Hauskauf: Verkäufer müssen über Eingriffe in die Statik informieren

Das Wichtigste in Kürze
- Verkäufer müssen ungefragt über Eingriffe in die Statik des Hauses informieren
- Ein fehlender Standsicherheitsnachweis ist offenbarungspflichtig
- Bei arglistigem Verschweigen können Käufer den Kaufvertrag anfechten und rückabwickeln
- Die Kaufnebenkosten können ebenfalls zurückgefordert werden
Der Fall: Tragende Wände entfernt – Trägerkonstruktion nicht dauerhaft standsicher
Ein Ehepaar kaufte im Jahr 2015 ein Hausgrundstück in Hanglage für 440.000 Euro. Was die Käufer nicht wussten: Die Verkäufer hatten während ihrer Eigentumszeit erhebliche bauliche Veränderungen vorgenommen. Unter anderem hatten sie im ersten Obergeschoss tragende Trennwände entfernen und die Decke stattdessen durch zwei Eisenträger abstützen lassen.
Diese Stützkonstruktion war jedoch statisch nicht dauerhaft tragfähig. Der eingebrachte Stahlträger lag auf Mauerwerk auf, das das zusätzliche Gewicht nicht tragen konnte. Zudem wurden nur für die vorübergehende Stützung geeignete Stahlsprieße zur dauerhaften Abstützung verwendet und durch Verblendungen verdeckt. Einen Nachweis der statischen Tragfähigkeit gab es nicht.
Nach der Schlüsselübergabe begannen die Käufer mit Umbaumaßnahmen. Dabei stellte ein beauftragter Statiker fest, dass die vorhandene Trägerkonstruktion unzulässig und nicht dauerhaft tragfähig sei. Die Käufer leiteten ein Beweisverfahren ein, bei dem ein Sachverständiger weitere Mängel feststellte und die Kosten zur Beseitigung aller Mängel auf rund 161.547 Euro bezifferte.
Daraufhin erklärten die Käufer die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung und verlangten vor Gericht die Rückabwicklung.
Die Entscheidung: Arglistige Täuschung durch Verschweigen der Statik-Änderungen
Das OLG Zweibrücken gab den Käufern Recht und verurteilte die Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung des Hausgrundstücks.
Nach Ansicht des Gerichts hatten die Verkäufer durch das Verschweigen der statischen Veränderungen arglistig gehandelt. Auch wenn sie behaupteten, sie hätten die Arbeiten von einer "polnischen Firma" ausführen lassen und keine Kenntnis von der genauen Konstruktion gehabt, waren sie verpflichtet, die Käufer ungefragt über folgende Umstände zu informieren:
- Die Entfernung der tragenden Zwischenwände
- Die Ersetzung durch eine Stahlträgerkonstruktion
- Das Fehlen eines Statiknachweises
- Die Unklarheit darüber, ob es sich bei der ausführenden Firma um eine Fachfirma handelte
Das Gericht stellte klar:
"Schon die Entfernung der ursprünglichen Zwischenwände, bei denen es sich um tragende Wände handelte, und deren Ersetzung durch eine Stahlträgerkonstruktion ist als solches ein offenbarungspflichtiger Umstand. Denn solche Eingriffe in die ursprüngliche, ordnungsgemäße Statik eines Gebäudes sind angesichts der möglichen Folgen schon aus sich heraus ein für einen potentiellen Erwerber des Hausanwesens ganz wesentlicher Vorgang, der ungefragt zu offenbaren ist."
Das OLG war überzeugt, dass die Verkäufer mit Eventualvorsatz handelten: Sie kannten die offenlegungspflichtigen Tatsachen und nahmen billigend in Kauf, dass die Käufer bei Kenntnis der Umstände den Kaufvertrag nicht oder nicht zu diesen Bedingungen abgeschlossen hätten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Für Käufer:
- Anfechtungsrecht bei verschwiegenen Statik-Problemen: Wenn Verkäufer statische Veränderungen am Haus verschweigen, können Sie den Kaufvertrag anfechten – auch lange nach dem Kauf.
- Erstattung von Kaufnebenkosten: Bei erfolgreicher Anfechtung können Sie neben dem Kaufpreis auch Kaufnebenkosten wie Notargebühren, Grundbuchkosten und Maklercourtage zurückverlangen. Auch Kosten für die Wohngebäudeversicherung sind erstattungsfähig.
- Besichtigungen schützen nicht vor allem: Selbst wenn Sie das Haus mehrfach besichtigt haben, befreit dies den Verkäufer nicht von der Pflicht, über statisch relevante Änderungen zu informieren – insbesondere wenn diese durch Verkleidungen verdeckt sind.
- Sachverständige einschalten: Bei Verdacht auf statische Probleme sollten Sie frühzeitig einen Fachmann hinzuziehen. Bei größeren baulichen Veränderungen empfiehlt sich eine vorherige Prüfung durch einen Statiker.
Für Verkäufer:
- Offenbarungspflicht für statische Veränderungen: Sie müssen Käufer ungefragt über alle Eingriffe in die Statik des Hauses informieren – auch wenn Sie diese für unbedenklich halten.
- Statiknachweis wichtig: Lassen Sie nach baulichen Veränderungen einen Statiknachweis erstellen und bewahren Sie diesen auf. Das Fehlen eines solchen Nachweises ist offenbarungspflichtig.
- Aufklärungspflicht auch für beauftragte Arbeiten: Sie können sich nicht damit entlasten, dass Sie die Arbeiten von einer Firma ausführen ließen. Die Verantwortung für die Aufklärung bleibt bei Ihnen.
- Hohe Haftungsrisiken: Bei arglistig verschwiegenen Mängeln haftet der Verkäufer unabhängig von vertraglichen Gewährleistungsausschlüssen – selbst wenn die Kosten zur Beseitigung des Mangels vergleichsweise gering sind (hier nur 4% des Kaufpreises).
Dieses Urteil unterstreicht, wie wichtig Transparenz beim Immobilienverkauf ist. Insbesondere bei Eingriffen in die Statik eines Gebäudes sollten Verkäufer alle relevanten Informationen offenlegen – auch ohne direkte Nachfrage. Denn Käufer dürfen darauf vertrauen, dass ein Gebäude dauerhaft standsicher ist.
Quelle: OLG Zweibrücken, Urteil vom 27.09.2024 - 7 U 45/23
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