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Mietsicherheit dient nicht der Finanzierung der Immobilie

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Eine Bürgschaft als Mietsicherheit dient ausschließlich zur Absicherung von Mietzahlungen – nicht zur Finanzierung der Immobilie durch den Vermieter. Das stellte das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig in einem aktuellen Urteil vom 27.11.2024 klar und begrenzte damit die Schadensersatzpflicht von Mietern bei verzögerter Bürgschaftsstellung.
Geldkassette
Bild von Alexa auf Pixabay

Worum ging es in dem Fall?

Im Zentrum des Rechtsstreits stand ein Gewerbemietvertrag, bei dem der Vermieter (Kläger) eine gewerbliche Immobilie speziell für den Mieter (Beklagter) errichten ließ. Laut Mietvertrag sollte der Mieter eine Bürgschaft seiner Muttergesellschaft über 20 Millionen Euro als Mietsicherheit stellen – und zwar als "Bürgschaft auf erstes Anfordern".

Der Mieter übergab diese spezielle Bürgschaft jedoch erst am 16.01.2017, obwohl der Vermieter diese nach eigener Auffassung bereits deutlich früher hätte erhalten müssen. Der Vermieter behauptete, durch die verspätete Bürgschaftsstellung seien ihm erhebliche finanzielle Schäden entstanden:

  • Bereitstellungszinsen in Höhe von rund 541.000 Euro
  • Zinsschäden durch ein notwendiges Ersatzdarlehen von über 1 Million Euro
  • Bürgschaftsgebühren von 400.000 Euro

Diese Kosten entstanden, weil der Vermieter die Bürgschaft seiner Bank als Sicherheit für die Baufinanzierung vorlegen wollte.

Die zentrale Streitfrage

War der Mieter verpflichtet, für diese Finanzierungsschäden aufzukommen, weil er die Bürgschaft verspätet vorlegte?

Das Landgericht Kiel verneinte dies in erster Instanz und wies die Klage ab. Der Vermieter legte daraufhin Berufung ein.

Die Entscheidung des OLG Schleswig

Das OLG Schleswig bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufung zurück. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit zwei wesentlichen Argumenten:

  1. Schutzzweck der Mietsicherheit: Eine Mietsicherheit dient ohne ausdrückliche anderslautende Vereinbarung ausschließlich zur Absicherung von Zahlungsverpflichtungen des Mieters aus dem Mietverhältnis – nicht aber zur Finanzierung des Baus durch den Vermieter.
  2. Begrenzung der Schadensersatzpflicht: Bei Verzug mit der Leistung einer Bürgschaft als Mietsicherheit sind nur solche Schäden als Verzugsschaden ersatzfähig, die vom Schutzzweck der Vereinbarung umfasst werden.

Das Gericht stellte fest:

"Ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung dient eine Mietsicherheit nicht zur Absicherung der Finanzierung zur Errichtung der Immobilie durch den Vermieter."

Die Begründung im Detail

Das Gericht erklärte, dass im Mietvertrag die Bürgschaft ausdrücklich als "Mietsicherheit" bezeichnet wurde. Zudem war vertraglich festgelegt, dass diese Sicherheit erst zurückgegeben werden müsse, "wenn nach Beendigung des Mietverhältnisses die besicherten Zahlungsverpflichtungen der Mieterin aus dem Mietverhältnis erfüllt worden sind".

Dies zeigt nach Ansicht des Gerichts eindeutig, dass die Bürgschaft die Mietzahlungen absichern sollte – und nicht als Sicherheit für die Bank zur Finanzierung des Bauvorhabens gedacht war.

Das OLG betonte in seiner Entscheidung: "Die Kreditierung des Bauvorhabens gehört letztlich zum Risikobereich des Errichters eines Bauvorhabens und nicht zu demjenigen des zukünftigen Mieters."

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat wichtige praktische Auswirkungen für Vermieter und Mieter im gewerblichen Bereich:

Für Vermieter:

  • Wenn Sie eine Mietsicherheit für Ihre Baufinanzierung nutzen wollen, müssen Sie dies ausdrücklich im Mietvertrag vereinbaren
  • Ohne solche klare Vereinbarungen können Sie keine Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn die Finanzierung aufgrund einer verspäteten Mietsicherheit scheitert
  • Planen Sie bei der Projektfinanzierung nicht mit Mietsicherheiten, wenn deren Verwendung für diesen Zweck nicht eindeutig vertraglich geregelt ist

Für Mieter:

  • Sie haften bei verspäteter Stellung einer Mietsicherheit grundsätzlich nur für Schäden, die mit dem eigentlichen Schutzzweck der Mietsicherheit zusammenhängen
  • Dieser Schutzzweck umfasst in der Regel nur die Absicherung von Mietzahlungen, nicht aber die Finanzierung des Baus
  • Als Mieter müssen Sie nicht befürchten, für Finanzierungsprobleme des Vermieters haftbar gemacht zu werden, wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde

Allgemein gilt:

  • Der Vertragspartner, der ein größeres Risiko absichern möchte als üblich, muss dies klar im Vertrag regeln
  • Bei gewerblichen Mietverträgen sollten die Parteien den Zweck von Sicherheiten genau definieren
  • Im Zweifel haftet ein Mieter nur in dem Umfang, wie es für Mietverhältnisse typisch ist – auch wenn der Vermieter speziell für den Mieter baut

Das Urteil schafft mehr Rechtssicherheit in Bezug auf den Umfang der Haftung bei verspäteter Stellung von Mietsicherheiten und begrenzt das finanzielle Risiko für Mieter auf den eigentlichen Zweck der Sicherheitsleistung.

Quelle: OLG Schleswig, Urteil vom 27.11.2024 - 12 U 34/23, IMR 2025, 105

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