Vermieter darf nicht einfach das Wasser abstellen


Der Fall aus Hamburg
In Hamburg entspann sich ein typischer Streit zwischen einem Gewerbemieter und seinem Vermieter. Das Mietverhältnis für Büroräume war umstritten - der Vermieter hatte gekündigt, der Mieter sah sich jedoch weiterhin zur Nutzung berechtigt. Während das Räumungsverfahren vor Gericht lief, stellte der Vermieter im Juli 2024 die Wasserversorgung ab.
Der Grund für diese drastische Maßnahme war eine Pfütze im Keller des Gebäudes. Trotz Aufforderung durch den Mieter stellte der Vermieter die Wasserversorgung nicht wieder her. Der Mieter zahlte jedoch weiterhin sowohl die Miete als auch die Betriebskostenvorauszahlungen und sah sich durch die Wasserabstellung in seiner Geschäftstätigkeit erheblich beeinträchtigt.
Erfolgreiche Gegenwehr per einstweiliger Verfügung
Der betroffene Mieter wehrte sich erfolgreich mit einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Hamburg. Das Gericht verpflichtete den Vermieter zur Wiederherstellung der Wasserversorgung und untersagte weitere Unterbrechungen. Diese Entscheidung bestätigte später auch das Oberlandesgericht Hamburg in zweiter Instanz.
Rechtliche Grundlage: Treu und Glauben
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf nachvertragliche Pflichten aus Treu und Glauben gemäß Paragraph 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Diese Vorschrift verpflichtet alle Vertragsparteien zu fairem Verhalten - auch nach Vertragsende.
Die Richter betonten, dass selbst bei strittiger Beendigung des Mietvertrags bestimmte Vermietermpflichten fortbestehen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter nachvollziehbar davon ausgehen durfte, noch zum Besitz berechtigt zu sein, und gleichzeitig alle seine vertraglichen Zahlungspflichten erfüllt.
Entscheidende Interessenabwägung
Bei ihrer Entscheidung nahm das Gericht eine sorgfältige Interessenabwägung vor. Auf der einen Seite stand das Interesse des Mieters an der Aufrechterhaltung der Wasserversorgung für seinen Geschäftsbetrieb. Ohne Wasser waren weder Handwaschbecken noch Toilettenspülungen oder die Küche in den Büroräumen nutzbar - eine Geschäftstätigkeit war praktisch unmöglich.
Auf der anderen Seite entstanden dem Vermieter durch die Weiterversorgung keine Nachteile, da der Mieter alle Kosten weiterhin pünktlich und vollständig übernahm. Das Gericht stellte klar, dass das Interesse des Vermieters an einer schnellen Räumung nicht durch das Abstellen von Versorgungsleistungen durchgesetzt werden darf.
Grenzen vermieterlicher Druckmittel
Die Hamburger Entscheidung macht deutlich, dass Vermieter ihre Position nicht durch das Schaffen unhaltbarer Zustände stärken dürfen. Auch wenn ein Räumungsverfahren läuft, bleibt die Versorgung mit grundlegenden Leistungen wie Wasser eine Pflicht - zumindest solange der Mieter seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt.
Dies gilt besonders in Gewerberaummieten, wo eine Unterbrechung der Wasserversorgung schnell zu erheblichen Umsatzausfällen führen kann. Das Gericht würdigte, dass ohne Wasser weder Mitarbeiter zuverlässig arbeiten noch Kunden empfangen werden können.
Keine Legionellen-Ausrede
Der Vermieter hatte versucht, die Wasserabstellung mit einer angeblichen Legionellenbelastung der Leitungen zu rechtfertigen. Das Gericht ließ diese Begründung jedoch nicht gelten. Die vorgelegten Prüfberichte zeigten nur an einer von mehreren Entnahmestellen Legionellen - dies rechtfertige nicht die komplette Einstellung der Wasserversorgung.
Die Richter betonten, dass einer etwaigen Legionellenbelastung mit geeigneten Maßnahmen wie Spülungen begegnet werden könne, ohne die gesamte Versorgung zu unterbrechen. Die Beweislast für die Unmöglichkeit einer Reparatur lag beim Vermieter - und dieser konnte nicht überzeugen.
Besondere Konstellation: Teilweise Erledigungserklärung
Ein prozessual interessanter Aspekt des Falls war der Umgang mit der Erledigung. Nachdem der Mieter im Dezember 2024 schließlich räumen musste, erklärte er das Verfahren nur für die Zukunft als erledigt. Für die Vergangenheit beantragte er die Feststellung, dass seine einstweilige Verfügung berechtigt war.
Dieser Ansatz ermöglicht es, auch nachträglich noch Ordnungsgelder gegen den Vermieter zu verhängen, falls dieser gegen die einstweilige Verfügung verstoßen haben sollte. Das Gericht bestätigte diese Vorgehensweise als zulässig und sinnvoll.
Praktische Bedeutung für Vermieter und Mieter
Das Urteil sendet ein klares Signal an alle Beteiligten von Gewerberaummieten. Vermieter können sich nicht darauf verlassen, durch das Schaffen unhaltbarer Zustände schneller an ihre Ziele zu kommen. Solange Mieter ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen, müssen grundlegende Versorgungsleistungen aufrechterhalten werden - auch im Streitfall.
Für Mieter bedeutet die Entscheidung eine wichtige Stärkung ihrer Position. Sie können sich auch bei strittigen Vertragssituationen gegen übermäßigen Druck durch Versorgungsunterbrechungen zur Wehr setzen. Voraussetzung ist allerdings, dass sie weiterhin alle vertraglichen Zahlungen leisten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Falls Sie als Gewerbemieter von einer Unterbrechung der Wasserversorgung betroffen sind, sollten Sie schnell handeln. Eine einstweilige Verfügung kann oft binnen weniger Tage erwirkt werden und zwingt den Vermieter zur Wiederherstellung der Versorgung.
Wichtig ist dabei, dass Sie weiterhin alle Mietzahlungen und Betriebskostenvorauszahlungen leisten. Nur dann können Sie sich erfolgreich auf die nachvertraglichen Pflichten des Vermieters aus Treu und Glauben berufen.
Als Vermieter sollten Sie sich bewusst machen, dass Versorgungsunterbrechungen kein zulässiges Druckmittel darstellen. Legitime Reparaturarbeiten sollten so durchgeführt werden, dass die Beeinträchtigungen für den Mieter minimal bleiben. Bei echten Gesundheitsgefahren wie Legionellenbefall sind gezielte Maßnahmen gefragt, nicht die komplette Einstellung der Versorgung.
Ausblick und Einordnung
Die Hamburger Entscheidung reiht sich ein in eine Rechtsprechungslinie, die übermäßigen Druck von Vermietern auf ihre Mieter begrenzt. Schon in früheren Urteilen hatten Gerichte klargestellt, dass auch nach Vertragsende bestimmte Versorgungspflichten fortbestehen können.
Besonders bemerkenswert ist die konsequente Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch in strittigen Vertragssituationen. Das Gericht machte deutlich, dass fairer Umgang miteinander auch im Konfliktfall geboten ist - eine wichtige Mahnung für alle Beteiligten am Mietgeschäft.
Quelle: OLG Hamburg, Urteil vom 05.02.2025 - 4 U 95/24
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