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Nackter Vermieter: Kein Grund für Mietminderung

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OLG Frankfurt entscheidet über ungewöhnliche Mängelrüge einer Mieterin. Das Gericht stellte klar: Sonnenbaden ohne Kleidung im eigenen Garten ist noch kein Mietmangel.
ein nackter Mann nimmt ein Sonnenbad
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der ungewöhnliche Rechtsstreit

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte im April 2023 einen bemerkenswerten Fall zu entscheiden. Eine Geschäftsfrau mietete Büroräume in einem Frankfurter Wohnhaus und zahlte später keine Miete mehr. Als Begründung führte sie verschiedene Mängel an - darunter auch, dass sich der Vermieter nackt im Hof sonne. Der Vermieter klagte auf die ausstehenden Mietzahlungen.

Was war passiert?

Eine Personalberatungsfirma mietete ab September 2015 eine Büroetage im ersten Obergeschoss eines Gebäudes in Frankfurt am Main. Die monatliche Miete betrug 3.250 Euro für etwa 150 Quadratmeter Bürofläche. Der Vertrag lief zunächst bis September 2020 und sollte sich automatisch verlängern.

Die Probleme begannen schon früh

Bereits ab Juni 2016 beschwerte sich die Mieterin über verschiedene Probleme. Dazu gehörten unregelmäßige Müllentsorgung, Geruchsbelästigungen im Treppenhaus, Lärm durch Renovierungsarbeiten im Obergeschoss, Baulärm durch Straßenarbeiten vor dem Gebäude sowie abgestellte Pakete und Gegenstände im Eingangsbereich.

Der nackte Vermieter als Streitpunkt

Im Juni 2018 kam ein weiterer Vorwurf dazu: Der Anwalt der Mieterin schrieb dem Vermieter, dass dieser sich nackt im Garten aufhalte und damit die Geschäftstätigkeit störe. Die Mieterin forderte den Vermieter auf, zukünftig bekleidet zu bleiben oder sich zumindest nicht in den von den Büroräumen einsehbaren Bereichen nackt aufzuhalten.

Die Mietzahlungen blieben aus

Wegen all dieser angeblichen Mängel zahlte die Mieterin ab 2017 deutlich reduzierte Mieten oder gar keine Miete mehr. Sie argumentierte, die Mängel rechtfertigten eine Mietminderung. Der Vermieter kündigte daraufhin fristlos und klagte auf die ausstehenden Beträge von über 37.000 Euro.

Die strittigen Rechtsfragen

Ist ein nackter Vermieter ein Mietmangel?

Die Mieterin behauptete, das Nacktsonnen des Vermieters störe den gewerblichen Charakter des Mietobjekts. Das Gericht musste prüfen, ob dies tatsächlich die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume beeinträchtigt.

Weitere Streitpunkte waren die Frage, ob die Mietfläche tatsächlich kleiner als vereinbart war, ob Geruchsbelästigungen vorlagen, ob Baulärm eine Mietminderung rechtfertigte und ob die Betriebskostenabrechnungen korrekt waren.

Das Urteil des Gerichts

Nackter Vermieter: Kein Mietmangel

Das Oberlandesgericht Frankfurt stellte klar: Ein Vermieter, der sich in seinem eigenen Garten nackt sonnt, stellt grundsätzlich keinen Mietmangel dar. Die Richter begründeten dies ausführlich:

"Grundsätzlich sind ästhetische oder sittlich als anstößig empfundene Einwirkungen auf ein Grundstück keine Beeinträchtigung des Gebrauchs der Mietsache."

Die entscheidenden Faktoren:

Das Gericht stellte bei einem Ortstermin fest, dass der Vermieter sich an einer Stelle sonnte, die von den Mietfenstern aus nicht einsehbar war. Man musste sich weit aus dem Fenster lehnen, um überhaupt etwas zu sehen. Zudem trug der Vermieter beim Gang durch das Haus einen Bademantel.

Ausnahme nur bei gezielten Störungen

Eine andere Bewertung wäre nur möglich gewesen, wenn der Vermieter gezielt und sittenwidrig die Mieterin hätte provozieren wollen. Davon war hier aber nicht auszugehen.

Andere Mängelrügen weitgehend erfolglos

Flächenabweichung zu gering

Die Mieterin behauptete, die Bürofläche sei erheblich kleiner als vereinbart. Ein Sachverständiger maß aber nur eine Abweichung von 4,3 Prozent. Das Gericht entschied: Diese geringe Abweichung rechtfertigt noch keine Mietminderung, da erst bei über zehn Prozent Abweichung automatisch ein Mangel anzunehmen ist.

Keine erheblichen Geruchsbelästigungen

Die angeblichen Kochgerüche im Treppenhaus konnte das Gericht bei mehreren Ortsterminen nicht feststellen. Auch hier gingen die Rügen ins Leere.

Einzige Ausnahme: Baulärm

Lediglich beim Baulärm durch Straßenarbeiten gab das Gericht der Mieterin recht. Für den Zeitraum Februar bis Mai 2017 sprach es eine Mietminderung von 15 Prozent zu, da die Arbeiten die Nutzung der Büroräume erheblich beeinträchtigten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Für Mieter:

Wichtig zu wissen ist, dass nicht jede Störung durch den Vermieter automatisch ein Mietmangel darstellt. Ästhetische oder moralische Befindlichkeiten rechtfertigen normalerweise keine Mietminderung. Bei Mängelrügen sollten Sie stets konkrete Beeinträchtigungen der Nutzbarkeit nachweisen können. Zudem führen geringe Flächenabweichungen unter zehn Prozent meist nicht zu Minderungsrechten.

Für Vermieter:

Sie können sich in Ihrem eigenen Garten grundsätzlich frei bewegen, auch unbekleidet. Achten sollten Sie aber darauf, Mieter nicht gezielt zu provozieren. Bei Baulärm durch Dritte müssen Sie unter Umständen Mietminderungen akzeptieren. Außerdem empfiehlt es sich, sorgfältig zu dokumentieren, wenn Mieter unberechtigte Mängelrügen vorbringen.

Praktische Tipps:

Bei Nachbarschaftskonflikten oder ungewöhnlichen Situationen sollten beide Seiten besonnen reagieren. Oft lassen sich Probleme durch ein klärendes Gespräch lösen, ohne dass es zu jahrelangen Rechtsstreitigkeiten kommen muss.

Grenzen der Entscheidung

Das Urteil bezieht sich nur auf die konkreten Umstände dieses Falls. Bei anderen Sachverhalten - etwa wenn ein Vermieter gezielt provoziert oder sich in direkter Sichtweite der Mieter entblößt - könnte durchaus ein Mietmangel vorliegen.

Die Abwägung ist immer einzelfallbezogen und hängt davon ab, wie offensichtlich das Verhalten ist, ob eine gezielte Belästigung vorliegt und ob der gewerbliche oder private Charakter der Miete beeinträchtigt wird.

Fazit

Das Frankfurter Urteil zeigt: Deutsche Gerichte bewerten Mietmängel sehr sachlich und nüchtern. Persönliche Befindlichkeiten oder moralische Vorstellungen allein rechtfertigen noch keine Mietminderung. Entscheidend ist immer, ob die Gebrauchstauglichkeit der Mieträume tatsächlich beeinträchtigt ist.

Für die Mieterin ging der Rechtsstreit übrigens teuer aus: Sie musste am Ende über 35.000 Euro nachzahlen und einen Großteil der Gerichtskosten tragen.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 18.04.2023, Az. 2 U 43/22

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