Garagen und Carports gehören nicht zur privilegierten Ladeinfrastruktur


Wenn Wohnungseigentümer Anlagen für E-Autos errichten wollen
Eine Wohnungseigentümerin wollte auf ihrem Stellplatz, der ihr zur Sondernutzung zugewiesen war, eine Fertiggarage oder einen Carport mit Photovoltaikanlage errichten. Ihr Argument: Dies sei notwendig, um dort eine Lademöglichkeit für ihr Elektrofahrzeug zu schaffen. Die anderen Eigentümer lehnten dieses Vorhaben jedoch ab. Es kam zum Rechtsstreit, der schlussendlich vor dem Landgericht Dortmund landete.
Der Fall war besonders komplex, weil auf dem Grundstück bereits Garagen standen, die ohne Genehmigung der Eigentümergemeinschaft errichtet worden waren. Diese wurden von einem anderen Eigentümer und einer Eigentümerin genutzt. Die Klägerin argumentierte, dass sie aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls eine Garage oder einen Carport mit Photovoltaikanlage errichten dürfe.
Was ist privilegierte Ladeinfrastruktur?
Der zentrale Streitpunkt drehte sich um die Auslegung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Diese Vorschrift gewährt Wohnungseigentümern einen gesetzlichen Anspruch auf Errichtung einer Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge. Solche Maßnahmen sind "privilegiert", das heißt, andere Eigentümer können sie grundsätzlich nicht verhindern.
Die Klägerin argumentierte, dass ihr Vorhaben – Fertiggarage oder Carport mit Photovoltaikanlage – unter diese privilegierte Ladeinfrastruktur falle und daher genehmigt werden müsse.
Die Eigentümergemeinschaft hingegen vertrat die Position, dass weder eine Garage noch ein Carport für das Laden von E-Autos notwendig sei. Auch eine Photovoltaikanlage gehöre nicht zur notwendigen Ladeinfrastruktur, sondern diene der Energieerzeugung, die nicht privilegiert sei.
Die Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht Dortmund gab der Eigentümergemeinschaft Recht und stellte vier wichtige Grundsätze auf:
"Weder eine Garage noch ein Carport dienen dem Laden von elektrischen Fahrzeugen. Sie sind nicht notwendig, um eine Lademöglichkeit sinnvoll zu nutzen."
Das Gericht machte deutlich, dass Garagen und Carports nicht zur privilegierten Ladeinfrastruktur gehören, da sie für das eigentliche Laden nicht erforderlich sind.
"Entsprechendes gilt für eine Photovoltaikanlage. Auch diese gehört nicht zur notwendigen Ladeinfrastruktur im weiteren Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG. Die Anlage dient vielmehr in Abgrenzung hiervon der Energieerzeugung, die nicht privilegiert ist."
Das Gericht zog also eine klare Grenze: Die Erzeugung von Strom fällt nicht unter den gesetzlichen Anspruch auf Ladeinfrastruktur.
Außerdem stellte das Gericht fest:
- Die Eigentümer können bei der Schaffung privilegierter Lademöglichkeiten im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung über die Durchführung entscheiden.
- Die Errichtung einer Garage oder eines Carports stellt regelmäßig eine erhebliche optische Veränderung der Gesamtanlage dar.
In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass die Klägerin auch über den Hausanschluss Energie für eine Ladestation beziehen könne. Es sei nicht notwendig, dass sie selbst Strom erzeugt. Zudem hätten die Eigentümer ein Ermessen bei der Umsetzung von Ladeinfrastruktur – sie müssten nicht die für den antragstellenden Eigentümer günstigste und einfachste Lösung wählen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die Errichtung einer Garage oder eines Carports verändert das Erscheinungsbild der Wohnanlage erheblich. Dies ist ein legitimer Grund, solche baulichen Maßnahmen abzulehnen, auch wenn sie mit einer Lademöglichkeit verbunden werden sollen.
