Gericht erklärt Mietpreisklausel für unwirksam


Der Fall: Automatische Mieterhöhung sollte Inflation ausgleichen
Die Vertragsparteien schlossen im August 2019 einen zehnjährigen Mietvertrag für Gewerberäume ab. Dieser enthielt eine besondere Klausel zur Mietpreisanpassung, eine sogenannte Wertsicherungsklausel. Diese Regelung sollte die Miete automatisch an die allgemeine Preisentwicklung anpassen.
Konkret sah die Vereinbarung vor, dass sich die Miete entsprechend dem vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland verändert. Als Ausgangspunkt für diese Berechnung wurde der Index für Mai 2017 festgelegt, obwohl der Mietvertrag erst im September 2019 begann. Die ursprüngliche Nettokaltmiete betrug monatlich 1.748 Euro.
Nach Ablauf einer zweijährigen Festmietzeit forderte die Vermieterin basierend auf dieser Klausel höhere Mietzahlungen. Die Mieterin zahlte zunächst die verlangten Erhöhungen, klagte jedoch später auf Feststellung der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel und Rückzahlung der zusätzlich gezahlten Beträge in Höhe von insgesamt 6.498,90 Euro.
Rechtliche Streitpunkte: Welche Regeln gelten?
Die zentrale Rechtsfrage betraf das Verhältnis zwischen verschiedenen Gesetzen. Die Vermieterin argumentierte, dass für solche Preisklauseln ausschließlich das Preisklauselgesetz gelte. Dieses Gesetz sieht vor, dass unwirksame Preisklauseln erst mit rechtskräftiger gerichtlicher Feststellung unwirksam werden, nicht rückwirkend von Anfang an.
Die Mieterin hingegen vertrat die Auffassung, dass die Klausel zusätzlich den allgemeinen Regeln für Allgemeine Geschäftsbedingungen unterliege. Nach diesen strengeren Vorschriften wären unangemessen benachteiligende oder intransparente Klauseln von vornherein unwirksam.
Ein weiterer Streitpunkt war die Einordnung der Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung. Die Vermieterin bestritt, dass es sich um vorformulierte Standardbedingungen handele, da einzelne Punkte wie der Mietbeginn individuell ausgefüllt worden seien.
Gerichtsentscheidung: Klausel verstößt gegen Fairnessgebot
Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts vollumfänglich. Die Richter stellten klar, dass Preisanpassungsklauseln in Gewerberaummietverträgen sowohl den Vorschriften des Preisklauselgesetzes als auch den allgemeinen Regeln für Geschäftsbedingungen unterliegen.
Die Wertsicherungsklausel verstieß nach Ansicht des Gerichts in mehrfacher Hinsicht gegen das Fairnessgebot. Besonders problematisch war die Festlegung des Mai 2017 als Ausgangspunkt für die Indexberechnung. Dieser Zeitpunkt lag mehr als zwei Jahre vor dem tatsächlichen Mietbeginn. Dadurch ging eine möglicherweise in dieser Zeit eingetretene Inflation vollständig zu Lasten der Mieterin, obwohl sie in diesem Zeitraum noch keine Gegenleistung der Vermieterin erhalten hatte.
Die Klausel war zudem intransparent formuliert. Einerseits sollte sich die Miete bei Indexveränderungen automatisch anpassen, andererseits wurde die Wirksamkeit der Erhöhung von einer schriftlichen Aufforderung durch die Vermieterin abhängig gemacht. Dieser Widerspruch macht es für Mieter unmöglich zu verstehen, wann genau eine höhere Miete zu zahlen ist.
Darüber hinaus blieb unklar, wie weitere Mieterhöhungen nach der ersten Anpassung zu berechnen wären. Die Klausel enthielt nur den vagen Hinweis auf eine entsprechende Anwendung der ursprünglichen Regelung, ohne zu präzisieren, welcher Indexstand als neuer Ausgangspunkt dienen sollte.
Bundesgerichtshof bestätigt Doppelkontrolle
Das Oberlandesgericht stützte seine Entscheidung auf Urteile des Bundesgerichtshofs zu ähnlichen Preisanpassungsklauseln in Energielieferverträgen. Der Bundesgerichtshof hatte bereits entschieden, dass eine Vereinbarkeit mit dem Preisklauselgesetz nicht automatisch bedeutet, dass eine Klausel auch nach den allgemeinen Fairnessregeln unbedenklich ist.
Beide Regelwerke verfolgen unterschiedliche Ziele. Das Preisklauselgesetz dient primär währungspolitischen Zielen und dem Schutz vor inflationären Tendenzen. Die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen soll hingegen sicherstellen, dass die beiderseitigen Interessen in einem Vertrag angemessen berücksichtigt werden.
Diese unterschiedlichen Zielsetzungen rechtfertigen eine doppelte Prüfung. Eine nach dem Preisklauselgesetz zulässige Klausel kann dennoch gegen das allgemeine Fairnessgebot verstoßen und damit von Anfang an unwirksam sein.
Salvatorische Klauseln helfen nicht
Die Vermieterin versuchte sich auf eine salvatorische Klausel im Vertrag zu berufen. Solche Klauseln sollen die Wirksamkeit des übrigen Vertrags sicherstellen, wenn einzelne Bestimmungen unwirksam sind. Das Gericht stellte jedoch klar, dass salvatorische Klauseln eine unwirksame Geschäftsbedingung nicht retten können.
Eine geltungserhaltende Reduktion, bei der nur der problematische Teil einer Klausel gestrichen wird, ist bei vollständig unwirksamen Geschäftsbedingungen nicht zulässig. Ebenso wenig dürfen salvatorische Klauseln den Vertragspartner zur Mitwirkung an einer Ersatzregelung verpflichten.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Mieter von Gewerberäumen sollten Mietverträge mit Wertsicherungsklauseln sorgfältig prüfen lassen. Auch wenn solche Klauseln grundsätzlich zulässig sind, können sie bei unfairer Ausgestaltung unwirksam sein. Besonders problematisch sind Klauseln, die einen vor Mietbeginn liegenden Zeitpunkt als Berechnungsgrundlage verwenden oder deren Funktionsweise nicht transparent ist.
Haben Sie aufgrund einer unwirksamen Klausel zu viel Miete gezahlt, können Sie diese Beträge zurückfordern. Die Unwirksamkeit führt dazu, dass alle aufgrund der Klausel geleisteten Mehrzahlungen ohne Rechtsgrund erfolgt sind. Zusätzlich zur Rückzahlung des Hauptbetrags können Zinsen und unter Umständen auch Anwaltskosten verlangt werden.
Vermieter sollten ihre Mietvertragsformulare überarbeiten lassen. Das Urteil zeigt, dass eine bloße Orientierung an den Vorgaben des Preisklauselgesetzes nicht ausreicht. Wertsicherungsklauseln müssen auch den strengeren Anforderungen der Geschäftsbedingungenkontrolle genügen. Dies erfordert eine faire Ausgestaltung und transparente Formulierung.
Die Revision gegen das Urteil wurde zugelassen, da die Rechtsfrage bislang höchstrichterlich nicht für den Bereich des Gewerberaummietrechts entschieden wurde. Bis zu einer abschließenden Klärung durch den Bundesgerichtshof besteht daher noch eine gewisse Rechtsunsicherheit. Dennoch sollten Betroffene nicht untätig bleiben, da Rückforderungsansprüche verjähren können.
Quelle: OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.06.2025 – 10 U 146/24, BeckRS 2025, 12177
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