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Einheimischenmodell: Gemeinde darf bei Verwandten-Überlassung zurückkaufen

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Wer eine vergünstigt erworbene Wohnung ohne Zustimmung an Verwandte überlässt, riskiert den Verlust seines Eigentums. Der BGH bestätigt das Wiederkaufsrecht der Gemeinde auch bei nahestehenden Personen wie dem Schwager.
Frontansicht eines Rathauses in einer ostdeutschen Kleinstadt
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Vom Eigenheim zur Verwandten-Wohnung

Ein Wohnungskäufer erwarb seine Immobilie über das sogenannte Einheimischenmodell zu einem deutlich vergünstigten Preis. Dabei verpflichtete er sich, die Wohnung für mindestens 15 Jahre selbst als Hauptwohnung zu nutzen. Nach seiner Heirat verließ er jedoch die Wohnung und überließ sie seinem Schwager - ohne die erforderliche Zustimmung der Gemeinde einzuholen.

Die Gemeinde erfuhr von diesem Sachverhalt und machte von ihrem vertraglich vereinbarten Wiederkaufsrecht Gebrauch. Sie verlangte die Rückübertragung der Wohnung gegen Zahlung eines festgelegten Wiederkaufspreises. Der Eigentümer wehrte sich dagegen und argumentierte, die Überlassung an einen Schwager sei unproblematisch und rechtfertige nicht den Verlust seines Eigentums.

Was ist das Einheimischenmodell?

Förderung für Ortsansässige

Das Einheimischenmodell ist ein kommunales Förderinstrument, das in Gemeinden mit hoher Nachfrage nach Bauland durch auswärtige Interessenten eingesetzt wird. Ziel ist es, Einheimischen den Erwerb von Wohnraum zu bezahlbaren Preisen zu ermöglichen, die deutlich unter dem Marktwert liegen.

Verbindliche Nutzungsbindung

Im Gegenzug für die Vergünstigung müssen sich die Käufer zu bestimmten Auflagen verpflichten. Die wichtigste ist die Nutzungsbindung: Sie müssen die Immobilie für einen festgelegten Zeitraum - hier 15 Jahre - selbst als Hauptwohnung nutzen. Diese Bindung dient dazu sicherzustellen, dass die staatliche Förderung ihren Zweck erfüllt und nicht für Spekulationsgeschäfte missbraucht wird.

Sanktionen bei Verstößen

Für den Fall, dass Käufer gegen ihre Verpflichtungen verstoßen, sehen die Verträge verschiedene Sanktionsmöglichkeiten vor. Die schärfste ist das Wiederkaufsrecht: Die Gemeinde kann die Immobilie zu einem vorher festgelegten Preis zurückkaufen. Alternativ kann sie eine Nachzahlung auf den ursprünglichen Kaufpreis verlangen.

Streitpunkt: Welche Verwandten sind privilegiert?

Enge Familienangehörige mit Zustimmung

Die Vergaberichtlinien erlauben grundsätzlich die Mitbenutzung der Wohnung durch bestimmte Familienangehörige, allerdings nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Gemeinde. Zu diesem privilegierten Kreis gehören der Ehegatte oder Lebenspartner, Abkömmlinge, Eltern, Großeltern und Geschwister des Käufers.

Schwager nicht automatisch begünstigt

Das Berufungsgericht hatte noch argumentiert, auch der Schwager könne zum begünstigten Personenkreis zählen, da die Formulierung in den Vergaberichtlinien unklar sei. Diese Auslegung verwarf der BGH als rechtlich fehlerhaft. Die Bestimmungen seien eindeutig: Nur direkte Verwandte des Käufers seien privilegiert, nicht aber angeheiratete Personen wie der Bruder der Ehefrau.

Zustimmungsvorbehalt bei allen Überlassungen

Entscheidend ist, dass selbst bei privilegierten Verwandten eine vorherige Zustimmung der Gemeinde erforderlich ist. Diese kann die Gemeinde nicht willkürlich verweigern, sie dient aber der Kontrolle, ob die Förderungszwecke eingehalten werden. Eine vollständige Überlassung der Wohnung an Dritte - auch an engste Familienangehörige - ohne diese Zustimmung verstößt gegen die Nutzungsbindung.

Die Entscheidung: Wiederkaufsrecht rechtmäßig ausgeübt

Klarer Verstoß gegen Vertragspflichten

Der BGH stellte fest, dass der Käufer eindeutig gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstoßen hatte. Durch den Auszug aus der Wohnung und die Überlassung an den Schwager ohne vorherige Zustimmung hatte er sowohl die Nutzungspflicht als auch das Veräußerungsverbot verletzt.