Die ungeklärte Garagensituation
Besondere Bedeutung hatte in diesem Fall die bereits bestehende, ungeklärte Garagensituation. Das Gericht sah es als vorrangig an, dass die Eigentümergemeinschaft zunächst eine Gesamtlösung für die ohne Genehmigung errichteten Garagen finden müsse. Die Eigentümer standen vor der Entscheidung, entweder die bestehenden Garagen nachträglich zu genehmigen oder ihren Rückbau zu beschließen.
Das Gericht betonte, dass es nicht sinnvoll sei, einzelne neue Bauprojekte zu genehmigen, bevor diese grundsätzliche Frage geklärt ist. Eine ermessensgerechte Gesamtlösung müsse gefunden werden, die alle bestehenden und gewünschten baulichen Maßnahmen berücksichtigt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Wohnungseigentümer mit E-Auto:
- Anspruch auf Ladeinfrastruktur – aber begrenzt: Sie haben einen Anspruch auf die Installation einer Ladestation, aber nicht auf Begleitmaßnahmen wie Garagen, Carports oder eigene Stromerzeugungsanlagen.
- Alternativen prüfen: Bevor Sie aufwendige bauliche Maßnahmen planen, prüfen Sie einfachere Lösungen wie die Verlegung von Leitungen vom Hausanschluss zu Ihrem Stellplatz.
- Gesamtkonzept vorschlagen: Wenn in Ihrer WEG mehrere Eigentümer Ladestationen wünschen, kann ein gemeinsames Konzept sinnvoller sein als Einzellösungen.
Für Eigentümergemeinschaften:
- Ermessensspielraum nutzen: Bei Anträgen auf Ladeinfrastruktur haben Sie einen Ermessensspielraum bezüglich der Umsetzung. Sie müssen nicht die vom Antragsteller gewünschte Lösung wählen, sondern können über Alternativen entscheiden.
- Gesamtlösungen bevorzugen: Es empfiehlt sich, ein Gesamtkonzept für Ladestationen zu entwickeln, statt über jeden Antrag einzeln zu entscheiden.
- Bestehende Probleme zuerst lösen: Wenn es in Ihrer WEG bereits ungeklärte bauliche Veränderungen gibt, klären Sie diese Fragen, bevor Sie neue Maßnahmen genehmigen.
Für Verwalter:
- Klare Abgrenzung beachten: Unterscheiden Sie bei Anträgen klar zwischen privilegierter Ladeinfrastruktur (Ladestationen und notwendige Leitungen) und nicht privilegierten Begleitmaßnahmen (Garagen, Carports, Stromerzeugung).
- Beschlussvorschläge formulieren: Bereiten Sie für die Eigentümerversammlung sachgerechte Beschlussvorschläge vor, die den rechtlichen Anforderungen entsprechen und das Ermessen der Gemeinschaft betonen.
Praktische Tipps:
- Ladeinfrastruktur umfasst die Ladestation selbst und die notwendigen Leitungen – nicht mehr.
- Eine Photovoltaikanlage kann separat beantragt werden, fällt aber nicht unter die privilegierte Ladeinfrastruktur.
- Bei der Bewertung von Anträgen sollten optische Veränderungen der Gesamtanlage berücksichtigt werden.
- Die Gemeinschaft kann auch beschließen, Ladestationen in eigener Regie zu errichten und zu betreiben.
Fazit: Das Urteil schafft Klarheit über die Grenzen des Anspruchs auf Ladeinfrastruktur. Wohnungseigentümer haben keinen Anspruch auf eigene Stromerzeugungsanlagen oder zusätzliche bauliche Maßnahmen wie Garagen. Eigentümergemeinschaften sollten ein Gesamtkonzept für E-Mobilität entwickeln und dabei bestehende bauliche Probleme vorrangig lösen.
Quelle: Landgericht Dortmund, Urteil vom 21.03.2025, Az. 17 S 135/24
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