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Wenn die Zwangsvollstreckung scheitert: Zu ungenaue Titel

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Ein Vermieter wollte Gewerberäume räumen lassen, doch der Gerichtsvollzieher verweigerte die Vollstreckung. Das Gericht gab ihm recht: Wer vollstrecken will, muss präzise formulieren. Der Fall zeigt, wie wichtig die genaue Bezeichnung bei Räumungstiteln ist.
Kleiner Geschäftsmann droht einem großen Gerichtsvollzieher
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Streit um die Räumung von Gewerberäumen

Ein Vermieter und sein Mieter hatten vor dem Landgericht Bremen einen Vergleich geschlossen. Der Mieter erkannte darin an, dass er die gemieteten Gewerberäume räumen und an den Vermieter herausgeben muss. Im Gegenzug gewährte der Vermieter eine Zahlungsfrist: Solange der Mieter seine monatliche Miete sowie vereinbarte Ratenzahlungen pünktlich leistete, würde der Vermieter bis Ende des Jahres nicht vollstrecken. Bei vollständiger Erfüllung aller Zahlungsverpflichtungen sollte der Vermieter sogar endgültig auf die Räumung verzichten.

Der Mieter kam seinen Zahlungsverpflichtungen offenbar nicht nach. Daraufhin beauftragte der Vermieter im Sommer des Folgejahres den Gerichtsvollzieher mit der Zwangsvollstreckung. Er wollte sowohl die Räumung durchsetzen als auch verschiedene Zinsforderungen geltend machen. Doch der Gerichtsvollzieher weigerte sich, tätig zu werden. Seine Begründung: Der vorliegende Titel sei nicht hinreichend bestimmt, und die geforderten Zinsen seien nicht nachvollziehbar. Der Vermieter reagierte mit einer sogenannten Erinnerung, also einer Beschwerde gegen die Weigerung des Gerichtsvollziehers.

Die rechtlichen Streitfragen: Bestimmtheit und Nachvollziehbarkeit

Im Kern ging es um zwei grundlegende Fragen des Vollstreckungsrechts. Erstens: War der Räumungstitel präzise genug formuliert, um eine Zwangsvollstreckung zu ermöglichen? Zweitens: Ergaben sich die geltend gemachten Zinsforderungen klar und eindeutig aus dem Vergleich?

Die erste Streitfrage betraf die Bezeichnung der zu räumenden Räume. Im gerichtlichen Vergleich war lediglich von den Gewerberäumen an einer bestimmten Adresse die Rede. Der Vermieter argumentierte, dass damit das gesamte Gebäude auf dem Grundstück gemeint sei. Der Gerichtsvollzieher sah dies anders: Er benötige eine konkretere Beschreibung, um die Vollstreckung ordnungsgemäß durchführen zu können.

Die zweite Streitfrage drehte sich um die Zinsforderungen. Der Vermieter machte umfangreiche Zinsen geltend und berief sich dabei auf eine Klausel im Vergleich. Diese sah vor, dass der gesamte noch ausstehende Betrag sofort fällig und zu verzinsen sei, wenn der Mieter mit mehr als einer Rate in Verzug gerate. Der Gerichtsvollzieher bezweifelte jedoch, dass sich daraus eine konkrete Zinsverpflichtung für die Zwangsvollstreckung ergebe.

Die Entscheidung: Gericht bestätigt Gerichtsvollzieher

Das Amtsgericht Bremen-Blumenthal wies die Erinnerung des Vermieters zurück und bestätigte damit die Weigerung des Gerichtsvollziehers. In beiden strittigen Punkten gab das Gericht dem Gerichtsvollzieher recht.

Zur Frage der Bestimmtheit des Räumungstitels führte das Gericht aus, dass ein Räumungstitel die herauszugebenden Räume so genau bezeichnen müsse, dass der Gerichtsvollzieher sie ohne weiteres lokalisieren könne. Dies sei besonders wichtig, wenn sich Räumlichkeiten in verschiedenen Etagen eines Gebäudes befänden. Dann bedürfe es der genauen Angabe aller zu räumenden Räume.

Der im Vergleich verwendete Begriff Gewerberäume stelle dem Wortlaut nach eine Einschränkung gegenüber dem Begriff Gebäude oder Grundstück dar. Bei der Auslegung eines Vollstreckungstitels dürften ausschließlich die Entscheidungsgründe im Titel selbst sowie offenkundige Quellen herangezogen werden. Dass das Gebäude nur aus einer einzigen Gewerbeeinheit bestehe, ergebe sich weder aus dem Titel noch aus offenkundigen Quellen. Unstreitig bestehe das Gebäude aus mehreren Etagen. Es könne daher nicht bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild geschlossen werden, dass das gesamte Gebäude eine einzige Gewerbeeinheit umfasse.

