Mieter haftet auch ohne Verschulden


Der unglückliche Vorfall in der Berliner Wohnung
Eine Mieterin aus Berlin erlebte einen wahren Albtraum: Während sie sich in ihrer Wohnung aufhielt, erlitt sie plötzlich einen Schwindelanfall. Durch die unvorhergesehene Ohnmacht verlor sie die Kontrolle über ihren Körper und fiel rückwärts gegen die gläserne Wohnzimmertür. Die Tür wurde dabei erheblich beschädigt.
Die betroffene Mieterin sah sich völlig unverschuldet mit einem Schaden konfrontiert. Aus ihrer Sicht war klar: Da sie keinerlei Schuld an dem Vorfall trug, sollte die Vermieterin für die Reparatur aufkommen. Zusätzlich forderte sie eine Mietminderung, da die beschädigte Tür die Nutzung der Wohnung beeinträchtigte.
Die Haftpflichtversicherung der Mieterin weigerte sich zu zahlen, da kein Verschulden vorlag.
Wenn Versicherungen nicht zahlen
Das Problem verschärfte sich, als die Haftpflichtversicherung der Mieterin die Kostenübernahme ablehnte. Der Grund: Bei einem schuldlosen Handeln greift der Versicherungsschutz nicht. Die Mieterin stand somit vor der Frage, wer für den entstandenen Schaden aufkommen muss.
Sie entschied sich, rechtlich gegen ihre Vermieterin vorzugehen. Ihre Argumentation war nachvollziehbar: Da sie den Schaden nicht verschuldet hatte, müsse die Vermieterin als Eigentümerin der Wohnung für die Reparatur der Tür sorgen. Gleichzeitig beanspruchte sie eine Mietminderung, solange die Tür nicht repariert würde.
Die rechtlichen Streitpunkte im Detail
Der Fall warf grundlegende Fragen des Mietrechts auf. Im Zentrum stand die Frage, ob ein Mieter auch dann für Schäden haftet, wenn ihn keinerlei Verschulden trifft. Das Gericht musste klären, was unter "vertragsgemäßem Gebrauch" zu verstehen ist und wo die Grenzen der Mieterhaftung verlaufen.
Die Vermieterin argumentierte, dass der Schaden durch die Mieterin verursacht wurde und diese daher in der Verantwortung stehe. Die Mieterin hingegen berief sich darauf, dass sie unverschuldet gehandelt habe und der Schaden durch einen medizinischen Notfall entstanden sei.
Das Gericht glaubt der Mieterin - entscheidet aber trotzdem gegen sie
Das Landgericht Berlin kam nach einer persönlichen Anhörung der Mieterin zu dem Schluss, dass ihre Schilderung der Wahrheit entspricht. Die Richter zweifelten nicht daran, dass sie tatsächlich eine plötzliche Ohnmacht erlitten hatte und dadurch unverschuldet gegen die Tür gefallen war.
Trotz dieser Feststellung verlor die Mieterin den Rechtsstreit.
Die Begründung des Gerichts war für viele überraschend: Auch wenn die Mieterin kein Verschulden trifft, muss sie den Schaden ersetzen. Der entscheidende Punkt liegt im Begriff des "vertragsgemäßen Gebrauchs" der Mietsache.
Vertragsgemäßer Gebrauch als entscheidender Faktor
Das Gericht stellte klar, dass Mieter nur solche Schäden nicht zu vertreten haben, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung entstehen. Das rückwärtige Hineinfallen in eine Glastür - auch wenn unverschuldet - stelle jedoch keinen vertragsgemäßen Gebrauch dar.
Die Richter verglichen den Fall mit anderen Situationen: Genau wie beim schuldlosen Stolpern oder bei Schäden durch ein beaufsichtigtes Kleinkind liegt keine rein zufällige Beschädigung vor. Vielmehr handelt es sich um eine Fehlbenutzung der Mietsache, die dem Risikobereich des Mieters zuzuordnen ist.
Das Gericht bezeichnete den Fall als "schuldloses vertragswidriges Handeln".
Die Risikoverteilung zwischen Mieter und Vermieter
Ein zentraler Aspekt der Entscheidung betrifft die Risikoverteilung im Mietverhältnis. Das Gericht sah es als unbillig an, dem Vermieter sozusagen die "Betriebsgefahr" für den Körper des Mieters zuzuweisen. Jeder Mieter trägt das Risiko für Schäden, die durch seinen Körper oder seine Tätigkeiten entstehen - unabhängig vom Verschulden.
Diese Rechtsprechung mag auf den ersten Blick hart erscheinen, folgt aber einer klaren Logik: Der Vermieter kann das Verhalten und die körperlichen Reaktionen seiner Mieter nicht kontrollieren oder beeinflussen. Daher wäre es ungerecht, ihn für alle daraus resultierenden Schäden haftbar zu machen.
Keine Mietminderung bei selbst verursachten Schäden
Da die Mieterin für die Beseitigung des Schadens selbst verantwortlich ist, lehnte das Gericht auch ihre Forderung nach einer Mietminderung ab. Eine Minderung der Miete kommt nur bei Mängeln in Betracht, die der Vermieter zu vertreten hat. Bei selbst verursachten Schäden - auch wenn sie unverschuldet entstanden sind - besteht kein Anspruch auf Mietminderung.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für alle Mieter. Sie macht deutlich, dass die Haftung für Schäden an der Mietsache weiter reicht, als viele vermuten. Auch ohne persönliches Verschulden können Mieter zur Schadensersatzpflicht herangezogen werden.
Wichtige Erkenntnisse für Mieter:
Die Haftung beschränkt sich nicht auf vorsätzliche oder fahrlässige Handlungen. Selbst bei medizinischen Notfällen oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen kann eine Schadensersatzpflicht bestehen, wenn die Schäden nicht durch vertragsgemäßen Gebrauch entstehen.
Mieter sollten daher ihre Haftpflichtversicherung genau prüfen. Standardpolicen decken häufig nur verschuldensabhängige Schäden ab. Möglicherweise ist eine Erweiterung des Versicherungsschutzes sinnvoll, um auch schuldlose Schäden abzudecken.
Bei gesundheitlichen Problemen, die das Sturzrisiko erhöhen, sollten Mieter besondere Vorsicht walten lassen. Das Gericht wies zwar den Vorwurf zurück, die Mieterin hätte sich nach ihrer Operation nicht alleine in der Wohnung aufhalten dürfen. Dennoch zeigt der Fall, wie schnell unverschuldete Schäden entstehen können.
Die Bedeutung für das Mietrecht
Das Berliner Urteil bestätigt eine strenge Auslegung der Mieterhaftung. Es macht deutlich, dass die Grenze zwischen vertragsgemäßem und vertragswidrigem Gebrauch nicht allein vom Verschulden abhängt. Vielmehr kommt es darauf an, ob das schädigende Verhalten noch als normale Nutzung der Mietsache angesehen werden kann.
Diese Rechtsprechung stärkt die Position der Vermieter, birgt aber auch Risiken für Mieter. Sie sollten sich bewusst machen, dass ihre Haftung für Schäden an der Mietsache sehr weitreichend ist und auch unverschuldete Ereignisse umfassen kann.
Das Urteil wurde rechtskräftig, da das Gericht die Revision nicht zuließ. Es handelt sich somit um eine gefestigte Entscheidung, die als Orientierung für ähnliche Fälle dienen kann.
Quelle: Landgericht Berlin, Urteil vom 13.12.2023, Az. 64 S 81/23
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