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Legionellen im Trinkwasser: Wann liegt ein Mietmangel vor?

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Immer wieder führen Legionellen im Trinkwasser zu Konflikten zwischen Mietern und Vermietern. Doch wann berechtigt ein Legionellenbefall tatsächlich zur Mietminderung? Das Landgericht Dresden hat in einem aktuellen Urteil wichtige Klarstellungen getroffen und einen objektiven Maßstab definiert.
Duschkopf
Bild von Ralf Ruppert auf Pixabay

Der Fall: Streit um Mietkürzung wegen Legionellen

Im vorliegenden Fall hatte eine Vermieterin ihren Mieter auf Räumung und Zahlung rückständiger Miete verklagt. Der Mieter hatte die Miete über einen längeren Zeitraum (Juni 2020 bis August 2021) gemindert, weil im Trinkwasser der Wohnanlage Legionellen nachgewiesen wurden. Die entscheidende Frage: War diese Mietminderung rechtmäßig oder nicht?

Der Mieter berief sich darauf, dass bereits ab einer Legionellenkonzentration von 100 KbE/100 ml (Koloniebildende Einheiten pro 100 Milliliter) eine Gesundheitsgefahr bestehe, die eine Mietminderung rechtfertige. Die Vermieterin hingegen argumentierte, dass erst ab 10.000 KbE/100 ml von einer relevanten Beeinträchtigung auszugehen sei.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Dresden gab der Vermieterin Recht und wies die Berufung des Mieters zurück. In seinem Urteil vom 24.09.2024 (Az. 4 S 81/23) stellte das Gericht drei wichtige Grundsätze auf:

  1. Für die Beurteilung, ob ein Mietmangel vorliegt, gilt ein objektiver, überindividueller Maßstab.
  2. Die Überschreitung des in der Trinkwasserverordnung genannten Maßnahmewertes von 100 KbE/100 ml beeinträchtigt den Gebrauch der Mietsache noch nicht.
  3. Erst bei Überschreitungen ab 10.000 KbE/100 ml kann von einer möglichen Gesundheitsgefahr ausgegangen werden, die einen Mietmangel darstellt.

Das Gericht berief sich dabei auf Sachverständigenmeinungen und technische Regelwerke, insbesondere das Arbeitsblatt W 551 des DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches).

Warum sind Legionellen problematisch?

Legionellen sind Stäbchenbakterien, die im Wasser vorkommen. Sie werden vor allem gefährlich, wenn sie als feine Wassertröpfchen (Aerosole) eingeatmet werden, was besonders beim Duschen passieren kann. Im schlimmsten Fall können sie die Legionärskrankheit auslösen, eine schwere Form der Lungenentzündung.

Die Trinkwasserverordnung sieht daher vor, dass ab einem Wert von 100 KbE/100 ml bestimmte Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass eine unmittelbare Gesundheitsgefahr besteht.

Der objektive Maßstab bei der Mängelbewertung

Das Landgericht Dresden betonte in seinem Urteil, dass für die Frage eines Mietmangels ein objektiver Maßstab gilt:

"Für die Frage, ob ein Mietmangel vorliegt, gilt ein objektiver, überindividueller Maßstab."

Dies bedeutet, dass nicht die subjektive Wahrnehmung oder individuelle gesundheitliche Besonderheiten des einzelnen Mieters entscheidend sind. Stattdessen ist ein "Durchschnittsnutzer" als Referenz heranzuziehen.

Der Sachverständige erläuterte im Verfahren, dass bei Werten zwischen 100 und 10.000 KbE/100 ml zwar Untersuchungen und mittelfristige Sanierungsmaßnahmen erforderlich sind, aber noch kein Duschverbot ausgesprochen werden muss. Erst ab 10.000 KbE/100 ml sind sofortige Maßnahmen wie ein Duschverbot oder die Installation von speziellen Wasserfiltern notwendig.

Stufen der Legionellenbelastung und erforderliche Maßnahmen

Nach den Feststellungen des Gerichts gelten folgende Stufen:

  1. Unter 100 KbE/100 ml: Kein Handlungsbedarf
  2. Ab 100 KbE/100 ml ("mittlere Kontamination"):
    • Gefährdungsanalyse durchführen
    • Mittelfristige Sanierung innerhalb eines Jahres
    • Nachuntersuchung innerhalb einer Woche
  3. Ab 10.000 KbE/100 ml:
    • Duschverbot oder Installation endständiger Trinkwasserfilter
    • Information der Mieter und des Gesundheitsamtes
    • Thermische Desinfektion innerhalb von 14 Tagen
    • Nachbeprobung innerhalb einer weiteren Woche

Im konkreten Fall wurde festgestellt, dass im streitgegenständlichen Zeitraum die Legionellenkonzentration in der Wohnung des Mieters nie über 10.000 KbE/100 ml lag. Der höchste gemessene Wert betrug 3.400 KbE/100 ml.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung hat wichtige praktische Auswirkungen für Mieter und Vermieter:

  1. Für Mieter: Ein Recht zur Mietminderung besteht nicht schon bei jeder Überschreitung des Maßnahmewertes von 100 KbE/100 ml. Die rein subjektive Besorgnis vor gesundheitlichen Gefahren reicht nicht aus. Als Mieter sollten Sie bei Verdacht auf Legionellen Ihren Vermieter informieren und auf eine Untersuchung drängen.
  2. Für Vermieter: Bei Feststellung von Legionellen sind Sie verpflichtet, die vorgeschriebenen Maßnahmen je nach Belastungsgrad zu ergreifen. Bei Werten unter 10.000 KbE/100 ml besteht in der Regel noch kein Mietmangel, der zu einer Mietminderung berechtigt. Dennoch müssen Sie die notwendigen Untersuchungen und Sanierungsmaßnahmen durchführen.
  3. Für beide Seiten: Eine praktische Lösung bei erhöhten Legionellenwerten können endständige Trinkwasserfilter sein, die an den Duschköpfen installiert werden. Diese müssen regelmäßig ausgetauscht werden, können aber auch von Mietern selbst problemlos gewechselt werden.

Es bleibt abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof in dieser Frage noch eine höchstrichterliche Klärung herbeiführen wird. Das Landgericht Dresden hat die Revision ausdrücklich zugelassen, da es zu dieser Frage unterschiedliche Auffassungen in der Rechtsprechung gibt.

Fazit

Nicht jeder Legionellenbefall stellt automatisch einen Mietmangel dar. Entscheidend ist vielmehr die Höhe der Konzentration und die damit verbundene objektive Gesundheitsgefahr. Die rein subjektive Besorgnis des Mieters reicht nicht aus, um eine Mietminderung zu rechtfertigen.

Quelle: Landgericht Dresden, Urteil vom 24.09.2024, Az. 4 S 81/23

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