Vermieter darf Vorauszahlung nicht trotz Guthaben erhöhen


Der Fall: Widersprüchliche Forderungen sorgen für Ärger
Eine Gewerbemieterin erlebte im Jahr 2022 eine paradoxe Situation. Sie erhielt vom Vermieter die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021, die ein erfreuliches Guthaben von über 2.200 Euro zu ihren Gunsten auswies. Sie hatte also deutlich mehr Nebenkosten vorausgezahlt, als tatsächlich angefallen waren.
Doch im selben Schreiben forderte der Vermieter sie auf, ihre monatlichen Vorauszahlungen für Betriebskosten ab Februar 2023 um fast 240 Euro zu erhöhen. Seine Begründung: Die allgemein stark gestiegenen Energiekosten würden künftig zu hohen Nachzahlungen führen.
Die Mieterin empfand diese Forderung als willkürlich. Für sie war es völlig unlogisch, mehr vorauszahlen zu sollen, obwohl sie gerade erst nachweislich zu viel bezahlt hatte. Als der Vermieter auf seiner Forderung beharrte, zog sie vor Gericht.
Was sagt das Gesetz zu Nebenkostenvorauszahlungen?
Bei Geschäftsräumen gibt es anders als bei Wohnungen kein automatisches gesetzliches Recht des Vermieters, die Vorauszahlungen einfach anzupassen. Eine solche Möglichkeit muss im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart sein.
Im vorliegenden Fall gab es zwar eine entsprechende Klausel, die besagte, dass der Vermieter berechtigt sei, die Vorauszahlungen anzupassen, "wenn sich die Betriebskosten erhöhen". Doch hier liegt der Knackpunkt: Selbst mit einer solchen Vertragsklausel darf der Vermieter sie nicht willkürlich anwenden.
Das Gericht zieht klare Grenzen
Das Amtsgericht Brandenburg stellte unmissverständlich fest: Die Forderung des Vermieters war nicht rechtens. Die Richter beriefen sich dabei auf den Grundsatz von Treu und Glauben, der besagt, dass sich jeder Vertragspartner fair und anständig verhalten muss.
Die einzig faire Grundlage: die letzte Abrechnung
Das Gericht machte deutlich, dass eine Erhöhung der Vorauszahlungen nur auf einer nachvollziehbaren Grundlage erfolgen darf. Diese Grundlage ist die letzte vorliegende Betriebskostenabrechnung - sie ist der einzige handfeste Beleg dafür, wie hoch die Kosten tatsächlich waren.
Wenn diese Abrechnung ein hohes Guthaben für den Mieter ausweist, bedeutet das: Die bisherigen Vorauszahlungen waren nicht zu niedrig, sondern zu hoch. Eine Erhöhung wäre unter diesen Umständen das genaue Gegenteil von dem, was logisch und fair wäre.
Zinsloses Darlehen für den Vermieter?
Das Gericht verglich die Situation treffend mit einem zinslosen Darlehen. Würde man dem Vermieter erlauben, trotz eines Guthabens noch höhere Vorauszahlungen zu kassieren, würde der Mieter ihm quasi Geld leihen, ohne dafür Zinsen zu bekommen.
Das ist nicht der Sinn von Vorauszahlungen. Sie sollen die voraussichtlich anfallenden Kosten decken - nicht mehr und nicht weniger.
Energiepreissteigerungen reichen als Begründung nicht aus
Der Verweis des Vermieters auf allgemein gestiegene Energiepreise reichte dem Gericht nicht aus. Die Anpassung muss sich an der konkreten, vergangenen Abrechnung orientieren, nicht an abstrakten Zukunftsprognosen.
Im Gegenteil: Das Gericht stellte fest, dass die Mieterin aufgrund des Guthabens sogar das Recht gehabt hätte, eine Senkung ihrer Vorauszahlungen zu verlangen.
Das zweite Guthaben und die Aufrechnung
Während des Gerichtsverfahrens wurde auch die Abrechnung für das Jahr 2022 erstellt, die ebenfalls ein Guthaben für die Mieterin auswies - diesmal rund 970 Euro. Die Mieterin forderte die Auszahlung dieses Betrags.
Doch hier kam es zur Aufrechnung: Der Vermieter hatte Gegenforderungen geltend gemacht, unter anderem wegen einer Mietkürzung, die die Mieterin vorgenommen hatte. Obwohl das Gericht der Mieterin im Hauptpunkt recht gab, führten diese Gegenansprüche des Vermieters dazu, dass die Forderung auf Auszahlung des Guthabens nicht durchkam.
