Corona-Krise: Keine Vertragsverlängerung für Gewerbemieter


Der Fall: Event-Raum bleibt während Corona geschlossen
Ein Gewerbetreibender hatte Ende 2019 Räumlichkeiten für einen Event- und Veranstaltungsraum angemietet. Der Mietvertrag war mit einer festen Laufzeit bis Ende November 2024 abgeschlossen worden. Dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr die staatlich angeordneten Betriebsschließungen. Der Mieter konnte seinen Veranstaltungsraum zeitweise nicht öffnen und erlitt nach eigenen Angaben erhebliche Umsatzeinbußen.
Als der Vermieter nach Ablauf der Mietzeit die Räumung des Objekts verlangte, wehrte sich der Mieter. Er argumentierte, durch die Pandemie habe sich die Geschäftsgrundlage des Vertrages gestört. Die verlorene Zeit müsse ihm durch eine Verlängerung der Mietdauer ersetzt werden. Schließlich habe er durch staatliche Maßnahmen seinen Betrieb nicht wie geplant führen können.
Was ist eine Störung der Geschäftsgrundlage?
Im deutschen Vertragsrecht gibt es den Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind. Allerdings kann es in Ausnahmefällen zu Situationen kommen, in denen die ursprünglichen Annahmen bei Vertragsschluss so grundlegend erschüttert werden, dass ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag unzumutbar wäre. Juristen sprechen dann von einer Störung der Geschäftsgrundlage nach Paragraph 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Ein klassisches Beispiel wäre etwa, wenn beide Vertragspartner bei Abschluss davon ausgingen, dass ein bestimmter Umstand gegeben ist, dieser sich dann aber als falsch herausstellt. Die Corona-Pandemie mit ihren staatlichen Einschränkungen war ein solches unvorhersehbares Ereignis, das niemand bei Vertragsschluss auf dem Schirm hatte.
Corona und Gewerbemiete: Grundsätzliche Anpassung möglich
Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie grundsätzlich eine Anpassung von gewerblichen Mietverträgen rechtfertigen können. Wenn ein Geschäft aufgrund staatlicher Anordnung schließen musste oder nur eingeschränkt öffnen durfte, kann dies eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen.
Dabei unterscheidet die Rechtsprechung zwischen dem sogenannten realen und dem hypothetischen Element. Das reale Element bedeutet, dass sich die Umstände nach Vertragsschluss tatsächlich verändert haben. Das hypothetische Element besagt, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Entwicklung vorhergesehen hätten. Bei pandemiebedingten Betriebsschließungen sind diese beiden Voraussetzungen in der Regel erfüllt.
Hohe Anforderungen an den Vortrag des Mieters
Damit beginnt aber erst die eigentliche rechtliche Prüfung. Denn entscheidend ist die Frage, ob dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag tatsächlich unzumutbar ist. Hier setzt das Oberlandesgericht Düsseldorf strenge Maßstäbe an die Darlegungspflichten des Mieters.
Der Gewerbetreibende muss detailliert vortragen, welche konkreten wirtschaftlichen Nachteile ihm durch die pandemiebedingten Einschränkungen entstanden sind. Pauschale Behauptungen reichen nicht aus. Vielmehr muss der Mieter im Einzelnen darlegen, in welchen Monaten welche staatlichen Beschränkungen für seinen Betrieb galten und wie sich diese auf seine Umsätze ausgewirkt haben.
Um dies nachvollziehbar zu machen, gehört auch ein Vergleich mit den Umsätzen vor der Pandemie zum erforderlichen Vortrag. Die Rechtsprechung verlangt hier regelmäßig die Darstellung der Umsätze aus einem Zeitraum von fünf Jahren vor der Pandemie. Nur so lässt sich feststellen, ob Umsatzrückgänge tatsächlich auf die Pandemie zurückzuführen sind oder andere Ursachen haben.
Nicht jeder Umsatzrückgang zählt
Wichtig ist dabei: Nicht alle negativen wirtschaftlichen Entwicklungen während der Pandemie können berücksichtigt werden. Es muss ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der staatlichen Maßnahme und dem wirtschaftlichen Nachteil bestehen. Wenn beispielsweise Kunden allgemein zurückhaltender einkauften oder weniger ausgaben, gehört dies zum allgemeinen Geschäftsrisiko des Unternehmers.
Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass eine allgemeine Kaufzurückhaltung von Kunden während der Pandemie nicht zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch, wenn diese durch die Maskenpflicht oder andere Umstände ausgelöst wurde. Solche Entwicklungen gehören zur allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und damit zum Verwendungsrisiko, das der Mieter trägt.
Auf der anderen Seite müssen auch finanzielle Vorteile berücksichtigt werden, die der Mieter erhalten hat. Wenn er etwa staatliche Hilfen bekommen hat, die die erlittenen Umsatzeinbußen endgültig kompensieren, mindert dies seinen Anspruch auf Vertragsanpassung.
Der Mieter scheitert an unzureichendem Vortrag
In dem konkreten Fall scheiterte der Gewerbetreibende bereits daran, dass er die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung nicht ausreichend dargelegt hatte. Er hatte lediglich pauschal behauptet, während der Pandemiezeit überhaupt keinen Umsatz erwirtschaftet haben zu können und staatlich zur Schließung gezwungen gewesen zu sein.
Was fehlte, war eine detaillierte Darstellung seiner Umsätze vor der Pandemie. Da die Räume erst im Dezember 2019 übergeben wurden, also kurz vor Beginn der Pandemie, hätte er zumindest zu diesem ersten Monat Angaben machen müssen. Auch legte er nicht dar, ob es sich um eine Betriebsneugründung handelte oder ob er zuvor bereits an anderem Ort tätig war.
Ebenso fehlte eine monatsweise Aufschlüsselung der pandemiebedingten Einschränkungen. Die staatlichen Maßnahmen während der Pandemie waren sehr unterschiedlich. Nicht durchgehend galten Betriebsschließungen, es gab auch Phasen mit weniger strengen Auflagen. Der Mieter hätte konkret darlegen müssen, in welchen Monaten welche Beschränkungen für seinen Event- und Veranstaltungsraum galten.
Der pauschale Verweis auf betriebswirtschaftliche Auswertungen aus den Jahren 2020 bis 2022 genügte dem Gericht nicht. Ohne eine strukturierte und nachvollziehbare Darstellung der pandemiebedingten Verluste konnte das Gericht nicht feststellen, ob ihm ein Festhalten am Vertrag wirklich unzumutbar war.
Verlängerung ist keine angemessene Vertragsanpassung
Doch selbst wenn der Mieter die Voraussetzungen ausreichend dargelegt hätte, wäre sein Begehren gescheitert. Denn das Gericht sieht in der Verlängerung der Vertragslaufzeit keine angemessene Form der Vertragsanpassung.
Bei einer Störung der Geschäftsgrundlage soll der Vertrag nach Möglichkeit aufrechterhalten und an die veränderte Lage angepasst werden. Dabei sind die berechtigten Interessen beider Vertragspartner zu berücksichtigen. Typische Anpassungen wären etwa eine Herabsetzung oder vorübergehende Aussetzung der Mietzahlungen, Stundungsvereinbarungen oder auch eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit.
Die Verlängerung eines befristeten Vertrages gegen den Willen einer Partei liegt jedoch außerhalb dieser üblichen Anpassungsmöglichkeiten. Sie würde einseitig neue Verpflichtungen für die Zukunft begründen, statt die Gerechtigkeit in Bezug auf bereits abgewickelte Zeiträume wiederherzustellen.
Vermieterinteressen müssen berücksichtigt werden
Im konkreten Fall sprachen auch die Interessen des Vermieters gegen eine Vertragsverlängerung. Er hatte bewusst nur einen Vertrag mit fester Laufzeit abschließen wollen. Dieses Interesse ist schutzwürdig und muss bei der Abwägung berücksichtigt werden.
Hinzu kam, dass der Mieter seit Juli 2023 überhaupt keine Miete mehr zahlte. Während der Pandemiezeit hatte er seine Mieten dagegen bezahlt. Dies warf für das Gericht die Frage auf, warum überhaupt eine Vertragsanpassung wegen der Pandemie erforderlich sein sollte, wenn der Mieter zu dieser Zeit offensichtlich leistungsfähig war.
