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Vermieter darf Mieter-Auto nicht einfach abschleppen lassen

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Ein aktuelles Urteil zeigt die Grenzen der Selbsthilfe bei Falschparkern auf dem Vermietungsgrundstück und stärkt die Rechte von Mietern. Parkt der Mieter sein Auto auf nicht vermieteten Flächen des Vermietungsgrundstücks, darf der Vermieter das Fahrzeug nicht ohne weiteres abschleppen lassen. Das hat das Amtsgericht Bottrop in einem bemerkenswerten Urteil entschieden und damit einem Vermieter eine klare Absage erteilt, der über mehrere Monate hinweg Abschleppkosten von seinem Mieter zurückforderte.
Abschleppwagen, der gerade einen PKW an die Leine nimmt
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall aus Bottrop

Ein Hausbesitzer in Bottrop vermietete eine Wohnung samt Garage an seinen Mieter. Zusätzlich erhielt der Mieter von seinem Arbeitgeber einen Mercedes Sprinter als Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt. Das Problem: Der Mieter parkte den Transporter regelmäßig auf dem Grundstück des Vermieters, aber außerhalb der angemieteten Garagenfläche.

Die Situation eskalierte über mehrere Monate. Der Vermieter ließ das Fahrzeug insgesamt dreimal abschleppen. Beim ersten Mal am 2. Januar 2024 um 23:42 Uhr entstanden Kosten von über 333 Euro. Wenige Wochen später folgte ein zweiter Abschleppvorgang am 7. Februar 2024 am frühen Nachmittag mit Kosten von 357 Euro. Ein dritter Versuch am 25. Februar 2024 scheiterte, da der Mieter das Fahrzeug rechtzeitig entfernte - dennoch entstanden Anfahrtskosten von 119 Euro.

Vermieter fordert Schadenersatz

"Der Vermieter kann einen Mieter, der auf nicht mit vermieteten Flächen sein Auto abstellt, nicht ohne Weiteres abschleppen lassen."

Insgesamt summierte sich die Rechnung auf über 800 Euro. Der Vermieter forderte diese Summe nebst Zinsen und Anwaltskosten von seinem Mieter zurück. Seine Argumentation: Der Mieter habe vertragswidrig das Grundstück genutzt und ihm dadurch Schäden verursacht. Zudem störe das Fahrzeug seine Sicht aus dem Wohnzimmerfenster.

Das Amtsgericht Bottrop sah die Sache völlig anders. Die Richter wiesen die Klage vollständig ab und verurteilten den Vermieter zur Übernahme aller Verfahrenskosten.

Schikanöses Verhalten des Vermieters

Das Gericht stellte fest, dass der Vermieter das Fahrzeug in schikanöser Weise abschleppen ließ. Besonders kritisch bewerteten die Richter den ersten Abschleppvorgang mitten in der Nacht um 23:42 Uhr im Januar. Der Vermieter hatte angegeben, dass das Fahrzeug vor seinem Wohnzimmerfenster stehe und seine Sicht beeinträchtige. Das Gericht bezweifelte jedoch, dass bei völliger Dunkelheit im Januar eine tatsächliche Beeinträchtigung vorlag.

Die Richter stellten klar, dass zwischen Vermieter und Mieter aufgrund des bestehenden Mietvertrags besondere Rücksichtnahmepflichten bestehen. Diese unterscheiden die Situation erheblich von Fällen, in denen völlig fremde Personen auf privatem Grund parken.

Mietvertragliche Rücksichtnahmepflichten

"Vielmehr hätte es dem Vermieter im Rahmen seiner mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht oblegen, den Mieter zunächst hinsichtlich der vertragswidrigen Nutzung der Fläche abzumahnen."

Das Gericht betonte, dass aus dem Mietvertrag für beide Seiten wechselseitige Rücksichtnahmepflichten folgen. Der Vermieter hätte den Mieter zunächst schriftlich abmahnen oder zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordern müssen. Erst nach erfolgloser Abmahnung wären weitere rechtliche Schritte gerechtfertigt gewesen.

