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WEG-Beschlüsse ungültig: Falsches Abstimmungsverfahren

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Wenn in einer Eigentümerversammlung nach Kopfprinzip statt nach Miteigentumsanteilen abgestimmt wird, sind die gefassten Beschlüsse ungültig. Dies entschied das Amtsgericht München in einem aktuellen Fall.
Eigentümerversammlung stimmt über einen Beschluss ab
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Eigentümerversammlung mit fatalen Folgen

Eine Wohnungseigentümerin wehrte sich gegen mehrere Beschlüsse ihrer Eigentümergemeinschaft. In der Versammlung im Juli 2024 hatte die Gemeinschaft wichtige Entscheidungen getroffen, darunter die Genehmigung der Jahresabrechnung für das vergangene Jahr, die Erhebung einer Sonderumlage und die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels. Die Eigentümerin machte geltend, dass die Abstimmung nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.

Das Problem lag im Abstimmungsverfahren selbst. Die Verwalterin hatte die Beschlüsse per Handzeichen abstimmen lassen, wobei jeder anwesende Eigentümer eine Stimme hatte, unabhängig von der Größe seines Eigentums. Dieses sogenannte Kopfprinzip widerspricht jedoch der Teilungserklärung der Gemeinschaft, die ausdrücklich eine Abstimmung nach Miteigentumsanteilen vorsieht. Nach diesem Wertprinzip hat jeder Eigentümer so viele Stimmen, wie er Anteile am Gemeinschaftseigentum besitzt.

Was in der Eigentümerversammlung schieflief

Die Verwalterin leitete die Versammlung und ließ über die einzelnen Tagesordnungspunkte abstimmen. Im Protokoll wurde lediglich vermerkt, dass die Versammlung mit einem bestimmten Anteil von Miteigentumsanteilen beschlussfähig war und dass die Beschlüsse mehrheitlich angenommen wurden. Eine genaue Aufschlüsselung des Abstimmungsergebnisses fehlte jedoch vollständig.

Die Verwalterin räumte später selbst ein, dass nach dem Kopfprinzip abgestimmt worden war, obwohl die Teilungserklärung das Wertprinzip vorschreibt.

Als die Eigentümerin nach der Versammlung nachfragte und auf den Fehler hinwies, versuchte die Verwalterin zu beschwichtigen. Sie erklärte, die Abstimmung sei durch Handzeichen erfolgt und es habe sich bei jedem Beschluss eine eindeutige Mehrheit ergeben, sowohl dafür als auch dagegen, sodass ein genaues Auszählen nicht notwendig gewesen sei. Diese Argumentation überzeugte das Gericht jedoch nicht.

Die rechtliche Bewertung durch das Gericht

Das Amtsgericht München stellte klar, dass die Beschlüsse nicht ordnungsgemäß zustande gekommen waren. Die zentrale Frage lautete: Kann eine Eigentümergemeinschaft trotz falschen Abstimmungsprinzips wirksame Beschlüsse fassen, wenn die Mehrheitsverhältnisse offensichtlich eindeutig waren?

Das Gericht verneinte dies eindeutig. Wenn nach der sogenannten Subtraktionsmethode abgestimmt wird, bei der der Versammlungsleiter aus der Anzahl der Ja-Stimmen auf das Gesamtergebnis schließt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Es muss hinreichend verlässlich ermittelt werden können, wie viele Eigentümer mit welcher Stimmkraft anwesend oder vertreten waren und wie sie abgestimmt haben.

Im konkreten Fall fehlte es bereits an grundlegenden Angaben. Das Protokoll enthielt keine Informationen darüber, wie viele Eigentümer tatsächlich anwesend waren, wie viele Vollmachten vorlagen und welche Miteigentumsanteile die Anwesenden und Vertretenen besaßen. Damit konnte nicht nachvollzogen werden, ob die erforderliche Mehrheit erreicht wurde.

Die Beweislast liegt bei der Gemeinschaft

Besonders wichtig für die Praxis ist die Frage, wer nachweisen muss, dass ein Beschluss wirksam zustande gekommen ist. Das Gericht machte deutlich, dass die Eigentümerin ihrer Darlegungslast bereits dadurch nachgekommen war, dass sie vorgetragen hatte, es sei nach dem falschen Abstimmungsprinzip abgestimmt worden. Damit hatte sie dargelegt, dass eine fehlerhafte Auszählung erfolgt war.

