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Balkon-Sanierung: Wer zahlt für marode Balkone in der WEG?

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Wenn Balkone in einer Wohnungseigentümergemeinschaft saniert werden müssen, stellt sich oft die Kostenfrage. Das Amtsgericht Hamburg-Altona hat entschieden: Auch bei Gemeinschaftseigentum können einzelne Eigentümer allein zur Kasse gebeten werden.
Mehrfamilienhaus mit eingerüsteten Balkonen
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Marode Balkone müssen komplett erneuert werden

In einer Hamburger Wohnanlage mit neun Wohneinheiten waren die hofseitigen Balkone in einem bedenklichen Zustand. Die Stahlträger, die in das Mauerwerk zwischen den Geschossen verankert sind, waren verrostet und marode geworden. Die Balkone mussten daher komplett abgerissen und neu errichtet werden – einschließlich ihrer Verankerung in der Fassade.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft stand vor der Frage: Wer soll die erheblichen Kosten für Abriss und Neubau tragen? Alle Eigentümer gemeinsam nach ihren Miteigentumsanteilen oder nur die sechs Eigentümer, deren Wohnungen über diese Balkone verfügen?

Die Entscheidung der Eigentümerversammlung sorgt für Streit

Auf einer außerordentlichen Eigentümerversammlung wurden mehrere Beschlüsse gefasst. Die Eigentümer stimmten einstimmig dafür, dass sowohl der Abriss als auch der Neubau der Balkone erfolgen soll. Zusätzlich wurde ein Architekt mit der Baubetreuung beauftragt.

Der umstrittene Punkt war die Kostenverteilung: Die Versammlung beschloss, dass die Kosten für Abriss und Neubau ausschließlich von den sechs Sondereigentümern der hofseitigen Balkone getragen werden sollen. Diese Regelung stützte sich auf die Teilungserklärung der Wohnanlage.

Einer der betroffenen Eigentümer war mit dieser Kostenverteilung nicht einverstanden und klagte gegen den Beschluss. Seine Argumentation: Die Balkone seien Gemeinschaftseigentum und müssten daher von allen Eigentümern gemeinsam finanziert werden.

Die rechtlichen Argumente im Detail

Position des klagenden Eigentümers: Der Kläger argumentierte, dass die Kosten für den Abriss der Balkone zwingend von der Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer zu tragen seien. Balkone seien rechtlich gesehen Gemeinschaftseigentum und nicht Sondereigentum einzelner Wohnungen. Daher könne man die Kosten nicht einzelnen Eigentümern aufbürden.

Zusätzlich kritisierte er weitere Verfahrensmängel: Es seien nicht ausreichend Angebote eingeholt worden, und die Höhe der Kosten sei nicht konkret genug angegeben worden.

Position der Wohnungseigentümergemeinschaft: Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft berief sich auf die Teilungserklärung. Diese enthalte in Paragraf 7 eine klare Regelung: Jeder Eigentümer müsse für Gebäudeteile, die ihm zur Sondernutzung überlassen sind oder die "ausschließlich diesem zu dienen bestimmt sind", selbst die Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten tragen.

Das Urteil: Balkonbesitzer müssen allein zahlen

Das Amtsgericht Hamburg-Altona gab der Wohnungseigentümergemeinschaft recht und wies die Klage ab. Die zentrale Begründung: Die Teilungserklärung regelt eindeutig, dass einzelne Eigentümer auch für Gemeinschaftseigentum zahlen müssen, wenn es ausschließlich ihren Wohnungen dient.

Die entscheidende Auslegung der Teilungserklärung: Das Gericht betonte, dass der Wortlaut der Teilungserklärung eindeutig sei. Die Regelung unterscheide gerade nicht danach, ob Instandsetzungsmaßnahmen nur das Sondereigentum oder gleichzeitig auch das Gemeinschaftseigentum betreffen. Entscheidend sei vielmehr, ob die jeweiligen Einrichtungen "ausschließlich dem jeweiligen Eigentümer zu dienen bestimmt sind".

