Mietvertrag oder Nutzungsrecht? Wichtige Unterschiede im Mietrecht


Der komplizierte Familienverkauf
Ein Rechtsanwalt kauft das Haus seiner Schwägerin, um der Familie das Wohnen zu ermöglichen. Was zunächst als großzügige Geste erscheint, entwickelt sich zu einem jahrelangen Rechtsstreit über Miete, Kündigungen und die rechtliche Einordnung des Wohnverhältnisses.
Die ursprüngliche Eigentümerin hatte ihr Einfamilienhaus bereits an eine GmbH verkauft, die es mit einem detaillierten Kaufvertrag an den Rechtsanwalt weiterveräußerte. In diesem notariellen Vertrag war geregelt, dass bis zur endgültigen Räumung eine "Nutzungsentschädigung" zu zahlen ist - ein Begriff, der später entscheidend werden sollte.
Streitpunkt: Nutzungsvertrag oder Mietvertrag?
Das Oberlandesgericht München musste eine grundlegende Frage klären: Handelt es sich bei der Vereinbarung um einen Mietvertrag mit den entsprechenden Mieterrechten oder um ein sogenanntes "Nutzungsverhältnis sui generis" - eine besondere Vertragsform ohne die üblichen Mieterschutzbestimmungen?
Der entscheidende Unterschied: Bei einem Mietvertrag greifen die gesetzlichen Schutzbestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, insbesondere der Kündigungsschutz. Ein Nutzungsverhältnis sui generis bietet diese Sicherheiten nicht.
Das Gericht unterschied dabei zwischen zwei verschiedenen Rechtsverhältnissen:
Ursprungsvertrag mit der GmbH
Der notarielle Vertrag zwischen der Eigentümerin und der GmbH stellte kein Mietverhältnis dar. Entscheidend war dabei die bewusste Bezeichnung als "Nutzungsentschädigung" statt "Miete" sowie der enge Zusammenhang mit der geplanten Räumung. Besonders aussagekräftig bewertete das Gericht die drastische Erhöhung der Zahlung bei Nichträumung als Druckmittel und die nur vorübergehende Natur des gesamten Verhältnisses.
Neues Verhältnis mit dem Käufer
Anders bewertete das Gericht das Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und den Bewohnern. Hier lag ein echter Mietvertrag vor, da der Käufer das Haus erworben hatte, um der Familie dauerhaftes Wohnen zu ermöglichen. Zusätzlich sprachen die über Jahre geleisteten regelmäßigen Zahlungen für ein Mietverhältnis, ebenso wie die Tatsache, dass der Rechtsanwalt selbst lange Zeit von "Miete" und "Mietvertrag" sprach. Letztendlich war eine langfristige Wohnlösung angestrebt, was typisch für ein Mietverhältnis ist.
Das Problem mit der Staffelmiete
Ein weiterer wichtiger Aspekt betraf die versuchte Mieterhöhung. Der Rechtsanwalt wollte die monatliche Zahlung erheblich steigern und berief sich dabei auf den ursprünglichen Notarvertrag.
Das Gericht stellte klar: Eine Staffelmiete bedarf immer der Schriftform. Da keine schriftliche Vereinbarung über die Erhöhung zwischen den Parteien vorlag, war diese unwirksam. Die betragsmäßig bestimmte Erhöhung zu einem festen Zeitpunkt gilt als Staffelmiete - auch wenn es sich nur um eine einmalige Erhöhung handelt.
Kündigung ohne rechtliche Grundlage
Der Rechtsanwalt hatte das Mietverhältnis fristlos gekündigt und die Räumung verlangt. Das Gericht wies dies vollständig zurück. Ein Zahlungsrückstand lag nicht vor, da die erhöhte Miete nicht geschuldet war. Ebenso konnte keine Vernachlässigung der Mietsache durch die Bewohner festgestellt werden, und es bestand kein berechtigtes Interesse an einer ordentlichen Kündigung. Selbst die ordentliche Kündigungsfrist war zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung noch nicht abgelaufen.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Vermieter
Klare schriftliche Vereinbarungen sind unverzichtbar. Auch bei Familiengeschäften oder vermeintlich einfachen Wohnüberlassungen sollten Sie:
- Die Art des Rechtsverhältnisses eindeutig definieren
- Mieterhöhungen immer schriftlich vereinbaren
- Bei Staffelmieten die Schriftform beachten
- Kündigungsgründe sorgfältig prüfen lassen
Für Mieter
Das Urteil stärkt Ihre Position erheblich:
- Auch mündliche Mietverträge können wirksam sein
- Unwirksame Mieterhöhungen müssen Sie nicht zahlen
- Der Kündigungsschutz gilt auch bei Familienverkäufen
- Bei unklaren Vertragsformen tendieren Gerichte zum Mieterschutz
Für beide Seiten
Der Fall zeigt die Bedeutung rechtlicher Beratung bei Immobiliengeschäften. Selbst ein Rechtsanwalt als Käufer konnte die rechtlichen Fallstricke nicht vollständig vermeiden. Vermeintliche Kosteneinsparungen bei der Vertragsgestaltung können zu jahrelangen teuren Rechtsstreitigkeiten führen.
Fazit
Das Oberlandesgericht München hat mit dieser Entscheidung wichtige Grundsätze für die Abgrenzung zwischen Miet- und Nutzungsverhältnissen aufgestellt. Entscheidend ist nicht nur der Wortlaut von Verträgen, sondern vor allem der erkennbare Wille der Parteien und die tatsächliche Gestaltung des Verhältnisses.
Für die Praxis bedeutet dies: Klare Verhältnisse schaffen Rechtssicherheit. Wer als Vermieter die strengen Mieterschutzbestimmungen umgehen möchte, muss dies von Anfang an unmissverständlich regeln. Andernfalls greifen die gesetzlichen Schutzbestimmungen zugunsten der Bewohner.
Quelle: OLG München, Urteil vom 06.03.2025 - 14 U 3532/24
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