Umsatzsteuer in der gewerblichen Miete - Was Gewerbemieter wissen sollten


Der Fall: Streit um die Umsatzsteuer bei Nebenkosten
Eine Mieterin betrieb in angemieteten Gewerberäumen einen Friseursalon, ein Wellnessinstitut und einen Einzelhandel mit Kosmetikartikeln. Die Räume befanden sich im Erdgeschoss einer Wohnungseigentumsanlage. Im Mietvertrag war festgelegt, dass die Mieterin anteilig sämtliche Nebenkosten tragen sowie auf die monatliche Grundmiete und die monatlichen Vorauszahlungen auf die Nebenkosten die "jeweils gültige Mehrwertsteuer von derzeit 19 %" entrichten muss.
Die Vermieterin hatte gemäß dem Umsatzsteuergesetz auf die übliche Steuerbefreiung verzichtet (was als "Option zur Regelbesteuerung" bezeichnet wird). Die Mieterin war zum Vorsteuerabzug berechtigt, konnte also die gezahlte Umsatzsteuer bei ihrer eigenen Steuererklärung geltend machen.
Bei der Nebenkostenabrechnung für 2018 legte die Vermieterin die Beträge zugrunde, die von der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) abgerechnet worden waren. In einigen Kostenpositionen (Oberflächenwasser, Strom, Aufzug, Heizung/Wasser und Hausmeister/Reinigung) war bereits Umsatzsteuer enthalten. Andere Positionen (Versicherungen, Müll und Grundsteuer) waren nicht umsatzsteuerpflichtig.
Die Mieterin zahlte zunächst den geforderten Nachzahlungsbetrag, forderte später jedoch einen Teil zurück. Ihre Begründung: Die Vermieterin hätte die in den Nebenkosten enthaltene Umsatzsteuer herausrechnen müssen, bevor sie darauf erneut Umsatzsteuer erhebt.
Die zentrale Streitfrage
Der Kern des Streits dreht sich um folgende Frage: Muss der Vermieter, der zur Umsatzsteuer optiert hat, aus den von der Wohnungseigentümergemeinschaft abgerechneten Nebenkosten zunächst die darin enthaltene Umsatzsteuer herausrechnen, bevor er diese Positionen in seiner Betriebskostenabrechnung ansetzt und darauf Umsatzsteuer berechnet?
Die Mieterin vertrat die Auffassung, es käme sonst zu einer "Steuer auf Steuer", was wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sei und dem Grundsatz widerspreche, dass der Vermieter nur tatsächlich entstandene Kosten umlegen dürfe.
Die Entscheidung des BGH
Der BGH (Urteil vom 15.01.2025 - XII ZR 29/24) wies die Klage der Mieterin ab und entschied im Sinne der Vermieterin. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung:
"Haben die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses vereinbart, dass der Mieter die Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten übernimmt, wenn eine solche anfällt, kann der Vermieter die zusätzliche Zahlung des Umsatzsteuerbetrags nur dann vom Mieter verlangen, wenn er selbst tatsächlich umsatzsteuerpflichtig ist."
Der BGH stellte klar, dass die Umsatzsteuer auf dem gesamten Umsatz, also auf die gesamte Miete einschließlich Nebenkosten, entstanden ist. Der Vermieter kann und muss diese Umsatzsteuer erheben, wenn er zur Regelbesteuerung optiert hat.
"Legt der zum Vorsteuerabzug berechtigte Vermieter bei der Vermietung von Sondereigentum in einer Wohnungseigentumsanlage der Betriebskostenabrechnung umlagefähige Kostenpositionen zugrunde, die in der vom Verwalter für die Wohnungseigentümergemeinschaft erstellten Jahresabrechnung enthalten sind, muss er diese nicht von den darin enthaltenen Umsatzsteueranteilen befreien, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihrerseits nicht auf die Steuerbefreiung verzichtet hat."
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Gewerbemieter hat diese Entscheidung wichtige praktische Auswirkungen:
- Grundsatz der "tatsächlich entstandenen Kosten": Ein Vermieter darf in die Nebenkostenabrechnung nur die Kosten aufnehmen, die ihm tatsächlich entstanden sind. Bei einer Wohnungseigentumsanlage sind das die Kosten, die ihm von der WEG berechnet werden - inklusive einer darin enthaltenen Umsatzsteuer.
- Unterschiedliche Situationen bei Vorsteuerabzug:
- Hat der Vermieter eine direkte Rechnung mit ausgewiesener Umsatzsteuer erhalten (z.B. vom Handwerker), kann er diese Umsatzsteuer als Vorsteuer beim Finanzamt geltend machen. In diesem Fall darf er in der Nebenkostenabrechnung nur den Nettobetrag ansetzen.
- Zahlt der Vermieter jedoch an eine WEG, die nicht zur Regelbesteuerung optiert hat, kann er die in den Kostenpositionen enthaltene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Der tatsächliche Aufwand des Vermieters besteht dann im Bruttobetrag (inkl. Umsatzsteuer).
- Keine automatische Pflicht zur Optimierung: Der BGH betont, dass der Vermieter nicht verpflichtet ist, immer die für den Mieter günstigste Lösung zu wählen. Es besteht keine Pflicht des Vermieters, die WEG zum Verzicht auf die Steuerbefreiung zu veranlassen.
Praxistipp für Gewerbemieter
Als Gewerbemieter sollten Sie auf folgende Punkte achten:
- Prüfen Sie im Mietvertrag, ob und wie die Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten geregelt ist.
- Wenn Sie selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, ist die Umsatzsteuer für Sie ein "durchlaufender Posten", den Sie beim Finanzamt geltend machen können.
- Achten Sie darauf, dass Ihr Vermieter tatsächlich zur Regelbesteuerung optiert hat, wenn er von Ihnen Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten verlangt.
- Bei größeren Beträgen kann es sich lohnen, die Nebenkostenabrechnung fachkundig prüfen zu lassen.
Die Entscheidung des BGH schafft Rechtssicherheit bei der Abrechnung von Nebenkosten in Wohnungseigentumsanlagen und stärkt die Position der Vermieter, die zur Regelbesteuerung optiert haben.
Quelle: BGH, Urteil vom 15.01.2025 - XII ZR 29/24, openJur 2025, 10285
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