Wegerecht und Grundstücksgrenzen: Wenn Nachbarn streiten


Wegerecht: Wenn der Weg über das Nachbargrundstück führt
Es gibt Situationen, in denen ein Grundstückseigentümer sein eigenes Grundstück oder seine Garage nur über das Grundstück eines Nachbarn erreichen kann. Hier kommt das sogenannte Wegerecht ins Spiel. Dieses Recht erlaubt es einem Grundstückseigentümer, über das Grundstück des Nachbarn zu gehen oder mit dem Auto zu fahren, um zum eigenen Grundstück zu gelangen.
Wichtig zu wissen: Ein Wegerecht kann auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Nachbarn beruhen. Um es langfristig abzusichern, sollte es als Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden. Alternativ ist auch die Eintragung als "Baulast" möglich, was besonders bei kommunalen Wegerechten üblich ist.
Die Garage ohne Zufahrt: Ein Lehrstück aus der Rechtsprechung
Was passiert, wenn die Vereinbarung zum Wegerecht nicht eindeutig ist? Ein Fall vor dem Bundesgerichtshof zeigt die Problematik:
Ein Grundstücksbesitzer hatte eine Garage gebaut, die teilweise auf das Nachbargrundstück ragte. Auch die Zufahrt zur Garage führte über das Nachbargrundstück. Der Nachbar hatte nichts dagegen und ließ sogar eine entsprechende Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen, die den Überbau der Garage auf seinem Grundstück erlaubte.
Als der Nachbar sein Grundstück verkaufte, verbot der neue Eigentümer dem Garagenbesitzer, sein Grundstück zu befahren. Der Bundesgerichtshof gab dem neuen Eigentümer Recht: Die eingetragene Grunddienstbarkeit bezog sich nur auf den Überbau der Garage – von einem Recht zum Befahren des Grundstücks stand nichts in der Vereinbarung. Die Folge: Die Garage konnte nicht mehr genutzt werden.
BGH-Urteil vom 15.11.2013 (Az. V ZR 24/13): Eine Grunddienstbarkeit, die nur den Überbau duldet, begründet kein Recht, das Grundstück mit einem Fahrzeug zu befahren.
Was ist ein Notwegerecht und wann besteht darauf ein Anspruch?
Das Notwegerecht ist eine besondere Form des Wegerechts. Darauf kann ein Grundstückseigentümer auch ohne vertragliche Vereinbarung einen Rechtsanspruch haben. Voraussetzung ist, dass die nächste öffentliche Straße nur über ein anderes Grundstück erreichbar ist.
Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass zu einer ordnungsgemäßen Nutzung eines Wohngrundstücks auch die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug gehört – etwa um Müll zu entsorgen, Brennstoffe anzuliefern oder sperrige Gegenstände zu transportieren.
Einschränkungen des Notwegerechts:
- Der Nachbar muss keinen direkten Weg bis zur Haustür ermöglichen
- Es reicht, wenn man an das Grundstück heranfahren und Gegenstände in zumutbarer Weise transportieren kann
- Es erlaubt nicht das Parken von Fahrzeugen auf dem Nachbargrundstück
- Existiert ein alternativer Weg, der nur umständlicher oder unbequemer ist, besteht kein Anspruch auf ein Notwegerecht
- Der Inhaber des Wegerechts muss Rücksicht auf die Belange des Nachbarn nehmen (z.B. Tore schließen)
Als Ausgleich für die Duldung des Notwegs sieht das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 917 BGB) einen Anspruch auf eine jährliche Entschädigung vor.
Wer muss den Weg sauber halten?
Auch bei bestehenden Wegerechten kann es zu Streitigkeiten kommen. In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte ein Grundstückseigentümer mit Wegerecht seinen Weihnachtsbaum über den Notweg entsorgt und dabei eine Nadelspur hinterlassen. Der Eigentümer des belasteten Grundstücks forderte daraufhin wöchentliches Kehren.
Das Gericht entschied: Ein Wegerecht beinhaltet keine generelle Kehrpflicht auf fremdem Grund. Bei besonders intensiven Verschmutzungen kann der Grundstückseigentümer jedoch im Einzelfall verlangen, dass der Wegeberechtigte diese beseitigt.
Streit um die Grundstücksgrenze: Was tun bei Unklarheiten?
Häufig entsteht Streit zwischen Nachbarn auch über den exakten Verlauf der Grundstücksgrenze. Besonders problematisch wird es, wenn sich die Nachbarn nicht einigen können und keine offiziellen Unterlagen existieren. Für diesen Fall gilt § 920 BGB, der die sogenannte "Grenzverwirrung" regelt:
- Kann keiner der Nachbarn beweisen, wo die Grenze verläuft, ist zunächst der Besitzstand maßgeblich – die Grundstücke werden so aufgeteilt, wie sie bisher tatsächlich genutzt wurden.
- Ist auch dies nicht klar feststellbar, wird jedem Grundstück ein gleich großes Stück der umstrittenen Fläche zugeteilt.
- Führt dies zu ungerechten Ergebnissen, ist die Grenze nach "Billigkeit" zu ziehen.
Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: Das OLG Hamm entschied in einem Streit über eine Grundstücksgrenze, die zuletzt 1825 vermessen worden war. Das Gericht legte den Grenzverlauf anhand einer Hecke fest, die die Nachbarn seit 30 Jahren als Grenze akzeptiert hatten.
Wie kann ich den Verlauf meiner Grundstücksgrenze erkennen?
Grundstücksgrenzen sind häufig durch Grenzsteine markiert. Wenn diese nicht mehr auffindbar sind (weil sie überwuchert, verdeckt oder bei Bauarbeiten verschüttet wurden), hat jeder Grundstückseigentümer das Recht, von seinem Nachbarn Mitwirkung bei der Errichtung neuer Grenzzeichen zu verlangen (§ 919 BGB).
Die Art der Markierung und das dabei einzuhaltende Verfahren richten sich nach den Landesgesetzen des jeweiligen Bundeslandes oder nach der Ortsüblichkeit. Die Kosten teilen sich beide Nachbarn – sofern nichts anderes vereinbart ist.
Was bedeutet das für Sie?
Nachbarschaftsstreitigkeiten sind keine Seltenheit, lassen sich aber oft durch freundlichen Umgang miteinander vermeiden. Klare Absprachen und schriftliche Vereinbarungen helfen, spätere Konflikte zu verhindern:
- Lassen Sie Wegerechte immer als Grunddienstbarkeit im Grundbuch eintragen
- Achten Sie darauf, dass die Dienstbarkeit genau beschreibt, was erlaubt ist (z.B. Befahren des Grundstücks mit PKW)
- Bei Unklarheiten über Grundstücksgrenzen: Ziehen Sie einen Vermessungsingenieur hinzu
- Bedenken Sie: Ein Notwegerecht besteht nur, wenn Ihr Grundstück sonst nicht erreichbar wäre
- Im Streitfall kann ein im Zivilrecht erfahrener Rechtsanwalt helfen
Das Nachbarrecht ist ein großer und komplexer Rechtsbereich. Mit etwas gegenseitiger Rücksichtnahme lassen sich jedoch die meisten Probleme lösen, bevor sie vor Gericht landen.
Quelle: imr-online, Anwalt-Suchservice (10.04.2025)
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