Maklerprovision zurückfordern: Wann Vorkenntnis zur Rückzahlung führt
Der Fall: Nachbarn kaufen die Wohnung über sich
Die Kläger bewohnten als Mieter eine Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus. Als die Eigentümerin der Wohnung zwei Stockwerke darüber beschloss, ihre Immobilie zu verkaufen, beauftragte sie im Juni 2018 einen Immobilienmakler. Die Kläger interessierten sich für die Wohnung und nahmen Kontakt zum Makler auf. Sie teilten ihm mit, dass sie das Objekt kaufen wollten und die Wohnung bereits kannten.
Der Makler übersandte den Käufern ein Exposé mit Provisionsverlangen, weitere Unterlagen zur Immobilie sowie organisierte einen Besichtigungstermin. Im Juli 2018 kam es zum notariellen Kaufvertrag. Kurz darauf stellte der Makler eine Rechnung über eine Maklerprovision. Die Käufer bezahlten zunächst nicht, zweifelten die Forderung an und unterbreiteten einen Vergleichsvorschlag. Nach einer Mahnung zahlten sie schließlich Ende August 2018 mit dem Hinweis "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht". Im Januar 2019 forderten sie die Provision zurück, was der Makler ablehnte.
Streit um die Vorkenntnis der Käufer
Vor Gericht stritten die Parteien insbesondere darüber, ob die Käufer die Wohnung bereits vor Einschaltung des Maklers kannten. Die Käufer behaupteten, sie hätten von der Verkäuferin persönlich von deren Verkaufsabsicht erfahren und sich bereits auf einen Kaufpreis geeinigt. Die Wohnung sei ihnen bekannt gewesen, da sie die gleiche Wohnung zwei Etagen tiefer bewohnten und mehrfach den früheren Mietern der zum Verkauf stehenden Wohnung bei handwerklichen Arbeiten geholfen hätten.
Der Makler bestritt die Vorkenntnis und argumentierte, er habe die Käufer erst auf das Objekt aufmerksam gemacht. Außerdem habe er wichtige Unterlagen zur Verfügung gestellt und eine Einigung über eine Kaufpreiserhöhung vermittelt.
Das Landgericht Münster wies die Klage zunächst ab. Die Käufer könnten die Provision nicht zurückfordern, da sie bei der Zahlung gewusst hätten, nicht zur Leistung verpflichtet zu sein. Der Hinweis "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" genüge nicht als Vorbehalt.
Das Oberlandesgericht gibt den Käufern Recht
Das Oberlandesgericht Hamm änderte das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte den Makler zur Rückzahlung der Provision. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass dem Makler kein Provisionsanspruch zugestanden habe und die Rückforderung auch nicht ausgeschlossen sei.
Der Makler hatte weder eine Nachweis- noch eine Vermittlungsleistung erbracht. Eine provisionsauslösende Nachweistätigkeit scheitere an der Vorkenntnis der Käufer. Entscheidend sei, dass die Käufer bereits vor Übersendung des Exposés Kenntnis vom Objekt, der Erwerbsmöglichkeit und der Person der Verkäuferin hatten. Dies ergab sich aus der Aussage des vom Makler selbst benannten Zeugen, der bestätigte, dass der Käufer bereits am 6. Juni 2018 angerufen und mitgeteilt hatte, das konkrete Objekt kaufen zu wollen. Das Exposé wurde jedoch erst am 15. Juni 2018 übersandt.
Auch weitere Maklerleistungen rechtfertigten keine Provision. Die Übersendung zusätzlicher Unterlagen Ende Juni 2018 stellte keine wesentliche Maklerleistung dar, da die Finanzierung bereits vorher gesichert war. Ein Zeuge der finanzierenden Bank bestätigte, dass bereits am 8. Juni 2018 eine mündliche Finanzierungszusage erteilt worden sei und weitere Unterlagen über die Immobilie nicht erforderlich gewesen seien.
