Vorkaufsrecht bei Immobilienkauf: Verkäufer müssen Kaufinteressenten informieren

Der Fall: Unerwartete Ausübung eines Vorkaufsrechts
Das Ehepaar K. hatte eine Immobilie in Hamburg gefunden und einen Kaufvertrag unterzeichnet. Was sie nicht wussten: Die Stadt Hamburg hatte ein gesetzliches Vorkaufsrecht an dem Grundstück und hatte bereits vor Vertragsabschluss Interesse am Erwerb des Grundstücks signalisiert. Die Verkäuferseite – bestehend aus der Eigentümerin und der von ihr beauftragten Immobilienmaklerfirma – verschwiegen diese wichtige Information.
Nach Unterzeichnung des Kaufvertrags übte die Stadt Hamburg ihr Vorkaufsrecht aus. Für das Ehepaar K. bedeutete dies nicht nur das Ende ihres Traums vom Eigenheim, sondern auch erhebliche finanzielle Verluste. Sie hatten bereits Finanzierungen für den Kauf abgeschlossen, die nun mit Kosten wieder aufgelöst werden mussten.
Die rechtlichen Streitpunkte
Die Kläger (das Ehepaar) forderten Schadensersatz von der Verkäuferin und der Immobilienmaklerfirma. Sie argumentierten, dass ihnen die drohende Ausübung des Vorkaufsrechts bewusst verschwiegen wurde. Sie hätten entweder gar nicht gekauft oder ihre Finanzierung anders gestaltet, wenn sie von diesem Risiko gewusst hätten.
Die Beklagten hielten dagegen:
- Der Notar habe im Beurkundungstermin auf das Vorkaufsrecht hingewiesen
- Es sei nicht klar gewesen, dass die Stadt das Vorkaufsrecht tatsächlich ausüben würde
- Die Offenlegung eines Interesses des Vorkaufsberechtigten könne den Verkäufer benachteiligen
Zudem beriefen sich die Beklagten auf eine Klausel in der "Vollzugsurkunde nach Ausübung eines Vorkaufsrechts", wonach jede Partei ihre eigenen Aufwendungen tragen sollte – was nach ihrer Auffassung einen Verzicht auf Schadensersatzansprüche beinhaltete.
Die Entscheidung des Gerichts
Das OLG Hamburg gab den Klägern überwiegend Recht und verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von rund 18.940 Euro Schadensersatz. Das Gericht stellte wichtige Grundsätze auf:
Ein Grundstückseigentümer ist verpflichtet, im Rahmen von Verhandlungen über den Verkauf des Grundstücks den Kaufinteressenten darüber aufzuklären, dass er Kenntnis hat, dass der Inhaber eines Vorkaufsrechts mit hoher Wahrscheinlichkeit sein Recht ausüben wird.
Das Gericht stellte fest, dass die Verkäuferin durch ihre Maklerfirma über die wahrscheinliche Ausübung des Vorkaufsrechts informiert war. Die zuständige Sachbearbeiterin der Stadt hatte dem Mitarbeiter der Maklerfirma telefonisch mitgeteilt, dass die Stadt das Vorkaufsrecht wahrscheinlich ausüben werde und sogar gebeten, Verhandlungen mit anderen Interessenten vorläufig zu stoppen.
Wichtige Feststellungen des Gerichts:
- Der allgemeine Hinweis des Notars auf ein mögliches Vorkaufsrecht reicht nicht aus – konkrete Informationen über ein wahrscheinlich ausgeübtes Vorkaufsrecht müssen mitgeteilt werden.
- Ein Verkäufer ist verpflichtet, über alle Umstände aufzuklären, die für einen vernünftigen Käufer von wesentlicher Bedeutung sind, sofern der Verkäufer diese kennt oder für möglich hält.
- Die Maklerfirma hatte sich in eine "Sachwalterstellung" begeben, da sie alle Verhandlungen führte und die einzige Kontaktperson für die Käufer war.
- Die Klausel in der Vollzugsurkunde, wonach jede Partei ihre Aufwendungen selbst trägt, stellt keinen Verzicht auf Schadensersatzansprüche dar.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil stärkt die Rechte von Immobilienkäufern erheblich und bringt wichtige Erkenntnisse für alle Beteiligten am Immobilienmarkt:
Für Käufer:
- Fragen Sie aktiv nach, ob Vorkaufsrechte bestehen und ob es Anzeichen gibt, dass diese ausgeübt werden könnten.
- Bei einem bestehenden Vorkaufsrecht sollten Sie Ihre Finanzierung entsprechend gestalten, um Kosten bei einer möglichen Ausübung zu vermeiden.
- Dokumentieren Sie alle Gespräche mit Verkäufern und Maklern schriftlich.
Für Verkäufer:
- Sie sind zur umfassenden Aufklärung über alle wesentlichen Umstände verpflichtet, die den Kauf beeinflussen könnten.
- Dazu gehört auch die Information über ein möglicherweise ausgeübtes Vorkaufsrecht.
- Diese Aufklärungspflicht gilt auch dann, wenn Sie einen Makler einschalten – dessen Wissen wird Ihnen zugerechnet.
Für Makler:
- Als "Sachwalter" haben Sie eine besondere Verantwortung gegenüber beiden Seiten.
- Sie müssen über alle wesentlichen Umstände informieren, die Ihnen bekannt sind.
- Ein Verschweigen wichtiger Informationen kann zu erheblichen Schadensersatzforderungen führen.
Das OLG Hamburg hat mit diesem Urteil klargestellt, dass die Transparenz beim Immobilienkauf höchste Priorität hat. Wer wesentliche Informationen verschweigt, muss für den daraus entstehenden Schaden aufkommen – ein wichtiges Signal für mehr Fairness auf dem Immobilienmarkt.
Quelle: OLG Hamburg, Urteil vom 29.05.2024 - 13 U 64/23
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