Der bloße Vortrag des Vermieters, das Gebäude sei an einen einzigen Mieter vermietet worden, half nicht weiter. Diese Information sei für den Gerichtsvollzieher gerade nicht aus offenkundigen Quellen ersichtlich. Nach dem Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung könne sie daher keine Berücksichtigung finden. Die Zwangsvollstreckung richte sich streng nach dem, was im Titel stehe und was offenkundig erkennbar sei.

Auch die Zinsforderung scheiterte. Das Gericht stellte klar, dass die zu vollstreckende Forderung sich aus dem Titel ergeben müsse. Im vorliegenden Fall machte der Vermieter umfangreiche Zinsen geltend, doch im Titel war keine generelle Zinsverpflichtung des Mieters aufgeführt. Nur für den Fall der Vorfälligkeit war eine Pflicht zur Zinszahlung vereinbart worden. Allein aus der Regelung zur Fälligkeit im Vergleich ergebe sich jedoch noch keine Pflicht zur Verzinsung. Maßgeblich sei allein der Titel selbst, und dieser enthalte keine unmittelbar vollstreckbare Zinsverpflichtung.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung zeigt eindrucksvoll, wie streng die Anforderungen an Vollstreckungstitel sind. Wer später vollstrecken möchte, muss bereits bei der Formulierung des Titels höchste Sorgfalt walten lassen. Unklarheiten gehen stets zulasten desjenigen, der vollstrecken will.

Für Vermieter bedeutet dies: Achten Sie bei gerichtlichen Vergleichen oder Urteilen darauf, dass die zu räumenden Räume exakt bezeichnet werden. Die bloße Angabe Gewerberäume oder Wohnräume reicht nicht aus, wenn nicht zweifelsfrei feststeht, welche Räume im Einzelnen gemeint sind. Nennen Sie konkret die Zimmerzahl, die Lage im Gebäude, gegebenenfalls die Etage oder sonstige eindeutige Merkmale. Je präziser die Bezeichnung, desto problemloser verläuft später die Vollstreckung.

Auch bei Geldforderungen gilt äußerste Genauigkeit. Zinsforderungen müssen sich unmittelbar aus dem Titel ergeben. Eine lediglich bedingte oder fakultative Zinspflicht, die erst bei Eintritt bestimmter Voraussetzungen greift, genügt für die Zwangsvollstreckung nicht. Wenn Sie Zinsen vollstrecken wollen, muss im Titel klar und eindeutig stehen, ab wann, in welcher Höhe und auf welchen Betrag Zinsen zu zahlen sind.

Für Mieter wiederum zeigt der Fall, dass formale Mängel des Titels ein wirksames Mittel sein können, um sich gegen eine Vollstreckung zu wehren. Wenn der Titel nicht hinreichend bestimmt ist oder Forderungen nicht klar aus ihm hervorgehen, kann der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung ablehnen. Allerdings heißt dies nicht, dass damit die Sache endgültig erledigt ist. Der Vermieter kann in einem neuen Verfahren einen präziseren Titel erwirken.

Der vorliegende Beschluss unterstreicht einen wichtigen Grundsatz des deutschen Vollstreckungsrechts: Die Zwangsvollstreckung ist ein formalisiertes Verfahren, bei dem nur das zählt, was schwarz auf weiß im Titel steht oder offenkundig ist. Mündliche Absprachen, nachträgliche Erklärungen oder das, was die Parteien eigentlich gemeint haben könnten, spielen keine Rolle. Diese strenge Handhabung dient der Rechtssicherheit und dem Schutz des Schuldners vor einer übermäßigen Vollstreckung.

In der Praxis empfiehlt es sich daher, bereits bei der Verhandlung vor Gericht oder beim Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Dieser kann darauf achten, dass der Titel vollstreckungsfähig formuliert wird und keine Lücken enthält. Die nachträgliche Korrektur eines unbestimmten Titels ist meist aufwendiger und teurer als eine sorgfältige Formulierung von Anfang an.


Quelle:
AG Bremen-Blumenthal, Beschluss vom 03.04.2025, Az. 22 M 2963/24

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