Der Mieter konnte auch nicht mit Gegenansprüchen aufrechnen. Er hatte weder einen Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete aus der Pandemiezeit ausreichend dargelegt, noch konnte er Erstattung seiner Investitionen in die Räume verlangen. Nach dem Mietvertrag war er selbst für Instandhaltung und Ausbau verantwortlich und musste bei Vertragsende alle Einbauten wieder entfernen.
Grundsätzliche Bedenken gegen Laufzeitverlängerung
Das Oberlandesgericht äußerte darüber hinaus grundsätzliche Bedenken gegen die Möglichkeit, einen Mietvertrag durch Verlängerung seiner Laufzeit anzupassen. Eine solche Anpassung erscheine systemfremd und liege außerhalb des gerichtlichen Ermessens bei der Vertragsanpassung.
Die gesetzlichen Regelungen zur Verlängerung von Mietverträgen zeigen, dass hierfür grundsätzlich ein übereinstimmender Wille beider Vertragsparteien erforderlich ist. Eine einseitige Verlängerung gegen den Willen einer Partei widerspricht diesem Grundsatz.
Außerdem zielt die Vorschrift zur Störung der Geschäftsgrundlage darauf ab, die Vertragsgerechtigkeit für bereits abgewickelte Zeiträume wiederherzustellen. Der Mieter wollte jedoch durch die Verlängerung in der Zukunft Gewinne erzielen, die er während der Pandemie nicht erzielen konnte. Dieses Interesse fällt aber nicht in den Schutzbereich der gesetzlichen Regelung.
Das Risiko, ob ein gewerblicher Mieter mit dem Mietobjekt Gewinne erzielt, ist ein normales Vertragsrisiko, das der Mieter zu tragen hat. Wenn sich eine Gewinnerwartung nicht realisiert, geht dies grundsätzlich zu seinen Lasten. Dieser Risikoverteilung würde es widersprechen, wegen des vom Mieter zu tragenden Verwendungsrisikos eine Vertragsverlängerung anzuordnen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für gewerbliche Mieter, die wegen der Corona-Pandemie Einbußen erlitten haben. Sie zeigt zum einen, dass nicht jede pandemiebedingte Beeinträchtigung automatisch zu Ansprüchen gegen den Vermieter führt. Wer seine Rechte durchsetzen möchte, muss detailliert und nachvollziehbar darlegen, welche konkreten Nachteile entstanden sind.
Zum anderen macht das Urteil deutlich, dass die Verlängerung eines befristeten Mietvertrages als Form der Vertragsanpassung nicht in Betracht kommt. Gewerbemieter können sich also nicht darauf verlassen, verlorene Zeit einfach nachzuholen. Vielmehr kommen andere Formen der Anpassung in Betracht, etwa eine Reduzierung oder Stundung von Mietzahlungen für die betroffenen Zeiträume.
Für Vermieter bedeutet das Urteil eine gewisse Rechtssicherheit. Sie müssen nicht befürchten, dass befristete Verträge gegen ihren Willen verlängert werden. Allerdings sind sie nicht generell vor Anpassungsansprüchen geschützt. Wenn ein Mieter die strengen Voraussetzungen erfüllt und detailliert nachweist, dass ihm die pandemiebedingten Einschränkungen erhebliche Nachteile verursacht haben, können andere Formen der Vertragsanpassung durchaus in Betracht kommen.
Praktisch bedeutet dies: Sowohl Mieter als auch Vermieter sollten bei pandemiebedingten Streitigkeiten um Gewerbemieten genau dokumentieren, welche Einschränkungen wann galten und welche wirtschaftlichen Auswirkungen diese hatten. Nur mit einer soliden Tatsachengrundlage lassen sich Ansprüche durchsetzen oder abwehren. Eine einvernehmliche Lösung außerhalb des Gerichts ist dabei oft die bessere Alternative, da sie beiden Seiten Kosten und Zeit spart.
Quelle: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 31.07.2025, Az. 10 U 78/25
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