Mietvertrag nach Trennung - Wann eine Kündigung trotz fehlender Zustimmung wirksam sein kann

Der Fall: Auszug nach Trennung und verweigerte Zustimmung
Ein Paar hatte gemeinsam eine Dreizimmerwohnung angemietet. Nach der Trennung zog die Frau im September 2020 aus der Wohnung aus und nahm mehrfach Kontakt mit der Vermieterin auf, um die vertragliche Situation zu klären. Im November 2020 teilte sie der Vermieterin schriftlich mit, dass sie nicht mehr in der Wohnung wohne, keinen Schlüssel mehr habe und kündigte das Mietverhältnis zum 28. Februar 2021.
Die Vermieterin antwortete prompt und wies darauf hin, dass die Kündigung nicht rechtswirksam sei, da die Zustimmung des Ex-Partners fehle. Dieser stimmte der Kündigung tatsächlich nicht zu und tauschte sogar die Türschlösser aus, sodass die Frau keinen Zugang mehr zur Wohnung hatte.
Zwei Jahre später forderte die Vermieterin von der ausgezogenen Mieterin rückständige Mietzahlungen für die Jahre 2022 und 2023 - mit der Begründung, dass das Mietverhältnis nie wirksam beendet worden sei.
Die rechtliche Grundregel: Gemeinsame Kündigung erforderlich
Grundsätzlich gilt im Mietrecht: Ein Mietverhältnis, an dem auf Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind, kann nur von allen Mietparteien gemeinsam gekündigt werden. Dies bekräftigte das Gericht auch in seinem Urteil:
"Ein Mietverhältnis, an dem auf Vermieter- oder Mieterseite mehrere Personen beteiligt sind, kann nur gegenüber allen Vertragspartnern wirksam gekündigt werden. Demnach kann eine Kündigung des Mietverhältnisses nur durch sämtliche Partner, die Mietvertragspartei sind, gemeinschaftlich erfolgen."
Die von der Frau ausgesprochene Kündigung war deshalb zunächst formal unwirksam, da ihr Ex-Partner nicht zugestimmt hatte.
Die Ausnahme: Grundsatz von Treu und Glauben
Trotz der formal unwirksamen Kündigung entschied das Gericht überraschend zugunsten der ausgezogenen Mieterin. Es berief sich dabei auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB.
Das Gericht stellte fest, dass sich der in der Wohnung verbliebene Ex-Partner treuwidrig verhalten hatte:
- Er verweigerte die Zustimmung zur Kündigung
- Gleichzeitig verblieb er allein in der Wohnung
- Er tauschte die Schlösser aus und verwehrte seiner Ex-Partnerin jeglichen Zugang
Unter diesen Umständen muss sich der Ex-Partner nach Ansicht des Gerichts so behandeln lassen, "als habe er seine Zustimmung erklärt". Das Gericht bezog sich dabei auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.03.2005.
Die Begründung des Gerichts
Das Amtsgericht Bad Segeberg stellte fest, dass die ausgezogene Mieterin "keinerlei Möglichkeiten" hatte, sich aus dem Mietverhältnis zu lösen. Ihr Ex-Partner hatte ihr durch sein Verhalten jede Chance genommen, ihre mietvertraglichen Pflichten zu erfüllen oder das Mietverhältnis ordnungsgemäß zu beenden.
In einer solchen Situation wäre es unbillig, wenn die ausgezogene Mieterin weiterhin an den Mietvertrag gebunden bliebe und für Mietzahlungen haften müsste - obwohl sie weder in der Wohnung leben noch auf diese zugreifen konnte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil ist für alle getrennte Paare mit gemeinsamem Mietvertrag von großer Bedeutung:
- Grundsätzlich gilt: Ein gemeinsamer Mietvertrag kann nur von allen Mietparteien gemeinsam gekündigt werden.
- Die Ausnahme: Wenn ein Partner nach dem Auszug keine Möglichkeit hat, das Mietverhältnis ordnungsgemäß zu beenden, weil der andere Partner die Zustimmung verweigert und gleichzeitig den Zugang zur Wohnung verhindert, kann die Kündigung dennoch wirksam sein.
- Wichtig für Vermieter: Besteht ein ernsthafter Konflikt zwischen getrennten Paaren, sollten Vermieter nicht automatisch davon ausgehen, dass beide Mieter weiterhin für Mietzahlungen haften. Eine genaue Prüfung der Umstände ist erforderlich.
- Dokumentation ist entscheidend: Wer nach einer Trennung aus der gemeinsam angemieteten Wohnung auszieht, sollte alle Kommunikationsversuche mit dem Vermieter und dem Ex-Partner gut dokumentieren. Im vorgestellten Fall hatte die Mieterin mehrfach telefonisch und schriftlich versucht, die Situation zu klären.
- Rechtlicher Rat empfehlenswert: In solchen komplexen Situationen ist es ratsam, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die eigenen Rechte zu wahren.
Dieses Urteil zeigt, dass das Mietrecht nicht nur nach starren Regeln funktioniert, sondern auch Raum für Einzelfallbetrachtungen und Billigkeitserwägungen lässt. Ein Grundsatz lässt sich aber aus diesem Urteil nicht herleiten.
Quelle: AG Bad Segeberg, Schlussurteil vom 23.05.2024 - 17b 66/23, openJur 2024, 7297
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