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Grundsteuer NRW: Gericht kippt höhere Hebesätze für Gewerbe

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Wegweisendes Urteil aus Gelsenkirchen: Kommunen dürfen Gewerbeeigentümer bei der Grundsteuer nicht stärker belasten als Wohnungseigentümer. Fiskalische Gründe rechtfertigen keine Ungleichbehandlung.
Gewerbegebiet
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Darum ging es in dem Rechtsstreit

Seit der Grundsteuerreform zum 1. Januar 2025 werden alle Grundstücke in Deutschland nach neuen Maßstäben bewertet. In Nordrhein-Westfalen kommt dabei das sogenannte Bundesmodell zur Anwendung. Diese Neubewertung führt zu einem interessanten Effekt: Wohngrundstücke, insbesondere Ein- und Zweifamilienhäuser, werden nach der neuen Methode oft höher bewertet als Gewerbegrundstücke. Würde man überall den gleichen Hebesatz anwenden, müssten private Hauseigentümer deutlich mehr Grundsteuer zahlen, während Besitzer von Gewerbeimmobilien entlastet würden.

Um dieses Ungleichgewicht auszugleichen, hat der nordrhein-westfälische Landtag im Juli 2024 ein Gesetz mit einer Öffnungsklausel beschlossen. Diese Regelung erlaubt es den Kommunen, unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke festzusetzen. Zahlreiche Städte im Ruhrgebiet machten von dieser Möglichkeit Gebrauch und führten niedrigere Hebesätze für Wohngrundstücke ein, während sie die Sätze für Gewerbegrundstücke entsprechend erhöhten.

Der zentrale Streitpunkt

Mehrere Gewerbebetriebe aus dem Ruhrgebiet wehrten sich gegen diese unterschiedliche Behandlung. Die Eigentümer von Geschäftsgrundstücken und unbebauten Grundstücken fühlten sich gegenüber Wohnungseigentümern ungerecht benachteiligt. Ihre Argumentation: Warum sollten sie allein die finanzielle Last tragen, damit Wohnungseigentümer entlastet werden können?

Die beklagten Städte verteidigten ihre Satzungen mit sozial- und gesellschaftspolitischen Argumenten. Sie wollten die Wohnnebenkosten für Bürgerinnen und Bürger reduzieren oder zumindest auf dem bisherigen Niveau halten. Die dadurch entstehenden Mindereinnahmen sollten die erhöhten Hebesätze für Gewerbegrundstücke ausgleichen. Im Kern ging es also um die Frage: Dürfen Kommunen das finanzielle Hebesatz-Niveau (Fachbegriff für den Prozentsatz, mit dem die Grundsteuer berechnet wird) bei Wohngrundstücken senken und die Differenz von Gewerbeeigentümern bezahlen lassen?

Die Entscheidung des Gerichts

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat den klagenden Gewerbebetrieben in allen vier Verfahren Recht gegeben und die Grundsteuerbescheide aufgehoben. In seiner Urteilsbegründung stellte das Gericht klar:

Die höheren Hebesätze für Nichtwohngrundstücke verstoßen gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Steuergerechtigkeit.

Der Vorsitzende Richter führte aus, dass es steuerlich ungerecht sei, wenn die durchaus wünschenswerte Entlastung des Wohnens allein von den Gewerbetreibenden finanziert werden solle. Die Richter erkannten zwar an, dass Kommunen grundsätzlich einen Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung ihrer Hebesätze haben. Dieser Spielraum werde jedoch durch das Gleichbehandlungsgebot begrenzt.

Entscheidend war für das Gericht, dass keine sachlichen Gründe für die unterschiedliche Behandlung von Wohn- und Nichtwohngrundstücken vorlagen. Der rein fiskalische Zweck, also das Bestreben der Gemeinden, ihr Gesamtsteueraufkommen nicht sinken zu lassen, eignet sich nach Auffassung der Richter nicht als Rechtfertigung für die erhöhten Hebesätze zulasten der Gewerbegrundstücke. Eine nachvollziehbare und individuelle Begründung für die abweichende Belastung fehle.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Eigentümer von Gewerbegrundstücken in NRW hat dieses Urteil erhebliche praktische Bedeutung. Wenn Ihre Kommune unterschiedliche Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke beschlossen hat, könnten Ihre Grundsteuerbescheide rechtswidrig sein.

Allerdings ist Vorsicht geboten: Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Das Gericht hat sowohl die Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen als auch die Sprungrevision beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Es ist davon auszugehen, dass die betroffenen Städte von diesen Rechtsmitteln Gebrauch machen werden. Der Rechtsstreit könnte sich also noch über mehrere Instanzen hinziehen.

Für Kommunen bedeutet das Urteil, dass sie die Festsetzung differenzierter Hebesätze künftig nachvollziehbar begründen und dokumentieren müssen, wenn sie Klagen vorbeugen wollen. Alternativ könnten Städte zu einheitlichen Hebesätzen zurückkehren.

Betroffene Gewerbeeigentümer sollten ihre Grundsteuerbescheide sorgfältig prüfen lassen und gegebenenfalls Widerspruch einlegen, um ihre Rechte zu wahren. Die weitere rechtliche Entwicklung bleibt abzuwarten, doch die erste gerichtliche Entscheidung in dieser Frage fiel eindeutig zugunsten der Gewerbetreibenden aus.

Grundsätze des Urteils

  • Unterschiedliche Grundsteuer-Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke können gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit verstoßen
  • Rein fiskalische Gründe rechtfertigen keine höhere Belastung von Gewerbegrundstücken
  • Kommunen müssen sachliche Gründe für abweichende Hebesätze nachweisen können
  • Das Gleichbehandlungsgebot begrenzt den Gestaltungsspielraum der Kommunen
  • Ohne individuelle Begründung sind erhöhte Hebesätze für Nichtwohngrundstücke rechtswidrig

Quelle: VG Gelsenkirchen, Urteile vom 04.12.2025, Az. 5 K 2074/25, 5 K 3234/25, 5 K 3699/25, 5 K 5238/25 (nicht rechtskräftig)

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