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Stromversorger dürfen Umzugskündigung nicht erschweren

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Kammergericht Berlin stärkt Verbraucherrechte bei Umzug und verbietet überzogene AGB-Klauseln von Energieanbietern.
Stromzähler
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Verbraucher gewinnen wichtigen Rechtsstreit

Ein Umzug bringt schon genug Stress mit sich - da sollten wenigstens die formalen Angelegenheiten unkompliziert ablaufen. Doch zwei Stromversorger machten ihren Kunden das Leben unnötig schwer. Das Kammergericht Berlin hat nun einer Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben und klargestellt: Energieanbieter dürfen das gesetzliche Kündigungsrecht bei Umzug nicht durch überzogene Bedingungen aushebeln.

Die Entscheidung vom 30. April 2025 betrifft die Unternehmen Voxenergie und Primastrom, beide Tochtergesellschaften der Prima Holding GmbH. Diese hatten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Regelungen eingebaut, die weit über das hinausgingen, was das Gesetz von Verbrauchern verlangt.

Der Sachverhalt: Wenn einfache Kündigung kompliziert wird

Was eigentlich ein simpler Vorgang sein sollte, gestalteten die beiden Stromversorger zu einem bürokratischen Hindernislauf. In ihren Geschäftsbedingungen verlangten sie von Kunden, die umziehen wollten, deutlich mehr als das Energiewirtschaftsgesetz vorsieht.

Konkret mussten Verbraucher nach den AGB von Voxenergie und Primastrom ihren Umzug bereits vier Wochen im Voraus anzeigen. Zusätzlich sollten sie dafür spezielle Umzugsformulare verwenden, die das Unternehmen bereitstellte. Nur wenn beide Bedingungen erfüllt wurden, wollten die Anbieter das Kündigungsrecht "gewähren" - als ob es sich um einen Gefallen und nicht um ein gesetzlich verankertes Recht handelte.

Besonders problematisch war eine weitere Regelung: Erfüllten Kunden diese strengen Vorgaben nicht vollständig, sollten sie weiterhin für den Stromverbrauch in ihrer alten Wohnung aufkommen - auch wenn sie dort gar nicht mehr wohnten. Von der gesetzlich vorgesehenen Zwei-Wochen-Frist, in der Stromversorger prüfen und mitteilen müssen, ob sie auch am neuen Wohnort liefern können, war in den AGB überhaupt keine Rede.

Die rechtlichen Streitpunkte: Gesetz gegen Geschäftsbedingungen

Der Verbraucherzentrale Bundesverband sah in diesen Klauseln eine unzulässige Einschränkung der Verbraucherrechte und ging gerichtlich dagegen vor. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob private Unternehmen die gesetzlichen Kündigungsregeln durch ihre AGB verschärfen dürfen.

Das Energiewirtschaftsgesetz regelt das Sonderkündigungsrecht bei Umzug klar und verbraucherfreundlich. Danach können Strom- und Gaskunden ihren Vertrag mit einer Frist von sechs Wochen zum Auszugstermin kündigen. Sie müssen lediglich ihre neue Adresse oder die Zählernummer der neuen Wohnung mitteilen. Der Energieversorger hat dann zwei Wochen Zeit zu erklären, ob er auch am neuen Wohnort zu den bisherigen Bedingungen liefern kann. Lehnt er ab oder antwortet nicht, wird der Vertrag automatisch beendet.

Diese gesetzliche Regelung sollte die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Energieanbieter vereinheitlichen und eine frühere Praxis beenden, bei der Kunden hohe Abschlagszahlungen als Strafzahlung für vorzeitige Vertragsbeendigung leisten mussten.

Die beklagten Unternehmen argumentierten dagegen, ihre strengeren Regelungen dienten der Rechtssicherheit und einem geordneten Ablauf. Sie wollten durch die Vier-Wochen-Frist und die vorgeschriebenen Formulare sicherstellen, dass alle notwendigen Informationen rechtzeitig vorliegen und Missverständnisse vermieden werden.

Das Urteil: Klare Absage an Verbraucherschikane

Das Kammergericht Berlin folgte der Argumentation der Verbraucherschützer und erklärte die strittigen AGB-Klauseln für unwirksam. Die Richter begründeten ihre Entscheidung ausführlich und machten deutlich, dass die Geschäftsbedingungen von Voxenergie und Primastrom gegen geltendes Recht verstoßen.

Die Klauseln schränken das gesetzliche Sonderkündigungsrecht unangemessen ein und weichen von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, so das Gericht in seiner Begründung. Das Energiewirtschaftsgesetz kenne weder eine Vier-Wochen-Frist für die Umzugsanzeige noch die Pflicht zur Verwendung spezieller Formulare.

Besonders schwer wog in den Augen der Richter, dass die AGB eine Art Ausschlussfrist vorsahen. Kunden, die ihren Umzug nicht vier Wochen im Voraus anzeigten, sollten ihr Kündigungsrecht komplett verlieren. Eine solche Ausschlussfrist existiert im Gesetz ausdrücklich nicht, stellte das Gericht fest.

Ebenso problematisch bewerteten die Richter, dass in den Geschäftsbedingungen jeder Bezug zur gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist fehlte. Diese Frist gibt Energieversorgern nach einer Kündigung Zeit zu prüfen, ob sie auch am neuen Wohnort liefern können. Schweigen sie oder lehnen ab, gilt der Vertrag als beendet. Die AGB von Voxenergie und Primastrom erwähnten diese wichtige Regelung gar nicht.