Stattdessen griff der Vermieter sofort zur Selbsthilfe und ließ das Fahrzeug ohne vorherige Warnung abschleppen. Dieses Vorgehen verstieß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben sowie gegen das Schikaneverbot des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

Besondere Umstände beim dritten Abschleppversuch

Besonders deutlich wurde das schikanöse Verhalten beim dritten Abschleppversuch am 25. Februar 2024. Zu diesem Zeitpunkt war der Mieter gerade dabei, aus der Wohnung auszuziehen. Ein Zeuge bestätigte vor Gericht, dass er dem Mieter beim Umzug geholfen und zu diesem Zweck Gegenstände in den Transporter geladen hatte.

Das Gericht stellte fest, dass der Vermieter den Mieter hätte ansprechen können, um das Fahrzeug entfernen zu lassen. Stattdessen beauftragte er direkt den Abschleppdienst. Nach Treu und Glauben durfte der Mieter davon ausgehen, das Fahrzeug für den Umzug auf dem Grundstück abstellen zu dürfen - zumal der Vermieter selbst ein Interesse an der zügigen Räumung der Wohnung hatte.

Keine Erstattung der Abschleppkosten

Die Richter machten deutlich, dass das Selbsthilferecht nicht unbegrenzt ist. Auch wenn der Mieter das Grundstück vertragswidrig nutzte, rechtfertigte dies nicht das sofortige Abschleppen ohne vorherige Abmahnung. Das Schikaneverbot und die Grundsätze von Treu und Glauben setzen der Selbsthilfe klare Grenzen.

Deshalb musste der Vermieter nicht nur auf die Erstattung der Abschleppkosten verzichten, sondern auch die gesamten Verfahrenskosten tragen. Auch die Kosten für die nachträglich aufgestellten Pfosten zur Absperrung des Grundstücks waren nicht erstattungsfähig, da sie den Zugang zur angemieteten Garage beeinträchtigten.

Grenzen der Selbsthilfe

Das Urteil zeigt die wichtigen Grenzen der Selbsthilfe auf. Grundsätzlich dürfen Grundstückseigentümer Falschparker abschleppen lassen. Bei bestehenden Vertragsverhältnissen gelten jedoch besondere Regeln. Die Parteien müssen aufeinander Rücksicht nehmen und sich an die Grundsätze von Treu und Glauben halten.

Ein sofortiges Abschleppen ist nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt, etwa bei akuter Gefahr oder wenn der Parksünder nicht erreichbar ist. Im Normalfall muss zunächst eine Abmahnung erfolgen. Erst wenn diese erfolglos bleibt, darf zur Selbsthilfe gegriffen werden.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Vermieter: Bevor Sie das Fahrzeug Ihres Mieters abschleppen lassen, mahnen Sie den Mieter schriftlich ab. Setzen Sie eine angemessene Frist zur Beseitigung der Vertragsverletzung. Dokumentieren Sie alle Schritte sorgfältig. Ein sofortiges Abschleppen ohne Vorwarnung kann als Schikane gewertet werden und zu erheblichen Kosten führen.

Für Mieter: Auch wenn Ihr Vermieter Sie nicht abmahnt, haben Sie kein Recht, nicht vermietete Flächen zu nutzen. Sprechen Sie mit Ihrem Vermieter über zusätzliche Parkmöglichkeiten oder mieten Sie eine weitere Stellfläche an. Bei ungerechtfertigten Abschleppvorgängen können Sie Schadenersatz fordern und müssen die Kosten nicht erstatten.

Für beide Seiten: Kommunikation ist der Schlüssel. Viele Konflikte lassen sich durch ein offenes Gespräch lösen, bevor sie eskalieren. Dokumentieren Sie alle Vereinbarungen schriftlich und halten Sie sich an die vertraglichen Pflichten.

Das Bottroper Urteil stärkt die Position von Mietern und macht deutlich, dass auch Vermieter nicht willkürlich handeln dürfen. Die mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten gelten für beide Seiten und begrenzen die Möglichkeiten der Selbsthilfe erheblich.


Quelle: AG Bottrop, Urteil vom 28.11.2024 - 8 C 126/24

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