Balkone als Sonderausstattung: Die Richter argumentierten, dass Balkone eine Art Sonderausstattung darstellen. Die betroffenen Balkone seien unstreitig den jeweiligen Wohnungseigentümern zum ausschließlichen Gebrauch bestimmt. Die Nutzung durch andere Wohnungseigentümer sei ausgeschlossen.

Daher sei es gerechtfertigt, dass die übrigen Wohnungseigentümer, die von der Nutzung der Balkone ausgeschlossen sind, auch nicht an den Kosten für deren Instandhaltung und Instandsetzung beteiligt werden. Bei einer Bauweise ohne Balkone wären diese Kosten gar nicht erst angefallen.

Bedeutung der Teilungserklärung wird gestärkt

Das Gericht stellte klar, dass wirksame Abweichungen von der gesetzlichen Kostenverteilung in der Teilungserklärung möglich sind. Normalerweise würden alle Wohnungseigentümer nach ihren Miteigentumsanteilen für Gemeinschaftseigentum zahlen. Die Teilungserklärung kann jedoch andere Regelungen treffen.

Klare und eindeutige Regelungen erforderlich: Solche Abweichungen müssen allerdings klar und eindeutig aus der Teilungserklärung hervorgehen. Im vorliegenden Fall war die Regelung nach Ansicht des Gerichts eindeutig formuliert und umfasste ausdrücklich auch Gemeinschaftseigentum im Bereich des jeweiligen Sondereigentums.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Wohnungseigentümer: Prüfen Sie Ihre Teilungserklärung genau! Oft enthalten diese Dokumente spezielle Regelungen zur Kostentragung, die von der gesetzlichen Regel abweichen können. Besonders bei Balkonen, Terrassen oder ähnlichen Einrichtungen sollten Sie sich über mögliche Sonderkostentragungspflichten informieren.

Für Eigentümergemeinschaften: Das Urteil zeigt, dass durchdachte Regelungen in der Teilungserklärung rechtlich durchsetzbar sind. Wenn bestimmte Gemeinschaftseigentumseinrichtungen nur einzelnen Wohnungen dienen, können die Kosten entsprechend zugeordnet werden.

Beim Wohnungskauf beachten: Interessenten sollten bereits beim Kauf einer Eigentumswohnung die Teilungserklärung sorgfältig prüfen. Besondere Kostentragungsregelungen können erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, insbesondere bei älteren Gebäuden mit absehbarem Sanierungsbedarf.

Rechtssichere Beschlussfassung: Das Urteil zeigt auch, dass ordnungsgemäß gefasste Beschlüsse der Eigentümerversammlung Bestand haben können, selbst wenn nicht alle formalen "Best Practices" befolgt wurden. Wichtiger ist die rechtliche Grundlage in der Teilungserklärung.

Praktische Tipps für den Alltag

Regelmäßige Überprüfung: Lassen Sie Balkone, Terrassen und ähnliche Anbauten regelmäßig durch Fachleute überprüfen. Frühe Erkennung von Schäden kann teure Komplettsanierungen verhindern.

Offene Kommunikation: Sprechen Sie in der Eigentümergemeinschaft offen über anstehende Sanierungsmaßnahmen und deren Finanzierung. Klare Absprachen vermeiden spätere Rechtsstreitigkeiten.

Fachkundige Beratung: Bei größeren Sanierungsvorhaben sollten Sie sowohl technische als auch rechtliche Beratung in Anspruch nehmen. Die Auslegung von Teilungserklärungen kann komplex sein.

Finanzielle Vorsorge: Wenn Sie Eigentümer einer Wohnung mit Balkon oder Terrasse sind, sollten Sie finanzielle Rücklagen für mögliche Sanierungskosten bilden. Diese können – wie das Urteil zeigt – vollständig zu Ihren Lasten gehen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-Altona macht deutlich, dass die Teilungserklärung das zentrale Dokument für die Kostenverteilung in Wohnungseigentümergemeinschaften ist. Eine sorgfältige Prüfung und professionelle Beratung können böse Überraschungen vermeiden und teure Rechtsstreitigkeiten verhindern.


Quelle: AG Hamburg-Altona, Urteil vom 05.12.2024 - 303c C 10/23, Fundstelle: ZMR 2025, 357

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