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WEG-Recht: Mehrheitsentscheidungen bei Kostenverteilung

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Die jüngsten Urteile des Bundesgerichtshofs geben Wohnungseigentümern mehr Spielraum bei der Änderung von Kostenverteilungen – aber mit klaren Grenzen.
Versammlung
Bild von Tung Lam auf Pixabay

Einleitung: Neuer Spielraum bei der Kostenverteilung

Wenn Sie in einer Eigentumswohnung leben, kennen Sie vermutlich die Diskussionen über die Verteilung von Kosten in der Eigentümergemeinschaft. Wer zahlt wie viel für die Sanierung des Dachs? Wie werden die Kosten für die Tiefgarage verteilt? Mit zwei wegweisenden Urteilen vom 14. Februar 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun wichtige Klarstellungen zum reformierten Wohnungseigentumsrecht geschaffen. Die Entscheidungen betreffen die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss von einer vereinbarten Kostenverteilung abweichen können.

Fall 1: Wer zahlt für die Tiefgarage?

Der Sachverhalt

In der ersten Entscheidung (V ZR 236/23) ging es um eine Wohnanlage mit einer Tiefgarage, die 15 Stellplätze umfasst. Nach der Gemeinschaftsordnung aus dem Jahr 1971 war die Nutzung der Stellplätze ausschließlich bestimmten Wohneinheiten zugeordnet. Zudem war festgelegt, dass die Kosten für die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums in und an der Garagenhalle ausschließlich von diesen Wohneinheiten zu tragen sind.

Im April 2022 beschlossen die Wohnungseigentümer, das Dach der Garage sanieren zu lassen und die Kosten auf sämtliche Wohnungseigentümer nach ihren Miteigentumsanteilen umzulegen – also auch auf jene Eigentümer, die keinen Stellplatz besaßen. Eine betroffene Eigentümerin ohne Stellplatz wehrte sich mit einer Anfechtungsklage gegen diesen Beschluss.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hat nun klargestellt, dass die Wohnungseigentümer grundsätzlich die Kompetenz haben, durch Mehrheitsbeschluss von der vereinbarten Kostenverteilung abzuweichen – und zwar auch dann, wenn dadurch der Kreis der Kostenschuldner erweitert wird. Dies ist eine wichtige Neuerung des seit Dezember 2020 geltenden reformierten Wohnungseigentumsrechts.

Aber Vorsicht: Der BGH hat gleichzeitig hohe Hürden für solche Beschlüsse aufgestellt. Bei einer vereinbarten objektbezogenen Kostentrennung (wie hier zwischen Wohngebäude und Tiefgarage) entspricht es in der Regel nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, auch die übrigen Wohnungseigentümer an den Kosten zu beteiligen.

"In typisierender Betrachtung ist davon auszugehen, dass die vereinbarte Kostentrennung für die konkrete Anlage grundsätzlich angemessen ist."

Der BGH begründet dies damit, dass eine objektbezogene Kostentrennung regelmäßig deshalb vereinbart wird, weil sich Gebrauch bzw. Gebrauchsmöglichkeiten besonders stark unterscheiden. Es bedarf daher eines sachlichen Grundes, um von dieser Vereinbarung abzuweichen.

Als mögliche sachliche Gründe nennt der BGH:

  • Wenn die Kosten der Beseitigung von Schäden dienen, die vom übrigen Gemeinschaftseigentum außerhalb der Tiefgarage herrühren
  • Wenn sich das Problem auf die gesamte Anlage erstreckt und aus diesem Grund eine Gesamtsanierung unter Beteiligung aller Wohnungseigentümer beschlossen wird

Die bloße Tatsache, dass die Tiefgarage auch für die Statik des Gebäudes wichtig ist, reicht hingegen nicht als sachlicher Grund aus.

