WEG: Gericht stoppt unfaire Kostenverteilung bei Tiefgaragensanierung


Der Fall: Streit um Millionensanierung im Olympischen Dorf
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft im Münchner Olympischen Dorf stand eine umfassende Sanierung der zweigeschossigen Tiefgarage an. Die Anlage aus dem Jahr 1972 wies erhebliche Schäden auf: Betonabplatzungen, korrodierte Bewehrung und undichte Dehnfugen machten eine Instandsetzung unumgänglich.
Die Gemeinschaft umfasst 63 Wohnungen und 105 Tiefgaragenstellplätze. Während die Wohnungseigentümer über rund 95 Prozent der Miteigentumsanteile verfügen, halten die Tiefgarageneigentümer nur etwa 5 Prozent der Anteile. Diese ungleiche Verteilung wurde zum Kern des Rechtsstreits.
Beschlossene Kostenverteilung sorgt für Aufruhr
In der Eigentümerversammlung fasste die Mehrheit mehrere brisante Beschlüsse zur Finanzierung der Sanierung:
Die Kosten sollten nicht mehr nach den üblichen Miteigentumsanteilen verteilt werden, sondern nach einem neuen Schema: 80 Prozent der Sanierungskosten sollten allein die Tiefgarageneigentümer tragen, nur 20 Prozent alle Eigentümer gemeinsam.
Diese Änderung führte zu einer dramatischen Kostenerhöhung für die Stellplatzbesitzer. Statt wie bisher nur entsprechend ihrer geringen Miteigentumsanteile beteiligt zu werden, sollten sie nun den Hauptteil der Millionensanierung stemmen.
Zusätzlich beschloss die Versammlung, bereits erhobene Sonderumlagen rückwirkend nach dem neuen Schlüssel umzuverteilen. Geld, das bereits nach dem alten System eingezahlt worden war, sollte neu aufgeteilt werden.
Rechtliche Streitpunkte: Fairness gegen Mehrheitsmacht
Die betroffenen Tiefgarageneigentümer sahen sich ungerecht behandelt und gingen vor Gericht. Sie brachten mehrere schwerwiegende Einwände vor:
Die Kläger argumentierten, dass für die drastische Änderung der Kostenverteilung keine ausreichenden sachlichen Gründe vorlagen. Weder im Einladungsschreiben noch im Protokoll fanden sich Erklärungen, warum die neue Verteilung gerecht sein sollte.
Entscheidend war der Einwand, dass die Tiefgarage nicht ausschließlich von den Stellplatzeignern genutzt wird. Die Anlage dient auch als Zufahrt für alle Bewohner, Besucher und Handwerker. Durchgänge zu den Wohnbereichen ermöglichen allen Eigentümern die Nutzung der Tiefgarage.
Mit nur 5 Prozent der Stimmen können die Tiefgarageneigentümer bei Abstimmungen regelmäßig überstimmt werden. Die Kläger sahen darin eine unzulässige Ausnutzung der Mehrheitsverhältnisse zu Lasten der Minderheit.
Die gewählte Aufteilung von 80 zu 20 Prozent erschien willkürlich gewählt. Unklar blieb, wie diese Quote zustande kam und ob sie den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen entspricht.
Gerichtsentscheidung: Kostenverteilung rechtswidrig
Das Landgericht München I gab den Tiefgarageneigentümern größtenteils Recht und erklärte die Beschlüsse zur Kostenverteilung für ungültig.
Das Gericht bestätigte ausdrücklich, dass die Sanierung der Tiefgarage grundsätzlich notwendig und berechtigt ist. Der Beschluss zur Durchführung der Baumaßnahmen blieb daher gültig.
Die neue Kostenaufteilung bewertete das Gericht jedoch als willkürlich und rechtswidrig. Mehrere Gründe führten zu dieser Entscheidung:
Gebrauch nicht sachgerecht berücksichtigt: Die Richter stellten fest, dass die Tiefgarage auch von Wohnungseigentümern, Besuchern und Dritten genutzt wird. Eine ausschließliche Kostenzuweisung an die Stellplatzbesitzer entspricht daher nicht den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen.
