Untermietrecht bei beruflich genutzten Nebenwohnungen


Wenn das Leben neue Wege geht
Viele Menschen kennen die Situation: Man hat eine Wohnung gemietet, das Leben verändert sich, aber die alte Wohnung soll nicht aufgegeben werden. Sei es aus beruflichen Gründen, wegen einer Fernbeziehung oder anderen Lebensumständen. Doch was passiert, wenn die Mietkosten durch die veränderte Situation zur Belastung werden?
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs vom September 2023 zeigt: Mieter haben mehr Rechte bei der Untervermietung als bisher angenommen. Das höchste deutsche Zivilgericht hat entschieden, dass auch beruflich genutzte Nebenwohnungen ein berechtigtes Interesse für eine teilweise Untervermietung begründen können.
Der Fall aus der Praxis
Der zugrundeliegende Fall zeigt eine typische moderne Lebenssituation: Ein Geschäftsführer hatte seit 2014 eine Dreizimmerwohnung in Berlin gemietet. Zunächst lebte er dort allein, später mit seiner Ehefrau und einem Kind. Nach der Geburt des zweiten Kindes entschied sich die Familie für einen Umzug in eine Doppelhaushälfte mit Garten am Stadtrand – etwa sieben Kilometer von der ursprünglichen Mietwohnung entfernt.
Berufliche Notwendigkeit als Grund für den Erhalt der Wohnung
Trotz des Familienumzugs wollte der Mieter die Berliner Wohnung nicht aufgeben. Der Grund: Er führte eine Speditionsfirma, die nur zehn Gehminuten von der Mietwohnung entfernt lag. Das Unternehmen war auf die Bereiche Lateinamerika und Mittlerer Osten spezialisiert, was aufgrund der Zeitverschiebung zu ungewöhnlichen Arbeitszeiten führte.
Der Geschäftsführer begann seinen Arbeitstag häufig früh am Morgen und beendete ihn nach längeren Pausen erst nachts gegen zwei Uhr. Um sich die tägliche Fahrt zwischen dem neuen Familienwohnsitz und der Arbeitsstätte zu ersparen, nutzte er die Mietwohnung zwei bis drei Mal wöchentlich zum Ausruhen und Übernachten. Zudem lebte ein weiterer Sohn in Berlin, den er regelmäßig besuchte.
Der Wunsch nach Untervermietung stößt auf Widerstand
Um die Mietkosten zu reduzieren, bat der Mieter seine Vermieterin um die Erlaubnis, zwei Zimmer der Wohnung dauerhaft an namentlich benannte Personen zu untervermieten. Die Vermieterin zeigte sich zunächst kompromissbereit und erteilte eine bis Juni 2020 befristete Erlaubnis. Weitere Begehren auf eine unbefristete Untervermietung lehnte sie jedoch ab.
Der rechtliche Streit beginnt
Daraufhin klagte der Mieter auf Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung der beiden Zimmer. Der Rechtsweg führte durch alle Instanzen und brachte unterschiedliche Ergebnisse.
Erfolg in erster Instanz
Das Amtsgericht gab der Klage statt. Die Richter sahen das berechtigte Interesse des Mieters an einer Untervermietung als gegeben an und verpflichteten die Vermieterin zur Zustimmung.
Rückschlag vor dem Landgericht
Das Landgericht Berlin sah die Sache grundlegend anders. Die Berufungsrichter wiesen die Klage ab und argumentierten, der Mieter habe kein ausreichendes berechtigtes Interesse im Sinne von § 553 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Nach Ansicht des Landgerichts ging es dem Mieter ausschließlich darum, durch Untermieteinnahmen seine Mietkosten zu reduzieren. Die Vorschrift zur Untervermietung diene aber nur dem Bestandsschutz des Hauptwohnsitzes. Da der Mieter seinen Lebensmittelpunkt bereits an den Stadtrand verlegt hatte, fehle es an einem schützenswerten Interesse.
Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass nur der Erhalt des Hauptwohnsitzes ein berechtigtes Interesse begründe. Die berufliche Nutzung einer Nebenwohnung stelle lediglich einen „bloßen Komfortzuwachs" dar, der nicht ausreiche.
Der Bundesgerichtshof korrigiert
Mit dieser Einschätzung ging das Landgericht zu weit, wie der Bundesgerichtshof in seinem wegweisenden Urteil klarstellte. Die Karlsruher Richter hoben die Entscheidung auf und verwiesen den Fall zur neuen Verhandlung zurück.
Zu enge Auslegung des berechtigten Interesses
Der BGH kritisierte, dass das Berufungsgericht den Begriff des „berechtigten Interesses" zu eng verstanden habe. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist ein Interesse des Mieters bereits dann anzunehmen, wenn ihm vernünftige Gründe zur Seite stehen, die seinen Wunsch nach Überlassung eines Teils der Wohnung an Dritte nachvollziehbar erscheinen lassen.
Kostenreduzierung als legitimer Grund
Grundsätzlich ist der Wunsch des Mieters, durch Untermieteinnahmen seine Mietaufwendungen zu verringern, ein berechtigtes Interesse. Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Norm erkennbar die Absicht verfolgt, dem Mieter eine Kostenentlastung durch Untervermietung zu ermöglichen.
Nicht nur der Hauptwohnsitz ist geschützt
Das Landgericht hatte fälschlicherweise angenommen, dass nur der Bestand des Hauptwohnsitzes schützenswert sei. Der BGH stellte klar: Ein berechtigtes Interesse setzt nicht voraus, dass es sich um die Hauptwohnung handelt.