Fall 2: Änderung des Verteilungsschlüssels zwischen Wohn- und Gewerbeeinheiten

Der Sachverhalt

Im zweiten Fall (V ZR 128/23) ging es um eine Wohnanlage mit 30 Wohneinheiten und mehreren Gewerbeeinheiten sowie 25 Garagen/Stellplätzen. Nach der Teilungserklärung von 1984 sollten öffentliche Abgaben, Betriebskosten und Instandsetzungskosten nach Miteigentumsanteilen getragen werden. Nur für die Heizungskosten war eine Umlage nach dem Verhältnis der beheizten Flächen vorgesehen.

Auffällig war dabei, dass die Miteigentumsanteile bei den Wohnungen bezogen auf die Grundfläche etwa viermal größer waren als bei den Gewerbeeinheiten. In einer Eigentümerversammlung 2021 wurde beschlossen, die bisher nach Miteigentumsanteilen umgelegten Kosten künftig nach der beheizbaren Wohnfläche zu verteilen. Dagegen klagten die Eigentümer der Gewerbeeinheiten.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte die Rechtmäßigkeit des Beschlusses. Er stellte klar, dass nach dem neuen Wohnungseigentumsrecht die Kompetenz zur Änderung des Verteilungsschlüssels auch für die Zuführung zu Rücklagen besteht – anders als nach dem alten Recht.

Wichtig ist die Klarstellung des BGH, dass die Formulierung "bestimmte Arten von Kosten" in § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG lediglich das allgemeine Bestimmtheitserfordernis hervorhebt und keine darüber hinausgehenden Anforderungen begründet.

Für die Frage, ob ein solcher Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, gelten die gleichen Grundsätze wie nach altem Recht: Die Änderung einer vereinbarten Kostenverteilung, die bestimmte Wohnungseigentümer privilegiert, ist zulässig, wenn es für diese Privilegierung keinen sachlichen Grund gibt.

Im konkreten Fall war der Beschluss rechtmäßig, weil die Gewerbeeinheiten gemessen an ihrer Fläche nur mit etwa einem Viertel an den Kosten beteiligt wurden und für diese Privilegierung kein sachlicher Grund bestand.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Die Entscheidungen des BGH haben wichtige praktische Auswirkungen für alle Wohnungseigentümer:

  1. Mehr Flexibilität: Wohnungseigentümergemeinschaften haben unter dem neuen Recht mehr Möglichkeiten, durch Mehrheitsbeschluss von vereinbarten Kostenverteilungen abzuweichen.
  2. Schutz vor ungerechten Belastungen: Gleichzeitig hat der BGH Grenzen gesetzt, um zu verhindern, dass Eigentümer unbillig mit Kosten belastet werden, die mit ihrer Nutzung nichts zu tun haben.
  3. Handlungsanleitung für Wohnungseigentümer:
    • Prüfen Sie die Gemeinschaftsordnung/Teilungserklärung: Welche Regelungen zur Kostenverteilung sind dort getroffen?
    • Bei geplanten Änderungen der Kostenverteilung: Gibt es sachliche Gründe, die eine Abweichung rechtfertigen?
    • Als betroffener Eigentümer: Achten Sie auf die einmonatige Anfechtungsfrist, wenn Sie mit einem Beschluss nicht einverstanden sind!
  4. Bedeutung für Rücklagen: Die Beschlusskompetenz erstreckt sich auch auf die Änderung des Verteilungsschlüssels für Rücklagen.
  5. Beseitigung von Privilegierungen: Ein wichtiger sachlicher Grund für die Änderung einer vereinbarten Kostenverteilung kann sein, dass bestimmte Eigentümer ungerechtfertigt privilegiert werden.

Diese Urteile zeigen: Das reformierte Wohnungseigentumsrecht gibt den Gemeinschaften mehr Spielraum für praktische Lösungen durch Mehrheitsbeschlüsse. Gleichzeitig setzt der BGH diesem Spielraum aber auch Grenzen, um die Interessen einzelner Eigentümer zu schützen. Bei Unklarheiten sollten Sie sich rechtlich beraten lassen, um Ihre Rechte als Wohnungseigentümer optimal wahrnehmen zu können.

Quelle: Urteile des Bundesgerichtshofs vom 14. Februar 2025 - V ZR 236/23 und V ZR 128/23

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