Was bedeutet im rechtlichen Sinne "Wohnungseigentum"?
Die besondere Konstruktion des Wohnungseigentums
Im deutschen Recht gilt grundsätzlich ein einfaches Prinzip: Eigentum kann nur an einem Grundstück erworben werden, nicht an einzelnen Teilen eines Gebäudes. Wer ein Grundstück kauft, erwirbt automatisch auch alle damit verbundenen Bestandteile wie Gebäude, Bäume oder andere fest verbundene Sachen. Diese Regel ergibt sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch und stellt sicher, dass Grundstücke als Ganzes behandelt werden. Bei einem freistehenden Einfamilienhaus ist diese Regelung auch völlig unproblematisch: Das Grundstück und das darauf stehende Haus gehören dem oder den Eigentümer/n.
Anders sieht es jedoch bei Mehrfamilienhäusern aus. Hier würde die starre Anwendung dieser Regel bedeuten, dass immer nur der oder die Grundstückseigentümer Eigentümer des gesamten Hauses sein könnte/n. Um dennoch Eigentum an einzelnen Wohnungen zu ermöglichen, schuf der Gesetzgeber mit dem Wohnungseigentumsgesetz eine besondere Eigentumsform. Diese erlaubt es, dass mehrere Personen jeweils Eigentümer ihrer eigenen Wohnung werden können, obwohl sich alle Wohnungen in demselben Gebäude befinden.
Die gesetzliche Definition nach dem Wohnungseigentumsgesetz
Das Wohnungseigentumsgesetz definiert Wohnungseigentum in Paragraf 1 Absatz 2 als Sondereigentum an einer Wohnung in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört. Diese Definition mag auf den ersten Blick kompliziert wirken, beschreibt aber präzise die zweigeteilte Struktur dieser Eigentumsform. Das Wohnungseigentum besteht demnach immer aus zwei untrennbar miteinander verbundenen Komponenten: dem Sondereigentum und dem Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum.
Beim Kauf einer Eigentumswohnung erwirbt der Käufer nicht nur die Wohnung selbst, sondern automatisch auch einen rechnerischen Anteil am Grundstück und an allen gemeinschaftlich genutzten Teilen des Gebäudes. Dieser Anteil wird üblicherweise als Bruchzahl ausgedrückt und richtet sich häufig nach der Größe der jeweiligen Wohnung. Eine größere Wohnung ist in der Regel mit einem höheren Miteigentumsanteil verbunden als eine kleinere Wohnung im selben Haus.
Sondereigentum: Der private Bereich der Wohnung
Das Sondereigentum umfasst die Wohnung selbst und berechtigt den Eigentümer zu einer nahezu vollständigen Nutzung dieser Räume. Als Sondereigentümer können Sie Ihre Wohnung nach eigenem Belieben bewohnen, vermieten, verpachten oder anderweitig nutzen. Sie dürfen andere Personen von der Einwirkung auf Ihre Räume ausschließen und haben die Freiheit, den Innenraum nach Ihren persönlichen Vorstellungen zu gestalten. Diese Rechte ähneln stark denen eines Volleigentümers.
Im Wesentlichen gehört zum Sondereigentum alles, was sich innerhalb der vier Wände Ihrer Wohnung befindet. Dazu zählen Innentüren, Bodenbeläge, Tapeten, sanitäre Einrichtungen innerhalb der Wohnung und alle anderen Ausstattungselemente, die ausschließlich Ihrer Wohnung dienen. Sie können diese Elemente grundsätzlich nach Ihrem Geschmack verändern, modernisieren oder austauschen, ohne die anderen Eigentümer um Erlaubnis fragen zu müssen. Allerdings gibt es auch hier Grenzen: Veränderungen dürfen nicht die Statik des Gebäudes gefährden oder die Rechte anderer Eigentümer beeinträchtigen.
Gemeinschaftseigentum: Was allen Eigentümern gemeinsam gehört
Das Gemeinschaftseigentum bildet den zweiten wesentlichen Bestandteil des Wohnungseigentums. Hierzu gehören das Grundstück selbst sowie alle Teile des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum stehen. Das Gesetz verfolgt dabei das Prinzip, dass alles, was nicht ausdrücklich zum Sondereigentum erklärt wurde, automatisch zum Gemeinschaftseigentum gehört. Diese Regelung stellt sicher, dass keine Bereiche des Hauses rechtlich herrenlos bleiben.
Typische Bestandteile des Gemeinschaftseigentums sind das Fundament, tragende Wände und Decken, das Dach, die Fassade, Außenfenster, Balkone, Treppenhäuser, die Heizungsanlage, Aufzüge und alle anderen Einrichtungen, die dem gesamten Haus oder mehreren Wohnungen dienen. Auch Gemeinschaftsräume wie Waschküchen, Fahrradkeller oder Müllräume fallen unter diese Kategorie. Das Grundstück mit seinen Außenanlagen, Wegen und Grünflächen gehört ebenfalls zum gemeinschaftlichen Eigentum.
Bei gemeinschaftlichem Eigentum haben Sie als einzelner Wohnungseigentümer kein alleiniges Verfügungsrecht. Stattdessen steht Ihnen nur ein Mitgebrauchsrecht zu, das Sie gemeinsam mit allen anderen Eigentümern ausüben. Entscheidungen über das Gemeinschaftseigentum müssen von der Eigentümergemeinschaft getroffen werden. Dies geschieht üblicherweise durch Beschlüsse in der Eigentümerversammlung, bei der alle Wohnungseigentümer stimmberechtigt sind.