Nun war es an der Eigentümergemeinschaft, ihrer sekundären Darlegungs- und Beweislast nachzukommen. Sie hätte nachweisen müssen, welche Stimmen dafür und dagegen gestimmt hatten, welche Vollmachten vorlagen und wie die Stimmen nach dem korrekten Wertprinzip zu werten gewesen wären. Dies gelang der Gemeinschaft nicht.

Das Gericht bezog sich auf die ständige Rechtsprechung, wonach bei formellen Fehlern die Anfechtung nur dann begründet ist, wenn sich die Mängel auf das Ergebnis ausgewirkt haben können. Umgekehrt scheidet eine Ungültigerklärung nur dann aus, wenn mit Sicherheit feststeht, dass der Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Verfahren gefasst worden wäre. An diese Feststellung sind strenge Anforderungen zu stellen, und die Beweislast trägt die Gemeinschaft.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Eigentümergemeinschaften und zeigt, wie wichtig ein ordnungsgemäßes Abstimmungsverfahren ist. Wenn Sie Mitglied einer Wohnungseigentumsgemeinschaft sind, sollten Sie folgende Punkte beachten:

Prüfen Sie Ihre Teilungserklärung genau, um zu wissen, nach welchem Prinzip in Ihrer Gemeinschaft abgestimmt werden muss. Viele Teilungserklärungen sehen das Wertprinzip vor, bei dem nach Miteigentumsanteilen abgestimmt wird. Achten Sie darauf, dass in Eigentümerversammlungen auch tatsächlich nach diesem Prinzip abgestimmt wird.

Das Protokoll der Eigentümerversammlung sollte detaillierte Angaben enthalten. Es muss erkennbar sein, wie viele Eigentümer anwesend oder vertreten waren, über welche Miteigentumsanteile sie verfügten und wie das Abstimmungsergebnis im Einzelnen ausgefallen ist. Vage Formulierungen wie mehrheitlich angenommen reichen nicht aus.

Wenn Sie den Eindruck haben, dass in Ihrer Eigentümerversammlung nicht ordnungsgemäß abgestimmt wurde, sollten Sie dies zeitnah rügen. Fordern Sie Auskunft über das genaue Abstimmungsergebnis und dokumentieren Sie Ihre Einwände schriftlich. Die Frist für eine Beschlussanfechtung beträgt einen Monat ab Beschlussfassung.

Für Verwalter und Versammlungsleiter bedeutet dieses Urteil, dass sie besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Sie müssen das in der Teilungserklärung vorgesehene Abstimmungsprinzip genau beachten und das Abstimmungsergebnis sorgfältig dokumentieren. Eine pauschale Feststellung, dass die Mehrheit dafür gestimmt habe, genügt nicht. Vielmehr müssen sie im Zweifel genau auszählen und protokollieren können, wer mit welcher Stimmkraft wie abgestimmt hat.

Im vorliegenden Fall hatte die Eigentümerin zusätzlich einen Zinsanspruch geltend gemacht, weil die Sonderumlage von ihr eingezogen worden war. Da die Beschlussanfechtung rückwirkend wirkt, musste die Gemeinschaft auch Zinsen auf den eingezogenen Betrag zahlen. Dies zeigt, dass ungültige Beschlüsse nicht nur formell aufgehoben werden, sondern auch finanzielle Konsequenzen haben können.

Das Urteil macht deutlich, dass formelle Anforderungen an Eigentümerversammlungen keine bloße Formsache sind. Sie dienen dem Schutz der Minderheit und gewährleisten, dass alle Eigentümer entsprechend ihren Rechten an Entscheidungen beteiligt werden. Eine Eigentümergemeinschaft, die diese Anforderungen missachtet, riskiert nicht nur die Unwirksamkeit ihrer Beschlüsse, sondern auch erhebliche Kosten und Verzögerungen bei wichtigen Vorhaben.


Quelle: Amtsgericht München, Endurteil vom 13.02.2025, Aktenzeichen 1294 C 21980/24 WEG

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