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Schusswaffengebrauch in der Mietwohnung: Räumung zulässig?

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Gewalt in Mietwohnungen stellt Vermieter vor schwierige Entscheidungen. Was können sie tun, wenn ein Mieter mit einer Waffe auf eine andere Person schießt? Reicht ein solcher Vorfall aus, um eine sofortige Räumung zu erwirken? Das Amtsgericht Hamburg hat in einem aktuellen Fall wichtige Grundsätze zum Thema Räumungsverfügung bei Gewalttaten in Mietwohnungen aufgestellt.
Bild von Simon auf Pixabay

Der Fall: Schuss in der Mietwohnung

Ein 87-jähriger Mieter lebte seit 25 Jahren in einer Genossenschaftswohnung in Hamburg. Im Januar 2025 schoss er in seiner Wohnung einer 38-jährigen Frau ins Bein und verletzte sie schwer. Die Frau wohnte nicht in der Wohnung, sondern kümmerte sich gelegentlich um den betagten Mieter.

Die Polizei nahm den Mieter vorläufig fest. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft kündigte die Wohnungsbaugenossenschaft das Mietverhältnis fristlos und forderte ihn auf, die Wohnung zu räumen. Zusätzlich sprach sie ein Hausverbot für ihren Geschäftssitz aus.

Als der Mieter nicht auszog, beantragte die Genossenschaft eine einstweilige Räumungsverfügung beim Amtsgericht Hamburg. Sie befürchtete eine Gefahr für andere Hausbewohner durch den Mieter.

Streitfrage: Rechtfertigt ein Schusswaffengebrauch die sofortige Räumung?

Die zentrale Frage des Rechtsstreits war: Begründet der einmalige Gebrauch einer Schusswaffe in der Mietwohnung eine "konkrete Gefahr für Leib oder Leben" der Vermieterin oder anderer Hausbewohner, die eine sofortige Räumung rechtfertigt?

Die Genossenschaft argumentierte:

  • Der Schusswaffengebrauch stelle eine konkrete Gefahr für andere Hausbewohner dar
  • Solange der Mieter in der Wohnung verbleibe, seien andere Bewohner, Besucher und Handwerker akut gefährdet
  • Als Vermieterin sei die Genossenschaft für die Sicherheit ihrer Mitglieder verantwortlich

Der Mieter hielt dagegen:

  • Das Mietverhältnis sei über 25 Jahre störungsfrei verlaufen
  • Die Vermieterin stütze sich auf unbegründete Mutmaßungen
  • Es bestehe keine konkrete Gefahr für andere Hausbewohner

Die Entscheidung: Abstrakte Gefahr reicht nicht für Räumungsverfügung

Das Amtsgericht Hamburg wies den Antrag der Genossenschaft zurück. In seiner Begründung stellte das Gericht wichtige Grundsätze für Räumungsverfügungen auf:

"Die abstrakte Gefährlichkeit des eingesetzten Mittels (Schusswaffengebrauch im Wohnraum) rechtfertigt für sich genommen noch keine konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Vermieters bzw. von ihm zu schützenden Personen."

Das Gericht betonte, dass für eine Räumungsverfügung nach § 940a ZPO eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben vorliegen muss. Bloße Mutmaßungen, Befürchtungen oder Angst reichen nicht aus. Die Anforderungen an den Verfügungsgrund seien besonders hoch anzusetzen, weil die Räumung einen gravierenden Eingriff darstellt.

Entscheidend war für das Gericht:

  1. Der Vorfall richtete sich nicht gegen die Vermieterin oder andere Hausbewohner
  2. Es gab keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung dieser Personengruppen
  3. Die Vorwegnahme der Hauptsache durch eine sofortige Räumung wiege schwer bei einem 87-jährigen Mieter, der seit 25 Jahren in der Wohnung lebt

Wichtig war auch: Nach juristischer Lebenserfahrung wird bei einer Festnahme am Tatort die Tatwaffe sichergestellt und die Wohnung nach weiteren Waffen durchsucht. Eine weitere Bedrohung durch die ursprüngliche Waffe bestand daher nicht mehr.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Als Vermieter haben Sie eine wichtige Erkenntnis aus diesem Urteil mitzunehmen: Eine einstweilige Räumungsverfügung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Selbst bei schwerwiegenden Vorfällen wie einem Schusswaffengebrauch müssen Sie nachweisen können, dass eine konkrete Gefahr für Sie als Vermieter oder andere Hausbewohner besteht.

Das Gericht unterscheidet klar zwischen:

  • Einer abstrakten Gefahr (die Möglichkeit einer Gefährdung)
  • Einer konkreten Gefahr (tatsächliche Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung)

Für eine Räumungsverfügung benötigen Sie Letzteres. Dabei können konkrete Anhaltspunkte sein:

  • Frühere Vorfälle, die sich gegen Sie oder andere Hausbewohner gerichtet haben
  • Ausgesprochene Drohungen gegen diesen Personenkreis
  • Tatsächliche Anzeichen für weitere unmittelbar bevorstehende Gewalttaten

Auch ein "verdeckter" Räumungsantrag, etwa durch ein Betretungsverbot für die Wohnung in Verbindung mit einem Schlüsselaustausch, unterliegt denselben strengen Anforderungen. Das Gericht stellt klar:

"Faktisch steht das Betretungsverbot der Wohnung einer Räumung gleich, weshalb an den Antrag dieselben Voraussetzungen einer konkreten Gefahr aus § 940a ZPO zu stellen sind."

Wichtig zu wissen: Der normale Weg zur Räumung führt über eine Räumungsklage im Hauptsacheverfahren. Die einstweilige Verfügung ist ein Sonderweg für absolute Ausnahmefälle, bei denen eine konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht und ein Abwarten bis zum Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist.

Fazit

Der Fall zeigt die hohen Hürden für eine Räumungsverfügung. Selbst ein so schwerwiegender Vorfall wie ein Schusswaffengebrauch in der Mietwohnung rechtfertigt nicht automatisch eine sofortige Räumung. Entscheidend ist, ob eine konkrete Gefahr für den Vermieter oder andere Hausbewohner besteht. Bei der Beurteilung müssen alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden – darunter auch das Alter des Mieters und die Dauer des Mietverhältnisses.

Quelle: AG Hamburg, Beschluss vom 21.01.2025 - 21 C 7/25

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