Die durchgeführte Besichtigung begründete ebenfalls keinen Provisionsanspruch. Ein weiterer Zeuge bestätigte glaubhaft, dass den Käufern die Wohnung bereits seit mehreren Jahren bekannt war, da sie dort mehrfach gewesen seien und sich über Einrichtungen wie die Heizung unterhalten hätten.
Auch eine Vermittlungsleistung habe der Makler nicht erbracht. Die Verkäuferin sei ohnehin zum Verkauf zu einem bestimmten Preis entschlossen gewesen. Eine spätere Kaufpreiserhöhung sei nicht auf den Makler, sondern auf den Notar zurückzuführen gewesen.
Zahlung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" schützt vor Verlust
Das Gericht stellte klar, dass die Käufer die Provision zurückfordern durften, obwohl sie diese gezahlt hatten. Zwar könne nach dem Gesetz eine Leistung grundsätzlich nicht zurückgefordert werden, wenn der Zahlende wusste, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Hier hätten die Käufer jedoch nicht in Kenntnis der Nichtschuld gezahlt. Aus ihrem Schreiben vom August 2018 ergebe sich, dass sie zwar Zweifel am Provisionsanspruch hatten, aber nicht sicher waren, ob dieser wirklich nicht bestand.
Zudem sei die Anwendung dieser Regelung ausgeschlossen, da die Beklagte als Empfängerin nicht darauf vertrauen durfte, das Empfangene behalten zu dürfen. Die Käufer hatten die Zahlung unter Vorbehalt erbracht, indem sie im Verwendungszweck den Hinweis "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" aufgenommen hatten. Diese Formulierung genüge den Anforderungen an einen Vorbehalt, da dadurch hinreichend zum Ausdruck komme, dass die Zahlung nicht als verpflichtend angesehen werde.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil macht deutlich, dass Immobilienkäufer eine Maklerprovision nicht zahlen müssen, wenn sie das Kaufobjekt bereits vor Einschaltung des Maklers kannten. Die bloße Übersendung von Unterlagen oder die Organisation eines Besichtigungstermins rechtfertigen keine Provision, wenn der Käufer bereits entschlossen war, das ihm bekannte Objekt zu erwerben.
Besonders wichtig ist die Entscheidung zur Absicherung bei Zahlung unter Vorbehalt. Wer eine umstrittene Forderung bezahlt, sollte dies ausdrücklich mit einem Vorbehalt wie "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" tun. Damit bleibt die spätere Rückforderung möglich, selbst wenn man Zweifel an der eigenen Rechtsposition hatte.
Für Makler bedeutet das Urteil, dass sie besonders sorgfältig prüfen müssen, ob potenzielle Käufer das Objekt bereits kennen. Eine Vorkenntnisklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die eine Provision auch bei Vorkenntnis vorsieht, ist unwirksam und schützt den Makler nicht.
In der Praxis sollten Käufer bei der ersten Kontaktaufnahme mit einem Makler klar kommunizieren, wenn sie das Objekt bereits kennen oder bereits mit dem Verkäufer in Kontakt stehen. Zahlen sie dennoch eine Provision, können sie diese zurückfordern, sollten aber unbedingt einen entsprechenden Vorbehalt anbringen und zeitnah rechtliche Schritte einleiten.
Grundsätze des Urteils
- Kein Provisionsanspruch bei Vorkenntnis des Käufers von Objekt, Erwerbsmöglichkeit und Verkäufer vor Maklereinschaltung, selbst wenn später Unterlagen übersandt oder Besichtigungen organisiert werden
- Die bloße Übersendung von Unterlagen oder Organisation von Besichtigungsterminen begründet keine provisionsauslösende Maklerleistung, wenn der Käufer bereits kaufentschlossen war
- Zahlung mit dem Vermerk "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" ist ausreichender Vorbehalt für spätere Rückforderung
- Rückforderung ist möglich, wenn der Zahlende Zweifel an der Rechtspflicht hatte, aber keine sichere Kenntnis der Nichtschuld
- Vorkenntnisklauseln in Makler-AGB sind unwirksam
Quelle: OLG Hamm, Urteil vom 09.12.2021, Az. 18 U 68/20
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