Wenn die Spielothek geschlossen bleiben muss: Recht auf Mietminderung


Der Fall: Spielothek ohne Genehmigung
Eine Unternehmerin hatte zwei Gewerbeflächen in einem Gebäude angemietet, um dort jeweils eine Spielothek zu betreiben. Die Mietverträge aus dem Jahr 2009 sahen ausdrücklich die Nutzung als Spielhalle vor. Jahrelang lief das Geschäft problemlos.
Dann kam die Gesetzesänderung: Das brandenburgische Spielhallengesetz wurde verschärft. Ab Juli 2017 benötigten Spielhallen eine gesonderte behördliche Erlaubnis. Für Betreiber mehrerer Spielhallen im selben Gebäude wurde es besonders schwierig - der Gesetzgeber wollte eine Konzentration von Glücksspielstätten verhindern.
Die Behörde versagte der Mieterin die Erlaubnis für eine der beiden Spielhallen. Begründung: Zwischen Spielhallen müsse ein Mindestabstand von 500 Metern bestehen. Spielhallen in demselben Gebäude seien grundsätzlich nicht mehr zulässig. Die Mieterin schloss daraufhin eine ihrer beiden Spielotheken.
Das Problem: Miete trotz Betriebsverbot
Trotz der Schließung zahlte die Unternehmerin über drei Jahre lang die volle Miete weiter. Sie nutzte die Räume nur noch als Lager und Aufenthaltsraum für Angestellte. Erst später forderte sie von der Vermieterin die überzahlten Beträge zurück.
Die Vermieterin weigerte sich zu zahlen. Ihre Argumentation: Die Räume seien nach wie vor nutzbar. Außerdem falle das Risiko gesetzlicher Änderungen in den Verantwortungsbereich der Mieterin. Eine nachträgliche Mietreduzierung komme nicht in Frage.
Wann liegt ein Mietmangel vor?
Das Oberlandesgericht Brandenburg musste eine grundlegende Frage klären: Liegt ein Sachmangel vor, wenn der Mieter sein Gewerbe aufgrund öffentlich-rechtlicher Beschränkungen nicht mehr ausüben kann?
Die Antwort des Gerichts war eindeutig: Gewerberäume sind nur dann mangelfrei, wenn der vertraglich vereinbarte Betrieb ohne öffentlich-rechtliche Hindernisse möglich ist. Der Vermieter muss die objektbezogenen Voraussetzungen für die vereinbarte Nutzung schaffen.
Bei einer Spielothek reicht es nicht aus, dass die Räume theoretisch für Spielmöglichkeiten ohne Gewinnchancen genutzt werden könnten. Wenn im Mietvertrag eine "Spielothek" vereinbart ist, muss der Betrieb einer echten Spielhalle mit Glücksspielautomaten möglich sein.
Nachträgliche Mängel durch Gesetzesänderungen
Besonders wichtig ist der Grundsatz: Auch nachträgliche Mängel sind möglich. Wenn sich während der Mietzeit die Rechtslage ändert und der vereinbarte Betrieb dadurch unmöglich wird, liegt ein Mangel vor. Das Risiko solcher gesetzgeberischen Maßnahmen trägt grundsätzlich der Vermieter, nicht der Mieter.
Anders ist es nur bei Umständen, die allein in der Person des Mieters liegen. Das allgemeine Geschäftsrisiko oder persönliche Betriebsführungsprobleme fallen nicht in den Verantwortungsbereich des Vermieters.
Die Versagung einer behördlichen Erlaubnis steht einer direkten Nutzungsuntersagung gleich. Sobald die zuständige Behörde ein Betriebsverbot ausspricht oder ein behördliches Einschreiten ernsthaft zu erwarten ist, entsteht ein zur Mietminderung berechtigender Mangel.
Die Höhe der Mietminderung: 70 Prozent
Das Gericht setzte die Mietminderung auf 70 Prozent fest. Zur Begründung führte es aus: Der Hauptzweck der Anmietung - der Betrieb einer Spielothek - war vollständig weggefallen. Die Räume konnten nur noch eingeschränkt als Lager und Aufenthaltsraum genutzt werden.
Bei der Bemessung der Minderungsquote kommt es immer auf den Einzelfall an. Das Gericht berücksichtigt, wie stark die Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigt ist. Eine vollständige Minderung auf null Euro wäre nur bei völliger Unbrauchbarkeit gerechtfertigt gewesen.
Automatische Mietminderung kraft Gesetzes
Ein häufiger Irrtum von Mietern: Sie glauben, eine Mietminderung müsse mit dem Vermieter vereinbart werden. Das Gegenteil ist richtig: Bei Vorliegen eines Mangels tritt die Minderung automatisch kraft Gesetzes ein. Der Mieter darf die geminderte Miete zahlen, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen.
In diesem Fall hatte die Mieterin bei der Vermieterin angefragt, ob sie die Miete reduzieren dürfe. Das Gericht wertete dies als Beweis dafür, dass sie die Rechtslage nicht kannte. Deshalb konnte ihr nicht vorgeworfen werden, bewusst zu viel Miete gezahlt zu haben.
Grenzen der Rückforderung: Treu und Glauben
Nicht jede überzahlte Miete kann zurückgefordert werden. Das Gericht setzte zeitliche Grenzen: Die Mieterin erhielt nur die Beträge zurück, die sie bis November 2019 zu viel gezahlt hatte.
Ab diesem Zeitpunkt hatte sie nämlich bewusst eine Verlängerungsoption ausgeübt, obwohl sie wusste, dass sie die Spielothek nicht mehr betreiben konnte. Gleichzeitig wehrte sie sich gegen eine Kündigung der Vermieterin. Wer einerseits am Mietvertrag festhalten will, kann andererseits nicht gleichzeitig Geld zurückfordern - das verstößt gegen Treu und Glauben.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Gewerbemieter: Sie müssen nicht jedes Risiko allein tragen. Wenn öffentlich-rechtliche Beschränkungen den vereinbarten Gewerbebetrieb unmöglich machen, können Sie die Miete mindern. Dies gilt auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen. Die Minderung tritt automatisch ein - Sie brauchen keine Zustimmung des Vermieters.
Wichtig ist aber: Handeln Sie konsequent. Wer trotz Kenntnis der Rechtslage bewusst am Mietvertrag festhält, kann später nicht mehr alle überzahlten Beträge zurückfordern. Prüfen Sie bei Betriebshindernissen auch die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Für Vermieter: Das Urteil zeigt die Grenzen der Risikoverteilung auf. Sie können sich nicht darauf berufen, dass gesetzliche Änderungen das Problem des Mieters seien. Wenn die vereinbarte Nutzung objektiv unmöglich wird, müssen Sie mit Mietminderungen rechnen.
Eine sorgfältige Vertragsgestaltung ist daher entscheidend. Je präziser der Nutzungszweck definiert ist, desto eher können Streitigkeiten über das Vorliegen eines Mangels vermieden werden. Bei kritischen Branchen sollten Sie die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen genau prüfen.
Das Urteil stärkt die Position von Gewerbemietern erheblich. Es macht deutlich, dass auch bei laufenden Mietverhältnissen nachträglich auftretende öffentlich-rechtliche Hindernisse zu Mietminderungen führen können. Für beide Vertragsparteien gilt: Im Zweifel sollte frühzeitig rechtlicher Rat eingeholt werden, um kostspielige Fehler zu vermeiden.
Quelle: OLG Brandenburg, Urteil vom 11.06.2024 - 3 U 23/23
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