Ermessensspielraum der Gemeinde

Bei der Entscheidung, ob sie das Wiederkaufsrecht ausübt, hat die Gemeinde einen Ermessensspielraum. Sie muss prüfen, ob die Ausübung verhältnismäßig ist und keine vermeidbare Härte darstellt. Dabei sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen, etwa die Schwere des Verstoßes, die bereits abgelaufene Bindungszeit und die persönlichen Umstände des Käufers.

Kein Ermessensfehler feststellbar

Das Gericht konnte keinen Ermessensfehler der Gemeinde erkennen. Der Verstoß sei nicht geringfügig gewesen, zumal der Käufer die Wohnung vollständig aufgegeben und an eine nicht privilegierte Person überlassen hatte. Die Tatsache, dass bereits zwei Drittel der Bindungszeit abgelaufen waren, führe nicht zur Unverhältnismäßigkeit, da dies bereits durch die entsprechende Erhöhung des Wiederkaufspreises berücksichtigt werde.

Keine Pflicht zur milderen Alternative

Das Berufungsgericht hatte noch gemeint, die Gemeinde hätte statt des Wiederkaufs lediglich eine Nachzahlung verlangen müssen. Diese Ansicht verwarf der BGH. Beide Sanktionen stehen gleichberechtigt nebeneinander, die Gemeinde kann nach ihrem Ermessen wählen. Das Wiederkaufsrecht ist nicht nur als ultima ratio vorgesehen.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Strikte Einhaltung der Nutzungsauflagen

Wer eine Immobilie über ein Einheimischenmodell erwirbt, sollte die Nutzungsbindung sehr ernst nehmen. Schon ein zeitweiser Auszug kann zum Verlust des Eigentums führen, selbst wenn die Wohnung nur an nahestehende Personen überlassen wird. Die Verwandtschaftsbeziehung allein schützt nicht vor Sanktionen.

Zustimmung rechtzeitig einholen

Bei geplanten Veränderungen der Nutzungssituation sollten Eigentümer unbedingt vorab die schriftliche Zustimmung der Gemeinde einholen. Dies gilt auch für die Aufnahme von Familienangehörigen oder temporäre Überlassungen. Die Gemeinde kann die Zustimmung bei berechtigten Gründen meist nicht verweigern, aber das Verfahren muss eingehalten werden.

Finanzielle Konsequenzen bedenken

Beim Wiederkauf erhalten Eigentümer zwar einen festgelegten Preis, der meist über dem ursprünglich gezahlten Kaufpreis liegt. Dennoch können erhebliche finanzielle Verluste entstehen, insbesondere wenn zwischenzeitlich Renovierungen oder Verbesserungen vorgenommen wurden. Die Wertsteigerung der Immobilie kommt nur anteilig dem Eigentümer zugute.

Beratung bei Unsicherheiten

Bei Unsicherheiten über die Auslegung der Nutzungsbindung sollten Eigentümer frühzeitig rechtlichen Rat einholen. Oft lassen sich Konflikte durch rechtzeitige Kommunikation mit der Gemeinde vermeiden. Eine nachträgliche "Heilung" von Vertragsverstößen ist dagegen meist nicht möglich.

Übertragbarkeit auf andere Fördermodelle

Die Grundsätze des Urteils gelten nicht nur für Einheimischenmodelle, sondern auch für andere Formen des geförderten Wohnungsbaus. Überall dort, wo öffentliche Mittel für vergünstigten Wohnraum eingesetzt werden, bestehen ähnliche Nutzungsbindungen mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten.

Ausblick: Strenge Kontrolle bleibt

Das Urteil zeigt, dass die Gerichte die Zweckbindung bei geförderten Immobilien ernst nehmen. Käufer sollten sich bewusst machen, dass sie mit dem vergünstigten Erwerb auch langfristige Verpflichtungen eingehen. Die Gemeinden haben wirksame Instrumente, um die Einhaltung der Förderungszwecke zu überwachen und durchzusetzen.

Gleichzeitig verdeutlicht die Entscheidung, dass die Ausübung von Wiederkaufsrechten nicht willkürlich erfolgen darf. Die Gemeinden müssen ihre Ermessensentscheidung sorgfältig abwägen und die Verhältnismäßigkeit wahren. Dies bietet Eigentümern einen gewissen Schutz vor überzogenen Sanktionen.

Quelle: BGH, Urteil vom 23.05.2025, Az.: V ZR 259/23

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