Der Zweck des § 553 BGB besteht darin, dem Mieter die Wohnung zu erhalten, an der er festhalten will. Dies kann auch eine nicht als Hauptwohnsitz genutzte Wohnung sein. Schließlich wird ein Mieter durch den Mietvertrag nicht verpflichtet, in der Mietwohnung seinen Lebensmittelpunkt zu begründen.
Moderne Lebensrealitäten berücksichtigt
Die Bundesrichter betonten, dass die heutige Gesellschaft von Mobilität und Flexibilität geprägt ist. Eine doppelte Haushaltsführung aus beruflichen Gründen ist keine Seltenheit mehr. Dies spricht gegen ein zu enges Verständnis des berechtigten Interesses.
Keine zwingende Angewiesenheit erforderlich
Entscheidend ist auch: Der Mieter muss nicht zwingend auf die Untervermietung angewiesen sein. Es kommt nicht darauf an, ob er sich das Mietverhältnis ohne die Einnahmen aus der Untervermietung leisten kann. Vielmehr reicht jedes nachvollziehbare Interesse an einer finanziellen Ersparnis aus.
Gleiches gilt für die berufliche Nutzung der Nebenwohnung. Auch hier ist nicht erforderlich, dass der Mieter zwingend auf diese Nutzung angewiesen ist. Der nachvollziehbare Wunsch nach mehr Komfort bei der Lebensgestaltung genügt.
Schutz des Vermieters bleibt gewährleistet
Mit der Stärkung der Mieterrechte werden die Interessen der Vermieter nicht vernachlässigt. Der Gesetzgeber hat verschiedene Schutzinstrumente vorgesehen.
Ablehnungsrechte des Vermieters
Der Vermieter kann die Erlaubnis zur Untervermietung verweigern, wenn wichtige Gründe vorliegen. Dazu gehören etwa:
- Ein wichtiger Grund in der Person des Untermieters
- Eine drohende Überbelegung des Wohnraums
- Sonstige für den Vermieter unzumutbare Umstände
Möglichkeit der Mieterhöhung
Zudem kann der Vermieter die Erlaubnis zur Untervermietung von einer angemessenen Mieterhöhung abhängig machen, wenn die Untervermietung nur unter dieser Bedingung zumutbar ist.
Geringerer Schutz für Untermieter
Schließlich genießen Untermieter einen geringeren Bestandsschutz als Hauptmieter. Dies beruht auf bewussten gesetzgeberischen Entscheidungen und ist im System des Mietrechts angelegt.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Das BGH-Urteil hat weitreichende praktische Auswirkungen für Mieter und Vermieter.
Erweiterte Möglichkeiten für Mieter
Mieter können künftig leichter eine Untervermietung durchsetzen. Auch wer seine Wohnung nur noch als Nebenwohnsitz nutzt, hat gute Chancen auf eine Genehmigung, wenn nachvollziehbare Gründe vorliegen. Beruflich bedingte Nutzungen werden dabei besonders anerkannt.
Der Wunsch nach Kostenreduzierung allein reicht oft schon aus. Mieter müssen nicht beweisen, dass sie zwingend auf die Untervermietung angewiesen sind.
Stärkung der Rechtssicherheit
Das Urteil schafft Rechtssicherheit in einem bisher umstrittenen Bereich. Die weite Auslegung des berechtigten Interesses gibt Mietern planbare Grundlagen für ihre Entscheidungen.
Anpassung an moderne Lebensformen
Die Entscheidung trägt modernen Arbeits- und Lebensformen Rechnung. Flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und beruflich bedingte Mobilität werden rechtlich anerkannt und geschützt.
Grenzen bleiben bestehen
Trotz der Stärkung der Mieterrechte bleiben die Schutzmechanismen für Vermieter bestehen. Eine Untervermietung ist nicht in jedem Fall durchsetzbar, sondern muss im Einzelfall geprüft werden.
Praktische Empfehlungen
Mieter sollten ihre Gründe für eine gewünschte Untervermietung sorgfältig dokumentieren und nachvollziehbar darlegen. Berufliche Notwendigkeiten, Kostenaspekte oder andere plausible Beweggründe sollten schriftlich festgehalten werden.
Vermieter hingegen sollten Ablehnungen gut begründen und prüfen, ob nicht andere Lösungen wie eine Mieterhöhung oder zeitliche Begrenzung in Betracht kommen.
Ausblick
Das Urteil des Bundesgerichtshofs markiert einen wichtigen Schritt in der Entwicklung des Mietrechts. Es zeigt, dass sich das Recht an veränderte gesellschaftliche Realitäten anpassen kann und muss.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Untervermietungen künftig häufiger genehmigt werden dürften. Dies kann auch Auswirkungen auf angespannte Wohnungsmärkte haben, da mehr Wohnraum durch Untervermietung verfügbar werden könnte.
Gleichzeitig werden die Gerichte in Zukunft jeden Fall einzeln prüfen müssen. Pauschale Ablehnungen oder Genehmigungen wird es nicht geben können.
Das Urteil zeigt: Modernes Mietrecht muss flexibel genug sein, um unterschiedliche Lebensentwürfe zu ermöglichen, ohne dabei den notwendigen Interessenausgleich zwischen Mieter und Vermieter aus den Augen zu verlieren.
Quelle: BGH, Urteil vom 27. September 2023 - VIII ZR 88/22
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