Fehlende Transparenz bei der Kostenaufteilung: Da noch unklar war, welche Anteile der Sanierung tragende Bauteile, Brandschutz oder Belüftung betreffen, konnte keine sachgerechte Kostenverteilung vorgenommen werden.
Unberücksichtigte Einnahmen: Während die Kosten einseitig auf die Tiefgarageneigentümer verlagert wurden, bleiben die Einnahmen aus der Stellplatzvermietung bei der Gesamtgemeinschaft.
Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsatz
Das Gericht sah einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die drastische Kostenverschiebung benachteiligt die Tiefgarageneigentümer ohne ausreichende sachliche Rechtfertigung.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Neue Kostenverteilung ist möglich, aber nicht beliebig
Das Urteil zeigt: Seit der Wohnungseigentumsmodernisierung können Eigentümergemeinschaften flexibler über Kostenverteilungen entscheiden. Eine völlig freie Gestaltung ist jedoch nicht zulässig.
Gebrauch und Nutzen müssen berücksichtigt werden
Wer von einer Anlage oder Maßnahme profitiert, soll auch entsprechend an den Kosten beteiligt werden. Pauschale Kostenverschiebungen ohne Sachbezug sind unzulässig.
Mehrheit darf Minderheit nicht willkürlich belasten
Auch bei demokratischen Mehrheitsentscheidungen müssen die Interessen von Minderheiten gewahrt bleiben. Eine Ausnutzung von Stimmverhältnissen zu eigenen Gunsten ist rechtsmissbräuchlich.
Transparenz bei Beschlussfassung wichtig
Eigentümergemeinschaften sollten die Gründe für Kostenumverteilungen nachvollziehbar dokumentieren. Willkürlich erscheinende Prozentsätze ohne Begründung sind angreifbar.
Frühzeitige Rechtsberatung empfehlenswert
Bei geplanten Kostenumverteilungen sollten Gemeinschaften vorab prüfen lassen, ob die Regelung rechtlich haltbar ist. Beschlussanfechtungen können jahrelange Verfahren nach sich ziehen.
Praktische Handlungsempfehlungen
Für Verwaltungen und Beiräte: Dokumentieren Sie nachvollziehbar, warum eine bestimmte Kostenverteilung sachgerecht ist. Berücksichtigen Sie dabei tatsächliche Nutzungsverhältnisse und Interessenlagen.
Für betroffene Eigentümer: Prüfen Sie zeitnah, ob Beschlüsse zur Kostenverteilung angreifbar sind. Die Anfechtungsfrist beträgt nur einen Monat nach Zugang des Protokolls.
Für alle Beteiligten: Suchen Sie das Gespräch und versuchen Sie, einvernehmliche Lösungen zu finden. Gerichtsverfahren sind kostspielig und langwierig.
Ausblick: Rechtsprechung noch nicht gefestigt
Das Urteil des Landgerichts München I zeigt die Grenzen der neuen Gestaltungsfreiheit bei Kostenverteilungen auf. Da die Rechtsprechung zu den 2020 eingeführten Regelungen noch nicht vollständig gefestigt ist, dürften weitere Grundsatzentscheidungen folgen.
Die Revision wurde zugelassen, sodass der Bundesgerichtshof möglicherweise klarstellende Leitlinien entwickeln wird. Bis dahin sollten Eigentümergemeinschaften bei Kostenumverteilungen besonders vorsichtig agieren und rechtlichen Rat einholen.
Das Urteil macht deutlich: Flexibilität ja, Willkür nein. Neue Kostenverteilungen müssen sachlich begründet und verhältnismäßig sein. Nur so lassen sich rechtssichere und faire Lösungen für alle Beteiligten finden.
Quelle: LG München I, Endurteil vom 09.01.2025 - 36 S 10132/23 WEG
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