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Vorkaufsrecht auch auf Teileigentum

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Mieter haben auch bei Umwandlung in Teileigentum ein Vorkaufsrecht. Der BGH stellte klar: § 577 BGB gilt analog auch für Teileigentum. Doch Vorsicht: Die Zwei-Monats-Frist zur Ausübung ist eine strenge Ausschlussfrist.
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Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus der Praxis

Ein Mieter bewohnte seit 2006 eine Wohnung in einem Mehrparteienhaus mit insgesamt zwölf Einheiten. Als die Vermieterin verstarb, übernahm ein Testamentsvollstrecker die Verwaltung. Dieser entschied sich für einen ungewöhnlichen Weg: Statt die Wohnungen in klassisches Wohnungseigentum umzuwandeln, begründete er im Dezember 2017 Teileigentum an den vermieteten Räumen.

Der Unterschied ist wichtig: Während Wohnungseigentum speziell für Wohnzwecke gedacht ist, wird Teileigentum normalerweise für gewerblich genutzte Räume wie Büros oder Läden verwendet. In der Praxis können jedoch auch Wohnräume als Teileigentum verkauft werden.

Ende 2017 verkaufte der Testamentsvollstrecker neun Einheiten des Mehrparteienhauses paketweise an eine Immobiliengesellschaft für mehrere Millionen Euro. Der Mieter erhielt im Januar 2018 eine teilweise geschwärzte Kopie des Kaufvertrags und wurde über sein mögliches Vorkaufsrecht informiert.

Die zentrale Rechtsfrage: Vorkaufsrecht bei Teileigentum?

Der Mieter wartete jedoch über ein Jahr, bevor er im August 2019 sein Vorkaufsrecht ausübte – viel zu spät, wie sich herausstellen sollte. Da die Immobiliengesellschaft die Wohnung bereits weiterverkauft hatte, klagte der Mieter auf Schadensersatz in Höhe von mehreren hunderttausend Euro.

Die entscheidende Frage war: Haben Mieter überhaupt ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Teileigentum statt in Wohnungseigentum umgewandelt wird?

Nach § 577 BGB haben Mieter grundsätzlich ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung in Wohnungseigentum umgewandelt und verkauft wird. Doch der Gesetzestext erwähnt nur "Wohnungseigentum" – nicht "Teileigentum".

BGH-Entscheidung: Analogie zu § 577 BGB

Der Bundesgerichtshof gab dem Mieter zumindest teilweise Recht und stellte wichtige Grundsätze auf:

Vorkaufsrecht entsteht auch bei Teileigentum

"§ 577 Abs. 1 Satz 1 BGB kann auch dann ein Vorkaufsrecht des Mieters entstehen lassen, wenn anstelle von Wohnungseigentum Teileigentum an zu Wohnzwecken vermieteten Räumlichkeiten begründet wird."

Das Gericht begründete dies mit einer Analogie: Obwohl das Gesetz nur Wohnungseigentum erwähnt, soll § 577 BGB auch für Teileigentum gelten, wenn die betroffenen Räume zu Wohnzwecken vermietet sind.

Planwidrige Gesetzeslücke geschlossen

Der BGH argumentierte, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des Vorkaufsrechts im Jahr 1993 nur den "Normalfall" der Umwandlung in Wohnungseigentum im Blick hatte. Eine Umwandlung in Teileigentum war damals nicht bedacht worden.

Da die Schutzbedürftigkeit der Mieter in beiden Fällen identisch ist, müssen sie gleichbehandelt werden. Denn nach einem Verkauf droht ihnen in beiden Konstellationen dasselbe Risiko: Der neue Eigentümer kann eine Eigenbedarfskündigung aussprechen.

Strenge Ausschlussfrist bleibt bestehen

Trotz des grundsätzlich positiven Urteils für Mieter verlor der Kläger seinen Prozess – aus einem anderen Grund:

Zwei-Monats-Frist ist unerbittlich

Das Vorkaufsrecht muss innerhalb von zwei Monaten nach ordnungsgemäßer Mitteilung über den Verkauf ausgeübt werden. Diese Frist ist eine sogenannte Ausschlussfrist.

Der BGH stellte unmissverständlich klar:

"Die Frist ist eine Ausschlussfrist, die nach ihrem Ablauf nicht mehr der Disposition der Parteien unterliegt."

Das bedeutet: Nach Ablauf der zwei Monate ist das Vorkaufsrecht endgültig erloschen – auch wenn der Vermieter später noch einmal anbietet, den Vertrag abzuschließen.

Kein Schadensersatz möglich

Da der Mieter sein Vorkaufsrecht erst im August 2019 ausübte, obwohl die Frist bereits im März 2018 abgelaufen war, konnte er keinen Schadensersatz verlangen. Das Vorkaufsrecht war zu diesem Zeitpunkt bereits untergegangen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter:

Gute Nachricht: Ihr Vorkaufsrecht besteht auch dann, wenn Ihre Wohnung als Teileigentum verkauft wird. Sie sind nicht schlechter gestellt als bei einer klassischen Umwandlung in Wohnungseigentum.

Wichtige Warnung: Die Zwei-Monats-Frist läuft gnadenlos ab. Sobald Sie eine ordnungsgemäße Mitteilung über den Verkauf erhalten, haben Sie exakt zwei Monate Zeit. Danach ist es zu spät – unwiderruflich.

Praktische Tipps:

  • Nehmen Sie Mitteilungen über Verkäufe ernst und prüfen Sie diese umgehend
  • Lassen Sie sich rechtlich beraten, wenn Sie unsicher sind
  • Dokumentieren Sie den Zugang wichtiger Schreiben
  • Zögern Sie die Entscheidung nicht hinaus

Für Vermieter:

Klarstellung: Sie können das Vorkaufsrecht nicht durch die Wahl zwischen Wohnungs- und Teileigentum umgehen. In beiden Fällen entsteht ein Vorkaufsrecht des Mieters.

Mitteilungspflichten beachten: Informieren Sie Mieter ordnungsgemäß über Verkäufe und das bestehende Vorkaufsrecht. Die Zwei-Monats-Frist beginnt erst mit einer vollständigen Mitteilung.

Rechtssicherheit: Nach Ablauf der Ausschlussfrist können Mieter keine nachträglichen Ansprüche mehr geltend machen.

Bedeutung für die Praxis:

Dieses Urteil schließt eine wichtige Lücke im Mieterschutz. Bisher war umstritten, ob das Vorkaufsrecht auch bei Teileigentum gilt. Nun herrscht Rechtssicherheit: Der Schutz vor Verdrängung gilt unabhängig von der rechtlichen Konstruktion des Eigentums.

Gleichzeitig betont das Urteil die Bedeutung strikter Fristen im Immobilienrecht. Mieter, die ihre Rechte nicht rechtzeitig ausüben, gehen leer aus – auch wenn dies im Einzelfall hart erscheinen mag.

Fazit: Das Vorkaufsrecht ist ein wichtiges Schutzinstrument für Mieter. Doch es nützt nur demjenigen etwas, der es rechtzeitig und richtig ausübt. Bei Unsicherheiten sollten Betroffene umgehend rechtlichen Rat einholen.


Quelle: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Mai 2025, Az. VIII ZR 201/23

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