Zum Hauptinhalt springen

Wann Hausbesitzer trotz Schneeglätte nicht haften

Der beste Anwalt für Mietrecht
Der Winter bringt für Hausbesitzer jedes Jahr dieselbe Sorge mit sich: Wer haftet, wenn jemand vor dem Gebäude auf Schneeglätte stürzt? Ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken zeigt, dass eine ordnungsgemäße Beauftragung des Winterdienstes vor Haftung schützen kann - selbst wenn der Vertrag reduziert wird.
Arbeiter räumt Schnee vor einem Mehrfamilienhaus
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Sturz in der Fußgängerzone

An einem kalten Januarmorgen ereignete sich ein folgenschwerer Sturz. Eine Passantin war gegen 09:45 Uhr in einer Fußgängerzone unterwegs, als sie auf Schneeglätte ausrutschte und sich verletzte. Sie erlitt Verletzungen am rechten Fußgelenk sowie eine Halswirbelsäulenstauchung. In der Nacht zuvor hatte es erheblich geschneit, wodurch sich Eisglätte gebildet hatte.

Die Geschädigte forderte von der Hauseigentümerin Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 2.000 Euro sowie Erstattung ihrer Behandlungskosten und Anwaltsgebühren. Sie argumentierte, dass die Eigentümerin ihrer Räum- und Streupflicht nicht nachgekommen sei.

Hausmeisterdienst trotz reduziertem Vertrag aktiv

Die beklagte Hauseigentümerin hatte einen Hausmeisterdienst mit der Schneeräumung und Salzstreuung beauftragt. Dieser Vertrag bestand bereits seit 2017. Allerdings wurde der Umfang der Beauftragung zum 31. Januar 2021 deutlich reduziert - ironischerweise genau in dem Zeitraum, in dem sich der Unfall ereignete.

Der entscheidende Punkt: Trotz der vertraglichen Reduzierung führte der Hausmeisterdienst den Winterdienst weiterhin vollumfänglich durch. Der beauftragte Zeuge führte sogar persönliche Notizen über seine Winterdienst-Tätigkeiten und konnte nachweisen, dass er am 12. Januar 2021 von 07:00 bis 12:00 Uhr geräumt hatte.

Rechtliche Grundsätze zur Winterdienstpflicht

Das Gericht stellte wichtige Grundsätze zur winterlichen Räum- und Streupflicht auf:

Die Räum- und Streupflicht ist nicht unbegrenzt. Sie richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Wichtige Faktoren sind die Art und Wichtigkeit des Verkehrswegs, seine Gefährlichkeit und die Stärke des zu erwartenden Verkehrs.

Eine konkrete Gefahrenlage muss vorliegen. Es genügt nicht, dass einzelne Glättestellen vorhanden sind. Es muss eine "allgemeine Glätte" vorliegen oder erkennbare Anhaltspunkte für eine ernsthaft drohende Gefahr durch vereinzelte Glättestellen geben.

Die Verkehrssicherungspflicht kann übertragen werden. Hausbesitzer dürfen ihre Winterdienstpflicht auf spezialisierte Unternehmen übertragen. Dann beschränkt sich ihre Verantwortung auf die sorgfältige Auswahl und Überwachung des Dienstleisters.

Gerichtsurteil: Kein Haftungsanspruch

Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht wiesen die Klage ab. Die Richter stellten fest, dass der Hausmeisterdienst seine Arbeit ordnungsgemäß erledigt hatte. Entscheidend war, dass am Abend des Unfalltages noch Spuren der Räumarbeiten vom Vortag sichtbar waren. Dies bewies, dass trotz des weiteren Schneefalls nach den Räumarbeiten vom 12. Januar keine erneuten Winterdienstmaßnahmen erforderlich waren.

Das Gericht betonte: "Wenn der Hausmeisterdienst trotzdem vollumfänglich tätig wird, wird ein etwaiger Verstoß gegen die Räum- und Streupflicht nicht kausal." Anders ausgedrückt: Wenn ordnungsgemäß geräumt wird, spielt es keine Rolle, ob der Vertrag formal reduziert wurde.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Hausbesitzer: Dieses Urteil zeigt, dass eine professionelle Beauftragung des Winterdienstes effektiven Schutz vor Haftungsansprüchen bietet. Wichtig ist jedoch, dass der Dienstleister seine Arbeit auch tatsächlich ordnungsgemäß ausführt. Dokumentationen der durchgeführten Arbeiten können im Streitfall entscheidend sein.

Für Geschädigte: Nicht jeder Sturz bei winterlichen Verhältnissen führt automatisch zu Schadensersatzansprüchen. Es muss nachgewiesen werden, dass der Verantwortliche seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Bloße Wettervorhersagen oder Warnmeldungen reichen nicht aus, um eine Pflichtverletzung zu begründen.

Praktische Empfehlungen: Hausbesitzer sollten ihre Winterdienstverträge sorgfältig gestalten und regelmäßig überprüfen. Die Beauftragung eines zuverlässigen Dienstleisters ist oft kostengünstiger als das Risiko einer Haftung. Gleichzeitig sollten sie sich nicht in falscher Sicherheit wiegen - die Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung bleibt ihre Aufgabe.

Das Urteil macht deutlich: Wer seine Verkehrssicherungspflicht ernst nimmt und professionell organisiert, muss nicht bei jedem Schneeballen mit Schadensersatzforderungen rechnen. Die winterliche Räum- und Streupflicht ist zwar ernst zu nehmen, aber durchaus beherrschbar.


Quelle: LG Saarbrücken, Urteil vom 13.06.2024 - 13 S 96/23

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.


Das könnte Sie auch interessieren:

19. Mai 2024
Vermieter stehen manchmal vor der Herausforderung, dass sie berechtigte Gründe haben, ein Mietverhältnis zu beenden, und dennoch auf Hindernisse st...
01. April 2024
Die Kündigung eines Mietverhältnisses durch den Vermieter kann viele Gründe haben, doch einer der häufigsten und zugleich komplexesten ist die Eige...