Räumungspflicht nach Brand: Vermieter muss Frist setzen


Was war passiert?
Eine Vermieterin besaß einen Lagerhallenkomplex mit sechs zusammenhängenden Hallen. Die vierte Halle war an einen Lagerdienstleister vermietet, der dort für verschiedene Kunden Lebensmittel und andere Waren lagerte.
In der Nacht zum Oktober 2020 brach ein verheerender Großbrand aus. Das Feuer zerstörte den gesamten Lagerinhalt in drei Hallen vollständig. Die Lagerhalle war so schwer beschädigt, dass ein Abriss erforderlich wurde.
Nach dem Brand kündigte der Mieter das Mietverhältnis außerordentlich. Er räumte jedoch die ausgebrannte Halle nicht. Stattdessen überließ er der Vermieterin die gesamte Entsorgung des verbrannten Lagerinhalts.
Der Streit vor Gericht
Die Vermieterin beauftragte ein Entsorgungsunternehmen mit dem Abriss und der Entsorgung. Sie sortierte den Brandschutt nach Schadstoffkategorien und trennte Bauschutt von verbrannter Ware. Die Kosten für die Entsorgung des Lagerinhalts beliefen sich auf fast 159.000 Euro.
Die Vermieterin argumentierte: Der Mieter habe ihr einen Auftrag zur Entsorgung erteilt. Dies ergebe sich aus E-Mails, in denen der Mieter sein Einverständnis zur Entsorgung erklärt habe. Außerdem sei der Mieter zur Räumung verpflichtet gewesen und müsse daher Schadensersatz zahlen.
Der Mieter widersprach: Er habe ausdrücklich keinen kostenpflichtigen Auftrag erteilt. Die Kosten seien bereits durch die Gebäudeversicherung der Vermieterin reguliert worden. Außerdem seien etwaige Ansprüche verjährt.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Landgericht wies die Klage vollständig ab. Die Vermieterin erhielt keinen Cent der geforderten Entsorgungskosten.
Kein Auftrag erteilt
Das Gericht sah keinen wirksamen Auftrag des Mieters an die Vermieterin. Die E-Mails des Mieters seien zu unbestimmt gewesen. Sie richteten sich zudem direkt an das Entsorgungsunternehmen, nicht an die Vermieterin. Der Mieter habe lediglich sein Einverständnis zur Entsorgung erklärt, aber keinen verbindlichen Auftrag erteilt.
Entscheidend war: Die Vermieterin benötigte für die Entsorgung fremden Eigentums die Zustimmung des Mieters. Diese Zustimmung bedeutete aber noch lange keinen kostenpflichtigen Auftrag.
Schadensersatz nur mit Fristsetzung
Auch einen Schadensersatzanspruch verneinte das Gericht. Der Mieter war nach Vertragsende zwar verpflichtet, die Halle zu räumen und zurückzugeben. Diese Pflicht hatte er auch verletzt, indem er den verbrannten Inhalt in der Halle beließ.
Aber: Schadensersatz wegen Verletzung der Räumungspflicht gibt es nur unter strengen Voraussetzungen. Der Vermieter muss dem Mieter zunächst eine Frist zur Nacherfüllung setzen. Erst wenn diese erfolglos verstreicht, kann er Schadensersatz verlangen.
Die Vermieterin hatte dem Mieter keine Frist gesetzt. Sie ließ sofort selbst entsorgen, ohne dem Mieter die Chance zu geben, seiner Räumungspflicht nachzukommen.
Ansprüche wären ohnehin verjährt
Selbst wenn ein Anspruch bestanden hätte, wäre er nach sechs Monaten verjährt gewesen. Diese kurze Verjährungsfrist beginnt mit der Rückgabe der Mietsache zu laufen. Das Gericht sah die Mietsache als zurückgegeben an, sobald die Entsorgung im April 2021 abgeschlossen war.
Die Klage wurde aber erst im Dezember 2022 erhoben - viel zu spät.
Spezialregelung im Mietrecht
Das Gericht betonte einen wichtigen Grundsatz: Das Mietrecht enthält für solche Fälle eine abschließende Spezialregelung. Vermieter können nicht einfach auf andere Rechtsgebiete ausweichen, wenn die mietrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Konkret bedeutet das: Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht kommen nicht in Betracht, wenn das Mietrecht eine eigene Regelung vorsieht.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Vermieter
Setzen Sie immer eine Frist: Wenn Ihr Mieter nicht räumt, fordern Sie ihn zunächst schriftlich zur Räumung bis zu einem bestimmten Datum auf. Nur dann können Sie später Schadensersatz verlangen.
Dokumentieren Sie alles: Halten Sie alle Kommunikation schriftlich fest. E-Mails können schnell missverständlich sein.
Beachten Sie Verjährungsfristen: Machen Sie Ansprüche zügig geltend. Die sechsmonatige Verjährungsfrist läuft ab Rückgabe der Mietsache.
Vereinbarungen treffen: Wenn Sie selbst räumen wollen, vereinbaren Sie dies vorher ausdrücklich schriftlich mit Kostenübernahme durch den Mieter.
Für Mieter
Räumen Sie rechtzeitig: Auch nach einem Brand oder anderen Schäden sind Sie zur vollständigen Räumung verpflichtet - sofern noch möglich.
Vorsicht bei E-Mails: Ihre Zustimmung zur Entsorgung kann als Auftrag missverstanden werden. Formulieren Sie eindeutig, wenn Sie keine Kosten übernehmen wollen.
Behalten Sie Versicherungen im Blick: Prüfen Sie, ob Ihre Haftpflichtversicherung solche Fälle abdeckt.
Praktische Tipps
Bei Schäden durch Brand oder andere Katastrophen sollten alle Beteiligten schnell klare Vereinbarungen treffen. Ein zerstörtes Mietobjekt entbindet den Mieter nicht automatisch von der Räumungspflicht.
Vermieter, die selbst tätig werden wollen, sollten dies nur nach vorheriger schriftlicher Beauftragung und Kostenübernahmeerklärung des Mieters tun. Andernfalls tragen sie das wirtschaftliche Risiko selbst.
Das Urteil zeigt einmal mehr: Im Mietrecht sind die Fristen kurz und die Voraussetzungen streng. Wer seine Rechte durchsetzen will, muss schnell und korrekt handeln.
Quelle: LG Darmstadt, Urteil vom 16.12.2024, Az. 18 O 6/23
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