Verwahrloste Wohnung: Wann darf der Vermieter fristlos kündigen?
Der Fall: Langjähriger Mieter lässt Wohnung verwahrlosen
In Frankfurt am Main kam es zum Streit zwischen einer Vermieterin und ihrem langjährigen Mieter. Der Mieter bewohnte seine Ein-Zimmer-Wohnung bereits seit rund 30 Jahren. Im Laufe der Zeit verschlechterte sich jedoch der Zustand der Wohnung erheblich. Die Vermieterin stellte bei Kontrollen fest, dass die Wohnung stark verschmutzt und verwahrlost war. Diese Beobachtungen dokumentierte sie mit Fotos.
Der Mieter selbst räumte vor Gericht ein, dass die Wohnung nicht sauber und aufgeräumt sei. Er erklärte, er sei alt, krank und behindert. Zwar habe er einen Betreuer, dieser unterstütze ihn jedoch nicht bei der Wohnungsreinigung. Der Mieter gab an, selbst nicht mehr in der Lage zu sein, die Wohnung gründlich zu reinigen. Ein Verein für Betreutes Wohnen habe zwar eine Grundreinigung angeboten, diese sei aber nie durchgeführt worden.
Der zentrale Streitpunkt: Reicht Verwahrlosung für eine Kündigung?
Die Vermieterin hatte den Mieter bereits mehrfach abgemahnt und ihn aufgefordert, seine Pflege- und Reinhaltungspflichten zu erfüllen. Als der Mieter trotz einer letzten Abmahnung im Juli 2025 sein Verhalten nicht änderte, sprach die Vermieterin im August 2025 die fristlose Kündigung aus.
Der Mieter wehrte sich gegen die Kündigung. Er argumentierte, dass in 30 Jahren Mietzeit längst Schäden hätten entstehen müssen, wenn die Verwahrlosung wirklich so schlimm wäre. Außerdem behauptete er, die von der Vermieterin eingereichten Fotos seien nachträglich mit einem Bildbearbeitungsprogramm verändert worden und zeigten nicht den tatsächlichen Zustand.
Das Urteil: Auch drohende Schäden rechtfertigen fristlose Kündigung
Das Amtsgericht Frankfurt am Main gab der Vermieterin Recht und verurteilte den Mieter zur Räumung der Wohnung. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf eine zentrale Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch. Demnach kann ein Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn der Mieter die Mietsache durch Vernachlässigung seiner Sorgfaltspflicht erheblich gefährdet.
Das Gericht stellte einen wichtigen Grundsatz klar: Der Vermieter muss nicht warten, bis tatsächlich Schäden an der Wohnung entstanden sind. Es reicht aus, wenn solche Schäden aufgrund des Zustands der Wohnung zu befürchten sind. Das bedeutet: Schon die konkrete Gefahr einer Beschädigung durch Verwahrlosung rechtfertigt die fristlose Kündigung.
Die Behauptung des Mieters, die Fotos seien manipuliert worden, wies das Gericht zurück. Der Mieter konnte seine Behauptung nicht beweisen. Obwohl er angab, selbst Fotos eines weniger verschmutzten Zustands gemacht zu haben, legte er diese niemals vor. Zudem hatte der Mieter selbst eingeräumt, dass die Wohnung nicht sauber sei.
Die Bedeutung der vorherigen Abmahnung
Ein wichtiger Aspekt des Falls war die ordnungsgemäße Abmahnung. Bevor ein Vermieter wegen Verwahrlosung fristlos kündigen kann, muss er den Mieter zunächst abmahnen. Die Abmahnung gibt dem Mieter die Chance, sein Verhalten zu ändern und die Wohnung in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Erst wenn der Mieter trotz Abmahnung sein Verhalten nicht ändert, ist die fristlose Kündigung zulässig.
Im vorliegenden Fall hatte die Vermieterin den Mieter mehrfach abgemahnt. Die letzte Abmahnung erfolgte im Juli 2025. Als der Mieter auch danach die Wohnung nicht reinigte oder reinigen ließ, war die im August 2025 ausgesprochene Kündigung wirksam.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Mieter bedeutet dieses Urteil, dass sie ihre Wohnung in einem angemessenen Zustand halten müssen. Wer aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung nicht selbst in der Lage ist, die Wohnung zu reinigen, sollte sich frühzeitig Hilfe organisieren. Soziale Einrichtungen oder professionelle Reinigungsdienste können hier unterstützen. Wichtig ist, auf Abmahnungen des Vermieters zu reagieren und das eigene Verhalten zu ändern.
Für Vermieter zeigt das Urteil, dass sie bei erheblicher Verwahrlosung einer Wohnung nicht machtlos sind. Sie müssen jedoch den richtigen Weg einhalten: Zunächst sollte der Zustand der Wohnung dokumentiert werden, etwa durch Fotos. Dann muss eine Abmahnung erfolgen, die dem Mieter die Gelegenheit zur Besserung gibt. Erst wenn diese erfolglos bleibt, kann die fristlose Kündigung ausgesprochen werden. Dabei müssen Vermieter nicht warten, bis tatsächlich Schäden entstanden sind – die konkrete Gefährdung der Mietsache reicht aus.
Grundsätze des Urteils
- Eine deutlich verwahrloste und verschmutzte Wohnung rechtfertigt die fristlose Kündigung nach erfolgloser Abmahnung.
- Der Vermieter muss nicht warten, bis Schäden eingetreten sind; es genügt, wenn Schäden zu besorgen sind.
- Vor der fristlosen Kündigung wegen Verwahrlosung ist eine Abmahnung erforderlich.
- Der Mieter trägt die Beweislast, wenn er behauptet, Beweismittel des Vermieters seien manipuliert.
- Persönliche Umstände wie Alter oder Krankheit entbinden nicht von der Pflicht zur Instandhaltung.
Quelle: AG Frankfurt/Main, Urteil vom 19.11.2025 – 33051 C 287/25 (nicht rechtskräftig)
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