt wenig Aussicht auf Erfolg.
Quelle: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.02.2025, Az. 11 A 827/22
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