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WEG: Verwalter darf Sachverständige auswählen

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Eine Wohnungseigentümergemeinschaft kann die Auswahl eines Sachverständigen an den Verwalter übertragen, selbst wenn bereits konkrete Angebote vorliegen. Auch Vertretungsregeln in der Teilungserklärung sind weitgehend zulässig.
Eigentümerversammlung: eine junge Frau präsentiert Unterlagen
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Streitfall in der Münchner Wohnanlage

In einer Münchner Wohnungseigentümergemeinschaft kam es seit mehreren Jahren immer wieder zu Wasserschäden in einem Kellerbereich. Nach einem langwierigen Rechtsstreit hatte das Landgericht München der Gemeinschaft aufgegeben, einen Sachverständigen mit der Ursachenforschung zu beauftragen. Ein betroffener Eigentümer wurde dabei sogar ermächtigt, selbst tätig zu werden.

Der Eigentümer handelte prompt und holte vier Angebote von verschiedenen Sachverständigenbüros ein. Diese reichte er vor der anstehenden Eigentümerversammlung bei der Hausverwaltung ein. Damit, so dachte er, könne die Gemeinschaft in der Versammlung direkt eine Entscheidung treffen und einen der Sachverständigen beauftragen.

Die überraschende Wendung in der Versammlung

Doch es kam anders als erwartet. In der Eigentümerversammlung beschloss die Gemeinschaft, keines der vorgelegten Angebote anzunehmen. Stattdessen übertrug sie die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen komplett an die Hausverwaltung. Diese sollte eigenständig einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen auswählen und beauftragen. Die Gemeinschaft stellte dafür ein Budget bereit, das auch notwendige Handwerkerleistungen umfassen sollte.

Der betroffene Eigentümer konnte an der Versammlung nicht einmal persönlich teilnehmen. Er hatte einen Bevollmächtigten geschickt, doch dieser wurde nicht zugelassen. Der Grund lag in der Teilungserklärung der Gemeinschaft. Dort war festgelegt, dass sich ein verhinderter Eigentümer nur durch seinen Ehegatten, einen anderen Eigentümer oder den Verwalter vertreten lassen kann. Der Bevollmächtigte gehörte zu keiner dieser Gruppen, weshalb ihm die Teilnahme verwehrt wurde.

Klage gegen den Beschluss

Der Eigentümer sah seine Rechte verletzt und erhob Klage gegen den Beschluss. Seine Argumentation war nachvollziehbar: Er hatte sich Mühe gegeben, mehrere Angebote einzuholen, wie es die Rechtsprechung bei größeren Aufträgen fordert. Die Gemeinschaft hätte direkt in der Versammlung entscheiden können. Außerdem kritisierte er die Vertretungsregelung in der Teilungserklärung, durch die er faktisch von der Teilnahme ausgeschlossen wurde.

Sein Hauptargument lautete, dass die Übertragung der Auswahlentscheidung an den Verwalter nicht zulässig sei, wenn bereits mehrere Vergleichsangebote vorliegen. Die Rechtsprechung verlange bei erheblichen Aufträgen ja gerade, dass die Eigentümer zwischen verschiedenen Angeboten wählen können. Diese Möglichkeit werde durch die Übertragung an den Verwalter ausgehebelt.

Das Gericht weist die Klage ab

Das Amtsgericht München sah die Sache anders und wies die Klage vollständig ab. Die Richter begründeten ihre Entscheidung ausführlich und gingen dabei auf beide strittigen Punkte ein.

Zur Übertragung der Auswahlkompetenz an den Verwalter stellte das Gericht klar: Nach dem Wohnungseigentumsgesetz können die Eigentümer dem Verwalter durch Beschluss weitreichende Kompetenzen übertragen. Dies umfasst grundsätzlich alle Angelegenheiten, über die die Gemeinschaft beschließen kann. Das Gesetz sieht hier keine Einschränkungen vor.

Die Richter räumten ein, dass der Einwand des Klägers durchaus nachvollziehbar sei. Schließlich hätten ja bereits mehrere Angebote vorgelegen, sodass eine sofortige Entscheidung möglich gewesen wäre. Dennoch entspreche die Übertragung an den Verwalter der gesetzlichen Regelung, die bewusst keine Grenzen ziehe.

Verwalter hat weitreichende Befugnisse

Das Gericht verwies darauf, dass Wohnungseigentümer dem Verwalter sogar die Entscheidung über umfangreichere Erhaltungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum übertragen können. Dabei würden oft deutlich höhere Summen im Spiel sein als bei der Beauftragung eines Sachverständigen. Die Eigentümer können dem Verwalter dabei Budget-Obergrenzen vorgeben, was im konkreten Fall auch geschehen war.

Eine künstliche Begrenzung der Übertragungsmöglichkeiten auf Maßnahmen unterhalb einer bestimmten Schwelle entspreche nicht dem Gesetz, so die Richter. Das Wohnungseigentumsgesetz sehe eine solche Einschränkung gerade nicht vor.

