Wohnfläche im Mietvertrag richtig verstehen


Der konkrete Fall aus Bonn
Ein Ehepaar mietete 2006 eine Wohnung in Bonn, die laut Mietvertrag "ca. 180 qm" groß sein sollte. Die Wohnung erstreckte sich über drei Geschosse: Erdgeschoss, Zwischengeschoss und Untergeschoss. Im Vertrag hieß es, dass alle Räume "zur Benutzung als Wohnraum" vermietet würden.
Jahre später wollte die Vermieterin die Miete erhöhen – basierend auf einer Wohnfläche von 177 qm. Die Mieter wehrten sich jedoch: Sie ließen die Wohnung neu vermessen und kamen nur auf 144,5 qm tatsächliche Wohnfläche. Daraufhin forderten sie eine Mietminderung und die Rückzahlung von Miete in Höhe von fast 50.000 Euro.
Die zentrale Streitfrage: Was zählt zur Wohnfläche?
Der Streit drehte sich um eine grundsätzliche Frage: Müssen Wohnflächen immer nach objektiven Standards berechnet werden, oder können Mieter und Vermieter eigene Regeln vereinbaren?
Die Mieter argumentierten, dass die tatsächliche Wohnfläche erheblich kleiner sei als im Vertrag angegeben. Nach ihrer Ansicht lag ein Mangel vor, der zur Mietminderung berechtigt.
Die Vermieterin berief sich dagegen auf die Vertragsformulierung: Alle Räume seien ausdrücklich "als Wohnraum" vermietet worden – inklusive der Kellerräume im Untergeschoss.
BGH-Entscheidung: Vertragsvereinbarungen haben Vorrang
Der Bundesgerichtshof gab der Vermieterin Recht und stellte dabei wichtige Grundsätze auf:
Wohnflächenvereinbarungen sind bindend
"Die Parteien können vereinbaren, wie sie eine im Mietvertrag angegebene Wohnfläche verstanden wissen wollten."
Das Gericht machte deutlich: Mieter und Vermieter dürfen selbst festlegen, welche Flächen zur Wohnfläche zählen sollen – unabhängig davon, ob diese Räume nach offiziellen Berechnungsverordnungen als Wohnraum gelten würden oder nicht.
Entscheidend ist die Vertragsauslegung
Im konkreten Fall interpretierten die Richter die Formulierung "zur Benutzung als Wohnraum" als klare Vereinbarung: Alle drei Geschosse sollten bei der Wohnflächenberechnung berücksichtigt werden. Verstärkt wurde diese Auslegung dadurch, dass im Vertrag der übliche Zusatz über die hälftige Anrechnung von Balkonen und Terrassen gestrichen worden war.
Keine Mietminderung möglich
Da die Parteien eine spezielle Wohnflächenvereinbarung getroffen hatten und die Wohnung tatsächlich die vereinbarte Fläche aufwies, lag kein Mangel vor. Die Mieter konnten daher weder eine Mietminderung noch Rückzahlungen verlangen.
Unterschied zwischen Vertragsauslegung und Mieterhöhung
Besonders wichtig: Der BGH betonte den Unterschied zwischen Wohnflächenvereinbarungen und Mieterhöhungen:
- Bei Beschaffenheitsvereinbarungen (wie im Mietvertrag) können die Parteien selbst bestimmen, was zur Wohnfläche zählt
- Bei Mieterhöhungen ist dagegen immer die objektiv ermittelte tatsächliche Wohnfläche maßgeblich – vertragliche Abweichungen sind hier unwirksam
Dies erklärt, warum die Vermieterin bei der Mieterhöhung von 177 qm ausging, während gleichzeitig die vertragliche Vereinbarung über 180 qm für die Mangelfrage relevant blieb.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter:
- Mietverträge genau prüfen: Achten Sie darauf, wie die Wohnfläche beschrieben wird und welche Räume explizit erwähnt werden
- Bei Zweifeln nachmessen: Lassen Sie vor Vertragsabschluss die Wohnfläche professionell vermessen, wenn Ihnen die Angaben unrealistisch erscheinen
- Vertragsverhandlungen nutzen: Sprechen Sie unklare Flächenangaben bereits bei Vertragsabschluss an
Für Vermieter:
- Klare Formulierungen: Beschreiben Sie präzise, welche Räume und Flächen zur Wohnfläche zählen sollen
- Konsistenz beachten: Verwenden Sie bei Mieterhöhungen die tatsächlich gemessene Wohnfläche, unabhängig von vertraglichen Vereinbarungen
- Dokumentation: Halten Sie Messungen und Berechnungsgrundlagen schriftlich fest
Praktische Tipps:
- Der Zusatz "ca." bei Flächenangaben ändert nichts an der Bindungswirkung von Beschaffenheitsvereinbarungen
- Auch Kellerräume können zur Wohnfläche zählen, wenn sie entsprechend vermietet und genutzt werden
- Bei Abweichungen von mehr als 10% zwischen vereinbarter und tatsächlicher Fläche kann grundsätzlich ein Mangel vorliegen – es sei denn, es gibt eine spezielle Vereinbarung
Fazit: Wohnflächenangaben im Mietvertrag sind nicht nur unverbindliche Schätzungen, sondern können bindende Beschaffenheitsvereinbarungen darstellen. Beide Vertragsseiten sollten daher von Anfang an Klarheit über die Flächenberechnung schaffen.
Quelle: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Juni 2021, Az. VIII ZR 26/20
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