Ausbau im Dachgeschoss – Wer trägt die Kosten für zusätzliche Brandschutzmaßnahmen?


Der Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall war der Kläger Miteigentümer und Sondereigentümer zweier Dachgeschosseinheiten in einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Teilungserklärung vom Dezember 2005 räumte ihm das Recht ein, diese Einheiten zu Wohnungen auszubauen. Dabei durfte er umfangreiche bauliche Maßnahmen vornehmen, wie etwa die Dachhaut anheben, Dacheinschnitte oder Gauben einbauen.
Ausdrücklich wurde in der Teilungserklärung festgehalten:
"Die übrigen Miteigentümer stimmen den vorgenannten baulichen Maßnahmen bereits jetzt zu. Sie sind verpflichtet, die durch die Baumaßnahme beigefügten Unannehmlichkeiten ohne Ausgleichsverpflichtung zu dulden."
Im März 2018 erhielt der Kläger die Baugenehmigung zum Ausbau. Da das Gebäude durch den Ausbau in die Gebäudeklasse 4 einzuordnen war, wurden mehrere Brandschutzauflagen erteilt. Die Kosten für diese zusätzlichen Brandschutzmaßnahmen beliefen sich laut einem Gutachten auf über 620.000 Euro.
In einer Eigentümerversammlung vom Juli 2021 wurde mehrheitlich beschlossen, dass die Eigentümer der Dachgeschosseinheiten allein die Kosten tragen müssen, die durch die notwendig gewordenen Brandschutzmaßnahmen entstanden sind oder noch entstehen werden.
Die Streitpunkte
Der Kläger fechtet diesen Beschluss an und argumentiert:
- Der Beschluss sei nicht ausreichend bestimmt (unklar, welche Dachausbauten, Brandschutzmaßnahmen und Kosten konkret gemeint seien)
- Es fehle an der Beschlusskompetenz für eine vom Gesetz abweichende Kostenverteilung
- Der Beschluss entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da der Ausbau bereits in der Teilungserklärung vorgesehen war
Das Amtsgericht gab dem Kläger zunächst Recht und erklärte den Beschluss für ungültig. Es nahm eine ergänzende Vertragsauslegung vor und differenzierte zwischen Kosten, die allein den Ausbauberechtigten zugutekommen, und solchen, die allen Eigentümern in Form eines besseren Brandschutzes zugutekommen.
Die Eigentümergemeinschaft legte Berufung ein und verwies darauf, dass die Regelung in der Teilungserklärung unwirksam sei und der Brandschutz nicht allen Eigentümern zugutekäme.
Die Entscheidung des Landgerichts
Das Landgericht Saarbrücken hob das Urteil des Amtsgerichts auf und wies die Klage ab. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung:
- Keine Regelung zur Kostentragung in der Teilungserklärung: Die Teilungserklärung enthält keine ausdrückliche Regelung zu den Kosten des Ausbaus. Der Zusatz, dass die übrigen Eigentümer die Unannehmlichkeiten "ohne Ausgleichsverpflichtung" dulden müssen, bedeutet nicht, dass sich die Gemeinschaft an den Kosten beteiligen muss – im Gegenteil: Dieser Passus schließt lediglich Gegenansprüche der übrigen Eigentümer wegen der Unannehmlichkeiten des Ausbaus aus.
- Keine ergänzende Vertragsauslegung möglich: Anders als das Amtsgericht sieht das Landgericht keinen Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung. Es gibt keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür, dass eine Lücke der Teilungserklärung im Sinne einer Kostenbeteiligung aller Eigentümer zu schließen wäre.
- Gesetzliche Regelung spricht für Kostentragung durch Ausbauberechtigten: Nach § 21 Abs. 1 WEG hat der Ausbauberechtigte die Kosten der gestatteten baulichen Veränderung zu tragen. Dies umfasst alle Kosten, die kausal auf die bauliche Veränderung zurückzuführen sind – auch Folgekosten und "Vorbereitungskosten". Ausgenommen sind nur "Sowieso-Kosten", die auch ohne die bauliche Veränderung in gleicher Form entstanden wären.
- Kein Erstherstellungsanspruch: Die Einräumung eines Ausbaurechts bedeutet nicht automatisch, dass der Ausbau zum "Sollzustand" der Anlage gehört. Bei dem Ausbau handelt es sich nicht um die erstmalige Herstellung des Gemeinschaftseigentums, sondern um eine nachträgliche bauliche Veränderung.
- Hinreichende Bestimmtheit des Beschlusses: Der angefochtene Beschluss ist ausreichend bestimmt. Es ist klar erkennbar, dass alle durch den Ausbau bedingten zusätzlichen Brandschutzmaßnahmen der alleinigen Kostenlast der ausbauberechtigten Eigentümer unterfallen. Brandschutzmaßnahmen, die den Gebäuden in ihrem bisherigen Bestand geschuldet sind, werden von dieser Regelung nicht erfasst.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Wohnungseigentümer ein Ausbaurecht für Ihre Dachgeschosseinheit haben, sollten Sie die Kostenfolgen vor Beginn der Baumaßnahmen sorgfältig prüfen:
- Prüfen Sie die Teilungserklärung genau: Enthält sie konkrete Regelungen zur Kostentragung? Ohne ausdrückliche Regelung müssen Sie als Ausbauberechtigter grundsätzlich alle Kosten selbst tragen.
- Kalkulieren Sie Folgekosten ein: Zusätzliche Auflagen wie Brandschutzmaßnahmen können erhebliche Kosten verursachen. Diese müssen Sie als Bauherr in der Regel selbst tragen, wenn sie kausal mit Ihrem Ausbau zusammenhängen.
- Unterscheiden Sie zwischen verschiedenen Kostenarten: Bei "Sowieso-Kosten", die auch ohne Ihren Ausbau entstanden wären, kann eine Kostenbeteiligung der Gemeinschaft in Betracht kommen.
- Vereinbaren Sie im Vorfeld die Kostenverteilung: Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, vor Beginn der Baumaßnahmen eine klare Vereinbarung über die Kostenverteilung mit der Eigentümergemeinschaft zu treffen.
- Berücksichtigen Sie die aktuelle Rechtslage: Nach § 21 WEG trägt derjenige, der eine bauliche Veränderung vornimmt, grundsätzlich alle damit verbundenen Kosten – dieser Grundsatz gilt auch für Altvereinbarungen aus der Zeit vor dem 01.12.2020.
Das Urteil zeigt: Ein in der Teilungserklärung eingeräumtes Ausbaurecht bedeutet nicht automatisch, dass die Eigentümergemeinschaft sich an den Kosten beteiligen muss. Im Zweifelsfall tragen Sie als Ausbauberechtigter alle Kosten, die kausal mit Ihrem Bauvorhaben zusammenhängen – auch wenn diese in die Hunderttausende gehen können.
Quelle: LG Saarbrücken (5. Zivilkammer), Urteil vom 20.09.2024 – 5 S 4/23
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