Die Zwangsgemeinschaft der Wohnungseigentümer
Mit dem Erwerb von Wohnungseigentum werden Sie automatisch Mitglied der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Diese Mitgliedschaft ist untrennbar mit dem Eigentum verbunden und kann nicht gekündigt werden. Sie können die Gemeinschaft nur verlassen, indem Sie Ihr Wohnungseigentum verkaufen oder auf andere Weise übertragen. Der neue Eigentümer tritt dann automatisch an Ihre Stelle in die Gemeinschaft ein.
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer besitzt seit der Reform des Wohnungseigentumsrechts zum 1. Dezember 2020 die Stellung eines vollrechtsfähigen Verbands. Das bedeutet, dass sie als eigenständiges Rechtssubjekt Verträge abschließen, Eigentum erwerben, Verbindlichkeiten eingehen und vor Gericht klagen oder verklagt werden kann. Diese Rechtsfähigkeit erleichtert die Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten erheblich, da Verträge nicht mehr mit allen einzelnen Eigentümern, sondern direkt mit der Gemeinschaft geschlossen werden können.
Teileigentum: Die gewerbliche Variante
Neben dem Wohnungseigentum kennt das Gesetz auch das sogenannte Teileigentum. Dieser Begriff bezeichnet Sondereigentum an Räumen, die nicht zu Wohnzwecken genutzt werden. Typische Beispiele sind Ladenlokale, Arztpraxen, Anwaltskanzleien, Büros oder Werkstätten in einem Gebäude. Die rechtlichen Regelungen für Teileigentum entsprechen weitgehend denen des Wohnungseigentums. Auch hier gibt es die Kombination aus Sondereigentum an den gewerblichen Räumen und Miteigentumsanteil am Gemeinschaftseigentum.
In der Praxis bedeutet dies, dass in einem Gebäude sowohl Wohnungseigentum als auch Teileigentum nebeneinander bestehen können. Ein klassisches Beispiel ist ein Haus, dessen Erdgeschoss von Geschäften genutzt wird, während sich in den oberen Etagen Wohnungen befinden. Die Ladenbesitzer sind dann Teileigentümer, die Bewohner der oberen Stockwerke Wohnungseigentümer, und alle bilden gemeinsam die Eigentümergemeinschaft.
Praktische Konsequenzen für Wohnungseigentümer
Die besondere Struktur des Wohnungseigentums hat weitreichende praktische Auswirkungen auf Ihren Alltag als Eigentümer. Im Gegensatz zum Besitzer eines freistehenden Hauses können Sie nicht völlig frei über alle Aspekte Ihrer Immobilie entscheiden. Während Sie innerhalb Ihrer vier Wände weitgehend Gestaltungsfreiheit genießen, müssen Sie bei allen Fragen, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, mit den anderen Eigentümern zusammenarbeiten.
Diese gemeinschaftliche Organisation erfordert regelmäßige Abstimmungen und Kompromissbereitschaft. Mindestens einmal jährlich findet eine Eigentümerversammlung statt, in der wichtige Entscheidungen getroffen werden. Dazu gehören die Genehmigung des Wirtschaftsplans, die Festlegung der Instandhaltungsrücklage, die Bestellung eines Verwalters oder Beschlüsse über größere Sanierungsmaßnahmen. Als Wohnungseigentümer sind Sie verpflichtet, sich an den Kosten für die Verwaltung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums zu beteiligen. Diese Kosten werden üblicherweise nach dem Miteigentumsanteil verteilt.
Die Entstehung von Wohnungseigentum
Wohnungseigentum kann auf zwei verschiedenen Wegen entstehen. Der in der Praxis häufigste Fall ist die Begründung durch Teilung. Dabei erklärt der Alleineigentümer eines Grundstücks, häufig ein Bauträger, gegenüber dem Grundbuchamt, dass er das Eigentum an seinem Grundstück in mehrere Miteigentumsanteile aufteilen möchte. Mit jedem dieser Anteile verbindet er dann das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung. Diese Erklärung wird als Teilungserklärung bezeichnet und muss notariell beurkundet werden.
Der zweite, seltenere Weg ist die Einräumung von Sondereigentum durch mehrere Miteigentümer. Dieser Fall kommt beispielsweise bei Erbengemeinschaften vor, die ein geerbtes Mehrfamilienhaus unter sich aufteilen möchten. Die Miteigentümer schließen dann einen notariellen Teilungsvertrag, in dem sie sich gegenseitig Sondereigentum an bestimmten Wohnungen einräumen. Diese Methode bietet eine praktische Alternative zur klassischen Erbteilung, bei der das gesamte Grundstück verkauft und der Erlös verteilt werden müsste.
Wichtige Hinweise für Kaufinteressenten
Wer den Erwerb einer Eigentumswohnung plant, sollte sich der besonderen Rechtsnatur des Wohnungseigentums bewusst sein. Sie kaufen nicht nur eine Wohnung, sondern werden gleichzeitig Mitglied einer Gemeinschaft mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten. Es empfiehlt sich, vor dem Kauf die Teilungserklärung und die Gemeinschaftsordnung gründlich zu studieren. Diese Dokumente regeln wichtige Fragen wie die Aufteilung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum, Nutzungsrechte, Kostenverteilung und Hausordnung.
Ebenso wichtig ist die Einsicht in die Protokolle vergangener Eigentümerversammlungen. Sie geben Aufschluss über die Beschlüsse der Gemeinschaft, geplante Sanierungen, bereits aufgetretene Probleme und die allgemeine Atmosphäre in der Eigentümergemeinschaft. Eine hohe Instandhaltungsrücklage deutet auf eine vorausschauende Verwaltung hin, während niedrige Rücklagen künftig höhere Sonderumlagen erwarten lassen können. Auch der Zustand des Gemeinschaftseigentums sollte kritisch begutachtet werden, da anstehende Reparaturen oder Modernisierungen Sie als künftigen Eigentümer finanziell belasten werden.
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