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Mieterdienstbarkeit im Gewerbemietrecht: Eintragung auch bei Nicht-Errichtung des Mietobjekts

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Als Mieter eines Gewerberaums hat man oft erhebliche Investitionen zu tätigen, um die Räumlichkeiten für den eigenen Geschäftsbetrieb nutzbar zu machen. Um diese Investitionen abzusichern, vereinbaren Vermieter und Mieter häufig die Eintragung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ins Grundbuch. Doch was passiert, wenn das Mietobjekt noch gar nicht errichtet wurde? Kann der Mieter trotzdem auf die Eintragung bestehen? Mit dieser Frage hatte sich kürzlich das Oberlandesgericht (OLG) Hamm zu befassen.
Bauarbeiter und Architekt diskutieren in einer Produktionshalle über Baupläne
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Sachverhalt: Streit um ein nicht errichtetes Supermarktgebäude

Im Juni 2021 schlossen eine Bauträgergesellschaft als Vermieterin und ein Supermarktbetreiber als Mieterin einen Mietvertrag über noch zu errichtende Geschäftsräume mit einer Größe von 1.100 m² sowie Außenflächen, insbesondere Parkplätze. Die Mietdauer sollte 15 Jahre ab Übergabe betragen, wobei die Übergabe grundsätzlich für den 25. März 2022 vorgesehen war.

In § 22 des Mietvertrags verpflichtete sich die Vermieterin, zur Sicherung des Nutzungsrechts der Mieterin eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch eintragen zu lassen. Später übertrug die ursprüngliche Vermieterin mit Zustimmung der Mieterin ihre Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis auf eine andere Gesellschaft, die auch Eigentümerin der betreffenden Grundstücke war.

Das Problem: Die geplanten Mieträume wurden nicht errichtet. Die neue Vermieterin teilte der Mieterin schließlich mit, dass sie aufgrund nicht von ihr zu vertretender Verzögerungen und veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen wolle. Sie berief sich auf stark gestiegene Bau- und Finanzierungskosten, die eine Realisierung des Projekts unwirtschaftlich machten.

Die Mieterin widersprach dieser Sichtweise und forderte die Vermieterin auf, ihre Verpflichtung zur Eintragung der Mieterdienstbarkeit im Grundbuch zu erfüllen. Als die Vermieterin dies nicht tat, wandte sich die Mieterin an das Landgericht Bochum und beantragte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, die Vermieterin zur Beantragung und Bewilligung einer entsprechenden Vormerkung im Grundbuch zu verpflichten.

Die Entscheidung: Anspruch auf Sicherung trotz fehlenden Gebäudes

Das Landgericht Bochum gab dem Antrag statt und das OLG Hamm bestätigte diese Entscheidung nun mit Beschluss vom 11. Dezember 2024.

Die zentralen Streitpunkte

Im Verfahren vor dem OLG Hamm brachte die Vermieterin im Wesentlichen folgende Argumente vor:

  1. Kein Verfügungsanspruch: Da das Mietobjekt noch nicht existiere, gebe es auch keinen Anspruch auf Eintragung einer Dienstbarkeit. Ohne Gebäude könne es kein zu sicherndes Nutzungsrecht geben.
  2. Wirksame Kündigung: Der Mietvertrag sei wirksam gekündigt worden, da sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erheblich verändert hätten. Die Baukosten hätten sich nahezu verdoppelt, die Finanzierungskosten mehr als verdoppelt.
  3. Keine Anpassungsmöglichkeit: Eine Anpassung des Vertrages sei nicht möglich oder zumutbar.

Die Begründung des Gerichts

Das OLG Hamm wies die Berufung der Vermieterin aus folgenden Gründen zurück:

  1. Anspruch besteht unabhängig von der Gebäudeerrichtung: Die Vormerkung sichert nicht den Nutzungsanspruch selbst, sondern den Anspruch auf Eintragung der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Dieser Anspruch besteht bereits aufgrund des Mietvertrages, obwohl das Gebäude noch nicht errichtet ist. Nach § 883 BGB kann auch ein künftiger oder bedingter Anspruch durch Vormerkung gesichert werden, wenn eine feste Rechtsgrundlage mit bestimmbaren Entstehungsvoraussetzungen existiert.
  2. Kündigung unwirksam: Die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 543 BGB war nicht begründet, da hierfür Umstände im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen müssen. Gestiegene Bau- und Finanzierungskosten fallen jedoch in den Risikobereich der Vermieterin.
  3. Störung der Geschäftsgrundlage nicht ausreichend belegt: Auch eine Kündigung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB war nicht gerechtfertigt. Die Vermieterin hatte nicht substantiiert dargelegt, warum eine Vertragsanpassung unmöglich oder unzumutbar sein sollte. Sie hatte nicht einmal auf ein Anpassungsangebot der Mieterin (Erhöhung der Miete um 1.650 € monatlich) reagiert.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Diese Entscheidung hat wichtige Konsequenzen für Vermieter und Mieter im Gewerbemietrecht:

Für Mieter:

  • Der Anspruch auf Eintragung einer Dienstbarkeit besteht unabhängig davon, ob das Mietobjekt bereits errichtet ist.
  • Eine solche Sicherung kann und sollte frühzeitig durchgesetzt werden, um die eigenen Investitionen zu schützen.
  • Es ist ratsam, im Mietvertrag klare Regelungen zur Eintragung einer Dienstbarkeit zu treffen.

Für Vermieter:

  • Kostensteigerungen im Bau fallen grundsätzlich in das Risiko des Vermieters und rechtfertigen allein keine Kündigung.
  • Eine Kündigung wegen Störung der Geschäftsgrundlage erfordert eine konkrete Darlegung, warum eine Vertragsanpassung unmöglich oder unzumutbar ist.
  • Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten sollte frühzeitig das Gespräch über eine Anpassung des Vertrages gesucht werden.

Das Urteil verdeutlicht einmal mehr, dass Gerichte an der Verbindlichkeit von Verträgen festhalten und hohe Anforderungen an eine außerordentliche Kündigung stellen. Besonders im gewerblichen Mietrecht, wo oft langfristige Verträge mit erheblichen Investitionen verbunden sind, ist Vertragstreue ein hohes Gut.

Fazit

Selbst wenn ein Mietobjekt noch nicht errichtet wurde, kann der Mieter bereits einen Anspruch auf Sicherung seiner Rechte durch eine Vormerkung im Grundbuch haben. Vermieter können sich nicht einfach auf gestiegene Kosten berufen, um sich von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen. Das OLG Hamm stärkt damit die Position von Mietern im Gewerbemietrecht und betont die Bedeutung der Vertragstreue.

Quelle: OLG Hamm, Beschluss vom 11.12.2024 - 30 U 40/24, openJur 2025, 10499

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