Das Gericht machte außerdem deutlich, dass das Sonderkündigungsrecht den Verbrauchern "von Gesetz wegen" zusteht und nicht von Energielieferanten "gewährt" wird. Die Wortwahl in den AGB suggerierte jedoch, als ob es sich um eine freiwillige Leistung der Unternehmen handle.

Die Begründung: Schutz vor überzogenen Anforderungen

In ihrer ausführlichen Urteilsbegründung erklärten die Richter, warum sie die AGB-Klauseln für rechtswidrig hielten. Sie betonten dabei mehrere wichtige Aspekte.

Zunächst stellten sie fest, dass die Klauseln die gesetzliche Kündigungsmöglichkeit des Verbrauchers zu dessen Nachteil modifizierten. Während das Energiewirtschaftsgesetz eine einfache Mitteilung der neuen Adresse genügen lässt, verlangten die Unternehmen komplizierte Verfahren mit speziellen Formularen und längeren Fristen.

Die Richter erkannten auch ein pauschalierten Schadenersatz in der Regelung, wonach Kunden bei unvollständigen Angaben für weitere Stromentnahmen an der alten Verbrauchsstelle einstehen sollten. Eine solche Pauschalierung hielten sie für unzulässig, weil sie den Nachweis eines tatsächlichen Schadens ausschließt.

Selbst wenn man die Klausel wohlwollend auslegen würde, führten die Richter aus, bliebe sie problematisch. Sie erwecke den Eindruck, als hätten Kunden grundsätzlich kein Kündigungsrecht und könnten es nur unter besonderen Bedingungen erwerben. Dies widerspreche jedoch dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung, die gerade eine unkomplizierte Kündigung ermöglichen sollte.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung des Kammergerichts Berlin stärkt die Rechte aller Stromkunden in Deutschland erheblich. Sie müssen sich nicht länger durch komplizierte Formulare und überzogene Fristen kämpfen, wenn sie umziehen.

Ihre Rechte beim Umzug sind klar gesetzlich geregelt: Sie können Ihren Stromvertrag mit einer Frist von sechs Wochen zum Auszugstermin kündigen. Dafür reicht eine einfache Mitteilung an Ihren Anbieter mit der neuen Adresse oder Zählernummer. Spezielle Formulare oder längere Vorlaufzeiten darf Ihr Stromversorger nicht verlangen.

Falls Ihr Energieanbieter solche rechtswidrigen Klauseln in seinen AGB stehen hat, können Sie sich darauf berufen, dass diese unwirksam sind. Das Urteil schafft einen wichtigen Präzedenzfall, der auch anderen Verbrauchern hilft, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind.

Besonders wichtig ist die Klarstellung zur Zwei-Wochen-Frist: Ihr Stromversorger muss Ihnen innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt Ihrer Kündigung mitteilen, ob er Sie auch am neuen Wohnort beliefern kann. Tut er das nicht oder lehnt ab, ist Ihr Vertrag automatisch beendet. Sie müssen dann keine weiteren Schritte unternehmen.

Praktische Tipps für den nächsten Umzug

Wenn Sie demnächst umziehen, sollten Sie folgende Punkte beachten: Kündigen Sie Ihren Stromvertrag schriftlich und teilen Sie dabei Ihre neue Adresse mit. Eine E-Mail oder ein Brief reichen völlig aus - Sie brauchen keine speziellen Formulare auszufüllen.

Bewahren Sie den Nachweis über Ihre Kündigung auf, etwa eine Kopie des Briefs oder die gesendete E-Mail. So können Sie im Streitfall belegen, dass Sie rechtzeitig gekündigt haben.

Beobachten Sie, ob Ihr Anbieter innerhalb der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist antwortet. Bleibt eine Reaktion aus, gilt Ihr Vertrag als beendet. Versucht er trotzdem, Ihnen weitere Kosten in Rechnung zu stellen, können Sie sich auf die gesetzliche Regelung berufen.

Ausblick: Signal für fairen Wettbewerb

Das Urteil des Kammergerichts Berlin sendet ein wichtiges Signal an die gesamte Energiebranche. Unternehmen können nicht einfach die gesetzlichen Verbraucherrechte durch ihre Geschäftsbedingungen aushebeln. Dies fördert einen faireren Wettbewerb, bei dem Anbieter mit Service und Preisen statt mit rechtlichen Tricks um Kunden werben müssen.

Für Verbraucher bedeutet das mehr Rechtssicherheit beim Wechsel des Wohnorts. Sie können darauf vertrauen, dass ihre gesetzlichen Rechte respektiert werden und müssen sich nicht durch undurchsichtige AGB kämpfen.

Die Verbraucherzentrale hat mit ihrer erfolgreichen Klage einmal mehr gezeigt, wie wichtig die systematische Überprüfung von Geschäftsbedingungen ist. Viele Verbraucher lesen diese umfangreichen Texte nicht vollständig oder verstehen nicht alle rechtlichen Implikationen. Umso wichtiger sind solche Musterprozesse, die allen Verbrauchern zugutekommen.

Sollten Sie auf ähnliche Probleme stoßen oder unsicher sein, ob die AGB Ihres Energieanbieters rechtmäßig sind, lohnt sich die Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt. Dieser kann Ihre individuellen Vertragsbestimmungen prüfen und Sie über Ihre Rechte aufklären.

Quelle: Kammergericht Berlin, Urteil vom 30.04.2025, Az. 23 UKl 9/24

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