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Untervermietung auch bei Einzimmerwohnungen möglich

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Der Bundesgerichtshof stärkt Mieterrechte: Auch Bewohner von Einzimmerwohnungen können unter bestimmten Voraussetzungen eine teilweise Untervermietung durchsetzen.
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Symbolbild: KI-generiertes Bild

Künstler will Wohnung während Auslandsaufenthalt untervermieten

Ein freischaffender Künstler aus Berlin stand vor einem klassischen Dilemma. Seit dem Jahr 2000 bewohnte er eine Einzimmerwohnung in der Hauptstadt. Als sich die Gelegenheit für einen beruflichen Auslandsaufenthalt in Moskau ergab, wollte er seine Wohnung nicht aufgeben, aber auch nicht die volle Miete während seiner Abwesenheit zahlen.

Seine Lösung: Eine teilweise Untervermietung für den Zeitraum von Juni 2021 bis November 2022. Der Künstler wandte sich bereits im März 2021 schriftlich an seine Vermieter und bat um die Gestattung der Untervermietung an eine namentlich benannte Person. Die monatliche Untermiete sollte 241 Euro betragen.

Die Vermieter lehnten das Ansinnen jedoch kategorisch ab. Ihre Begründung war simpel: Bei einer Einzimmerwohnung sei eine teilweise Untervermietung nicht möglich, da immer die gesamte Wohnung überlassen werden müsse.

Das clevere Konzept des Mieters

Der Künstler hatte sein Untervermietungskonzept durchdacht geplant. Er wollte keineswegs seine gesamte Wohnung an den Untermieter abgeben. Stattdessen behielt er sich bestimmte Bereiche vor:

  • Einen Schrank und eine Kommode für seine persönlichen Gegenstände
  • Einen etwa einen Quadratmeter großen Bereich am Ende des Flurs, der durch einen Vorhang abgetrennt und nur von ihm genutzt werden sollte
  • Einen eigenen Wohnungsschlüssel

Diese Vorkehrungen sollten deutlich machen, dass er weiterhin Gewahrsam an Teilen der Wohnung behielt und diese nicht vollständig an den Untermieter übertrug.

Der juristische Streit beginnt

Als die Vermieter die Erlaubnis verweigerten, klagte der Künstler im Mai 2021 auf Gestattung der Untervermietung "eines Teils der Wohnung". Wie angekündigt, hielt er sich während des strittigen Zeitraums im Ausland auf und lagerte seine persönlichen Gegenstände in den vorgesehenen, von ihm abgetrennten Bereichen.

Das Amtsgericht gab zunächst den Vermietern Recht und wies die Klage ab. Die Richter sahen bei einer Einzimmerwohnung keine Möglichkeit für eine nur teilweise Überlassung.

Die Wende kam in der Berufung: Das Landgericht Berlin entschied zugunsten des Künstlers und verurteilte die Vermieter zur Gestattung der teilweisen Untervermietung. Interessant dabei: Die Vermieter erklärten in zweiter Instanz sogar die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses, weil der Künstler ohne ihre Erlaubnis untervermietet hatte.

Die wegweisende BGH-Entscheidung

Der Bundesgerichtshof bestätigte im September 2023 die Entscheidung des Landgerichts und schuf damit einen wichtigen Grundsatz für das deutsche Mietrecht.

Kernpunkt der BGH-Rechtsprechung

Von einer Überlassung nur eines Teils des Wohnraums ist bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgibt. Diese Regel gilt grundsätzlich auch bei Einzimmerwohnungen.

Das Gericht stellte klar, dass das Gesetz weder quantitative noch qualitative Mindestanforderungen für den beim Mieter verbleibenden Wohnraumanteil aufstellt. Es kommt nicht darauf an, wie groß der zurückbehaltene Bereich ist oder ob er zum Übernachten geeignet ist.

Großzügiger Maßstab zum Schutz der Mieter

Der BGH betonte den mieterschützenden Zweck des Gesetzes. Die Vorschrift soll dem Mieter helfen, seine Wohnung zu erhalten, wenn nachträglich ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung entsteht. Daher sei ein "großzügiger Maßstab" anzulegen.

Entscheidend ist allein: Der Mieter darf nicht die gesamte Wohnung einem Dritten überlassen wollen. Solange er sich einen Teil - und sei er noch so klein - vorbehält und tatsächlich Gewahrsam daran ausübt, liegt eine zulässige Teilüberlassung vor.

Berechtigtes Interesse ist entscheidend

Neben der nur teilweisen Überlassung muss der Mieter ein berechtigtes Interesse nachweisen können. Dieses liegt vor, wenn vernünftige Gründe den Wunsch nach Untervermietung nachvollziehbar erscheinen lassen.

