Auskunftsanspruch nach vorgetäuschtem Eigenbedarf


Der Fall: Vorgetäuschter Eigenbedarf und Neuvermietung
In dem vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall kündigte ein Vermieterehepaar ihrem Mieter im Juli 2015 wegen Eigenbedarfs. Als Grund gaben sie an, die Wohnung ihrer Tochter überlassen zu wollen. Nach einem Räumungsprozess musste der Mieter im November 2018 ausziehen.
Allerdings zog die Tochter der Vermieter nie in die Wohnung ein. Stattdessen blieb die Wohnung fast drei Jahre lang leer, bevor die Vermieter im November 2021 einen neuen Mietvertrag mit anderen Mietern abschlossen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der ehemalige Mieter bereits die Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung gerichtlich gefordert und in einem separaten Verfahren Schadensersatz für seine Umzugskosten geltend gemacht.
Als die Vermieter die Wohnung neu vermieteten, forderte der ehemalige Mieter Auskunft über die vereinbarte Miethöhe. Die Vermieter verweigerten diese Information jedoch und legten dem Gericht nur eine geschwärzte Kopie des neuen Mietvertrags vor.
Die Entscheidung des Landgerichts
Das Amtsgericht Kreuzberg hatte die Auskunftsklage des Mieters zunächst abgewiesen. Das Landgericht Berlin kam in der Berufung jedoch zu einem anderen Ergebnis:
Das Landgericht Berlin hat den Vermieter zur Auskunft über die neue Miethöhe verpflichtet.
Nach Ansicht des Landgerichts Berlin (Az. 66 S 178/22, Urteil vom 28.02.2024) ist der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB (Treu und Glauben) begründet. Das Gericht stellte fest, dass zwischen den Parteien durch die unrechtmäßige Eigenbedarfskündigung ein besonderes Rechtsverhältnis entstanden ist, das über reine Schadensersatzansprüche hinausgeht.
Die rechtliche Begründung im Detail
Das Gericht führte aus, dass ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB besteht, wenn:
- Eine besondere rechtliche Beziehung zwischen den Parteien besteht
- Der Berechtigte entschuldbar keine Kenntnis über einen Umstand hat, den er zur Beurteilung seiner Rechte benötigt
- Der Verpflichtete die Auskunft ohne großen Aufwand erteilen kann
Diese Voraussetzungen sah das Gericht als erfüllt an. Besonders interessant ist die Begründung, warum die Höhe der neuen Miete für die Rechte des ehemaligen Mieters relevant ist:
"Der von den Beklagten mit den neuen Mietern in der Wohnung vereinbarte Mietzins ist für den Bestand und gegebenenfalls den Umfang anderer Rechte des Klägers erheblich, über die er ohne die verlangte Auskunft entschuldigt im Ungewissen ist."
Das Gericht verwies auf § 285 BGB, wonach ein Schuldner, der von seiner Pflicht zur Leistung eines geschuldeten Gegenstandes frei geworden ist, zur Herausgabe des empfangenen Ersatzes verpflichtet ist. Dies sei auf den vorliegenden Fall anwendbar:
- Der Vermieter schuldete dem Mieter die Wiedereinräumung der Besitzrechte an der Wohnung (aufgrund der unrechtmäßigen Kündigung).
- Diese Pflicht wurde durch die Neuvermietung unmöglich (§ 275 BGB).
- Der neue Mietzins stellt einen "Ersatz" dar, den der Vermieter für den Gegenstand (die Wohnung) empfängt.
Um seine Rechte in vollem Umfang beurteilen zu können, benötigt der Mieter daher die Information über die neue Miethöhe.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil stärkt die Position von Mietern, die Opfer einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung geworden sind. Es zeigt, dass die Rechte von Mietern in solchen Fällen weiter reichen können als bisher angenommen:
- Nicht nur Umzugskosten: Neben den üblicherweise geltend gemachten Umzugskosten können weitere Ansprüche bestehen, etwa solche aus § 285 BGB.
- Auskunftsanspruch als Vorstufe: Um diese Ansprüche prüfen und beziffern zu können, haben Mieter Anspruch auf relevante Informationen wie die neue Miethöhe.
- Keine Privilegierung durch Zwangsvollstreckung: Das Gericht stellte klar, dass es Vermietern nicht zugute kommen darf, wenn sie ihre unwahren Behauptungen auch in gerichtlichen Verfahren erfolgreich vertreten haben.
- Missbräuchliches Verhalten wird nicht belohnt: Das Gericht kritisierte das Verhalten der Vermieter, die nach Jahren des Leerstands die Wohnung plötzlich neu vermieteten, als der ehemalige Mieter bereits rechtliche Schritte eingeleitet hatte.
Falls Sie als Mieter von einer Eigenbedarfskündigung betroffen sind, die sich später als vorgetäuscht herausstellt, können Sie möglicherweise nicht nur Schadensersatz für Umzugskosten verlangen, sondern auch Auskunft über die neue Miethöhe und unter Umständen weitere Ansprüche geltend machen.
Wichtig ist, dass Sie frühzeitig rechtlichen Rat einholen und Ihre Ansprüche innerhalb der gesetzlichen Fristen geltend machen.
Quelle: Landgericht Berlin, Urteil vom 28.02.2024, Az. 66 S 178/22
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