Wichtig war dem Gericht aber die Klarstellung: Die Übertragung von Kompetenzen an den Verwalter bedeute für diesen keinen Freibrief. Auch der Verwalter bleibe bei der Ausführung seiner Aufgaben an die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gebunden. Sein Handeln könne später an diesen Maßstäben gemessen werden. Wählt der Verwalter beispielsweise einen unangemessen teuren Sachverständigen aus oder überschreitet er das vorgegebene Budget ohne Not, könnte dies seine Pflichten verletzen.

Vertretungsregelungen sind zulässig

Auch zur Vertretungsregelung in der Teilungserklärung äußerte sich das Gericht eindeutig. Die Beschränkung auf Ehegatten, andere Eigentümer oder den Verwalter als mögliche Vertreter sei zulässig. Der Eigentümer werde dadurch nicht unzulässig in seinen Rechten eingeschränkt.

Das Gericht verwies auf eine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer vergleichbaren Klausel. Solche Regelungen dienten dazu, die Eigentümerversammlungen von gemeinschaftsfremden Einwirkungen freizuhalten. Der betroffene Eigentümer habe ja durchaus Möglichkeiten gehabt, sein Stimmrecht auszuüben. Er hätte beispielsweise der Hausverwaltung eine gebundene Vollmacht erteilen können, in der genau festgelegt ist, wie abzustimmen sei.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil zeigt die weitreichenden Möglichkeiten auf, die Wohnungseigentümergemeinschaften bei der Delegation von Aufgaben haben. Eigentümer müssen akzeptieren, dass die Gemeinschaft dem Verwalter auch dann Entscheidungsbefugnisse übertragen kann, wenn bereits Entscheidungsgrundlagen vorliegen. Dies gilt selbst dann, wenn einzelne Eigentümer sich bereits um Angebote bemüht haben.

Für Eigentümer bedeutet dies: Wer erreichen möchte, dass ein bestimmtes Angebot beauftragt wird, muss in der Versammlung eine Mehrheit für dieses konkrete Angebot finden. Die bloße Vorlage mehrerer Angebote reicht nicht aus, um eine Delegation an den Verwalter zu verhindern.

Praktisch wichtig ist die Bestätigung, dass auch der Verwalter an die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gebunden bleibt. Eigentümer sollten daher im Beschluss möglichst konkrete Vorgaben machen: Welche Qualifikation soll der Sachverständige haben? Welches Budget darf nicht überschritten werden? Welche Kriterien sind bei der Auswahl wichtig? Je genauer die Vorgaben, desto besser kann später überprüft werden, ob der Verwalter ordnungsgemäß gehandelt hat.

Zur Vertretung in Eigentümerversammlungen gilt: Regelungen in der Teilungserklärung, die den Kreis möglicher Vertreter einschränken, sind grundsätzlich wirksam. Eigentümer sollten solche Klauseln bereits beim Erwerb einer Wohnung beachten. Wer regelmäßig verhindert ist und sich nicht von Ehegatten oder anderen Eigentümern vertreten lassen kann, sollte die Möglichkeit gebundener Vollmachten nutzen. Dabei wird dem Verwalter oder einem anderen zulässigen Vertreter genau vorgegeben, wie abzustimmen ist.

Das Urteil verdeutlicht auch die Bedeutung einer guten Kommunikation in der Eigentümergemeinschaft. Im konkreten Fall hatte die Gemeinschaft das Thema bereits in mehreren Versammlungen diskutiert. Alle Eigentümer kannten die Sachlage. In einer solchen Situation kann es für die Gemeinschaft durchaus sinnvoll sein, die weitere Abwicklung an den Verwalter zu delegieren, statt in der Versammlung über Details zu streiten.

Für die Praxis bedeutet das Urteil letztlich: Wohnungseigentümergemeinschaften haben großen Gestaltungsspielraum bei der Organisation ihrer Angelegenheiten. Sie können Aufgaben an den Verwalter delegieren und dabei selbst bestimmen, wie eng sie dessen Handeln durch Vorgaben begrenzen wollen. Eigentümer, die mit Entscheidungen nicht einverstanden sind, müssen in der Versammlung für ihre Position werben oder später nachweisen, dass der Beschluss oder dessen Ausführung nicht ordnungsgemäß war.

Grundsätze des Urteils

  • Eigentümergemeinschaft kann Verwalter durch Beschluss mit weitreichenden Kompetenzen ausstatten, grundsätzlich alle beschlussfähigen Angelegenheiten übertragbar
  • Delegation der Sachverständigenauswahl an Verwalter zulässig, auch wenn bereits mehrere Vergleichsangebote vorliegen
  • WEG sieht keine Begrenzung der Übertragungsmöglichkeiten auf Maßnahmen unterhalb bestimmter Schwelle vor
  • Verwalter bleibt trotz Kompetenzübertragung an Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung gebunden; Handeln kann später geprüft werden
  • Vertretungsregelungen in Teilungserklärung, die Vertreterkreis beschränken (nur Ehegatte, andere Eigentümer, Verwalter), sind zulässig

Quelle: AG München, Urteil vom 12.06.2024, Az. 1295 C 19264/23 WEG, Fundstelle: ZMR 2025, 75

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