Im vorliegenden Fall war das berechtigte Interesse eindeutig gegeben:

  • Berufsbedingter, befristeter Auslandsaufenthalt
  • Wunsch nach finanzieller Entlastung während der Abwesenheit
  • Erhalt der Wohnung für die Rückkehr

Der BGH stellte fest, dass es für ein berechtigtes Interesse nicht erforderlich ist, dass die Wohnung auch nach der Untervermietung Lebensmittelpunkt des Mieters bleibt. Gerade die Kostenentlastung durch Untervermietung war ein ausdrückliches Ziel des Gesetzgebers.

Moderne Lebensrealität berücksichtigt

Besonders bemerkenswert ist, dass der BGH die heutige Lebensrealität in seine Entscheidung einbezog. Das Gericht verwies auf den "in der heutigen Gesellschaft an Bedeutung zunehmende Aspekt der Mobilität und Flexibilität".

Diese Entwicklung hatten bereits die Gesetzesmaterialien zum Mietrechtsreformgesetz hervorgehoben. Gerade bei Einzimmerwohnungen, die oft von jüngeren, mobileren Menschen bewohnt werden, sei diesem Gesichtspunkt Bedeutung zuzumessen.

Rechtsmissbrauch bei ungerechtfertigter Kündigung

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung betrifft das Verhalten der Vermieter. Obwohl der Künstler zunächst ohne Erlaubnis untervermietet hatte, waren die später erklärten Kündigungen rechtsmissbräuchlich.

Der Grund: Wer als Vermieter eine Untervermietungserlaubnis zu Unrecht verweigert, kann sich später nicht auf das Fehlen dieser Erlaubnis berufen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Dies folgt aus dem allgemeinen Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter von Einzimmerwohnungen

Das BGH-Urteil eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Sie können nun auch bei Einzimmerwohnungen eine teilweise Untervermietung durchsetzen, wenn Sie:

  • Ein berechtigtes Interesse nachweisen können (etwa berufsbedingter Ortswechsel, finanzielle Engpässe, Pflege von Angehörigen)
  • Sich einen Teil der Wohnung vorbehalten (auch nur für Gegenstände)
  • Den Gewahrsam nicht vollständig aufgeben (etwa durch Behalten eines Schlüssels)

Praktische Tipps: Dokumentieren Sie Ihr Untervermietungskonzept schriftlich. Beschreiben Sie genau, welche Bereiche Sie sich vorbehalten und wie Sie weiterhin Gewahrsam ausüben wollen. Beantragen Sie die Erlaubnis rechtzeitig und begründen Sie Ihr berechtigtes Interesse ausführlich.

Für Vermieter

Als Vermieter können Sie eine Untervermietung bei Einzimmerwohnungen nicht mehr pauschal mit dem Argument ablehnen, eine Teilüberlassung sei unmöglich. Sie müssen jeden Einzelfall prüfen und können die Erlaubnis nur bei Vorliegen der gesetzlichen Ablehnungsgründe verweigern:

  • Wichtiger Grund in der Person des Untermieters
  • Übermäßige Belegung des Wohnraums
  • Unzumutbarkeit aus sonstigen Gründen

Achtung: Eine ungerechtfertigte Verweigerung der Untervermietungserlaubnis kann dazu führen, dass spätere Kündigungen wegen Untervermietung ohne Erlaubnis rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sind.

Grenzen der Entscheidung

Das Urteil bedeutet nicht, dass jede gewünschte Untervermietung erlaubt werden muss. Die allgemeinen Voraussetzungen des Gesetzes gelten weiterhin:

  • Es muss ein nachträglich entstandenes berechtigtes Interesse vorliegen
  • Die gesetzlichen Ablehnungsgründe dürfen nicht eingreifen
  • Der Mieter muss tatsächlich nur einen Teil überlassen wollen

Praktische Bedeutung für die Zukunft

Die Entscheidung des BGH wird erhebliche Auswirkungen auf die Mietrechtspraxis haben. Sie stärkt die Position von Mietern kleinerer Wohnungen erheblich und trägt der modernen, flexiblen Lebensführung Rechnung.

Besonders relevant ist das Urteil für:

  • Studierende in Einzimmerappartements
  • Berufstätige mit häufigen Ortswechseln
  • Mieter in teuren Innenstädten
  • Personen in finanziellen Engpässen

Die Rechtsprechung macht deutlich, dass auch bei kleinen Wohnräumen eine sinnvolle Balance zwischen Mieter- und Vermieterinteressen möglich ist. Sie verhindert, dass Mieter ihre Wohnung aufgeben müssen, nur weil sie vorübergehend anderswo leben oder arbeiten.

Das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. September 2023 wird damit zu einem Meilenstein für das moderne Mietrecht und die Realitäten des 21. Jahrhunderts.


Quelle: BGH, Urteil vom 13. September 2023, VIII ZR 109/22

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