Teilweise Erledigung durch Endabrechnung
Ein interessanter rechtlicher Aspekt: Der ursprüngliche Streitgegenstand wurde als "in der Hauptsache erledigt" erklärt. Während des Verfahrens hatte der Vermieter nämlich die endgültige Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2023 erstellt.
Mit dieser Endabrechnung stand schwarz auf weiß fest, was die Mieterin für 2023 tatsächlich zahlen musste. Die Frage, ob die monatlichen Vorauszahlungen zu hoch angesetzt waren, war damit überholt - der Streit hatte sich durch die Endabrechnung von selbst geklärt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Dieses Urteil sendet ein klares Signal an Vermieter und Mieter:
Für Mieter bedeutet das:
- Bei einem Guthaben haben Sie sogar Anspruch auf Senkung der Vorauszahlungen
- Erhöhungsforderungen müssen Sie nicht blind akzeptieren
- Die letzte Betriebskostenabrechnung ist der Maßstab, nicht Spekulationen über künftige Kosten
- Bei unberechtigten Forderungen können Sie sich gerichtlich wehren
Für Vermieter bedeutet das:
- Erhöhungen müssen auf nachvollziehbaren Grundlagen basieren
- Ein Guthaben in der letzten Abrechnung spricht gegen eine Erhöhung
- Allgemeine Verweise auf gestiegene Energiekosten reichen nicht aus
- Die Vertragsklausel muss fair angewendet werden
Praktische Handlungsempfehlungen
Wenn Sie als Mieter ein Guthaben haben: Prüfen Sie kritisch, ob eine gleichzeitige Erhöhungsforderung gerechtfertigt ist. Lassen Sie sich die Berechnung erklären und scheuen Sie sich nicht, Widerspruch einzulegen.
Wenn Sie als Vermieter eine Erhöhung planen: Stellen Sie sicher, dass diese auf einer soliden Grundlage steht. Eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung mit einer Nachzahlung ist die beste Rechtfertigung für höhere Vorauszahlungen.
Die Kostenverteilung zeigt den Kernpunkt
Interessant ist auch die Kostenverteilung des Gerichts: Der Vermieter musste 73 Prozent der Verfahrenskosten tragen, die Mieterin nur 27 Prozent. Diese Verteilung zeigt, dass das Gericht den Hauptstreitpunkt - die unrechtmäßige Erhöhung der Vorauszahlungen - als den wesentlichsten Teil des Verfahrens ansah. Und in diesem entscheidenden Punkt hatte die Mieterin vollständig gewonnen.
Fazit: Fairness und Nachvollziehbarkeit sind entscheidend
Das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg macht deutlich: Betriebskostenvorauszahlungen sind kein Selbstbedienungsladen für Vermieter. Erhöhungen müssen fair, nachvollziehbar und auf konkreten Abrechnungen basieren.
Für die Praxis bedeutet das mehr Rechtssicherheit für beide Seiten. Mieter können sich gegen willkürliche Erhöhungen wehren, während Vermieter weiterhin berechtigt Anpassungen vornehmen können - aber nur, wenn diese auch wirklich gerechtfertigt sind.
Das Gericht hat mit seinem Urteil einen wichtigen Beitrag zur Auslegung von Nebenkostenabrechnungen im Gewerbebereich geleistet und gezeigt, dass auch hier die Grundsätze von Treu und Glauben gelten.
Quelle: Amtsgericht Brandenburg, Urteil vom 05.06.2025 - 30 C 17/24
Kontaktieren Sie uns!
Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.
Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.
Unsere digitale Kanzlei

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.
kostenlose Ersteinschätzung

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.
Das könnte Sie auch interessieren:
-ed79a4cd.webp)
Erleichterte Kündigung – Alles, was Mieter und Vermieter wissen müssen

Alles, was Sie über Eigenbedarfskündigungen wissen müssen

Was, wenn ich mir keinen Anwalt leisten kann?

Wohnungsmietvertrag kündigen – ein Leitfaden für Mieter und Vermieter
