Zum Hauptinhalt springen

Fotografieren unter Nachbarn: Wann ist es erlaubt?

Der beste Anwalt für Mietrecht
Darf man seinen Nachbarn in einer Wohnungseigentümergemeinschaft fotografieren? Ein aktuelles Urteil zeigt die Grenzen auf und schützt das Persönlichkeitsrecht auch bei Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Ein Mann steht vor einem Mehrfamilienhaus und fotografiert
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Dauerkonflikt zwischen Wohnungseigentümern

In einer kleinen Wohnungseigentümergemeinschaft mit nur zwei Parteien kam es über Jahre hinweg immer wieder zu Auseinandersetzungen. Die Situation eskalierte, als einer der Eigentümer begann, die andere Eigentümerin wiederholt zu fotografieren. Die Aufnahmen entstanden, als sich Personen auf den verschiedenen Grundstücksteilen aufhielten und dort Vermessungsarbeiten durchführten.

Konkret ging es um mehrere Situationen: In einem Fall wurde ein Lasermessgerät eingesetzt, um Abstände zu messen. In einem anderen Fall griff eine Person mit einem Zollstock über den Zaun, um den Abstand einer Pflanze zum Zaun zu bestimmen. Bei beiden Gelegenheiten fertigte der Eigentümer Fotos an, auf denen auch die Nachbarin deutlich erkennbar war, obwohl sie sich auf ihrem eigenen Grundstück oder einem anderen Nachbargrundstück befand und mehrere Schritte von dem eigentlichen Geschehen entfernt stand.

Persönlichkeitsrecht schlägt Beweissicherung

Die fotografierte Eigentümerin wehrte sich juristisch gegen diese Praxis und verlangte, dass ihr Nachbar das Fotografieren künftig unterlässt. Dabei berief sie sich auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, das durch das Grundgesetz geschützt ist. Der Nachbar argumentierte dagegen, er habe die Fotos zum Schutz seines Eigentums anfertigen müssen, um mögliche Rechtsverstöße zu dokumentieren. Zudem benötige er die Aufnahmen als Beweismittel für eventuelle Gerichtsverfahren.

Das Gericht musste also eine schwierige Abwägung vornehmen: Auf der einen Seite steht das Recht am eigenen Bild als besondere Ausprägung des Persönlichkeitsrechts. Auf der anderen Seite steht das Eigentumsrecht des Fotografierenden und sein Interesse, sein Eigentum zu schützen und Beweise zu sichern.

Die Entscheidung: Fotografieren nur in engen Grenzen erlaubt

Das Landgericht entschied zugunsten der fotografierten Eigentümerin und stellte dabei wichtige Grundsätze auf. Die Herstellung von Fotos einer erkennbaren Person ohne deren Einwilligung stellt grundsätzlich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Dies gilt selbst dann, wenn der Fotografierende die Bilder gar nicht veröffentlichen möchte, sondern nur für sich behält.

Besonders wichtig ist der Ort der Aufnahme: Wer sich auf einem Privatgrundstück befindet, muss nicht damit rechnen, von anderen ungefragt fotografiert zu werden. Dies gilt erst recht für das eigene Grundstück oder Sondereigentum, aber auch für andere private Grundstücke, auf denen man sich mit Erlaubnis aufhält. Anders als im öffentlichen Raum besteht hier eine besonders hohe Schutzwürdigkeit der Privatsphäre.

Das bloße Interesse an der Beweissicherung reicht nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um das Fotografieren zu rechtfertigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die fotografierte Person selbst gar nicht als Störerin oder Täterin in Erscheinung getreten ist. Im konkreten Fall hatte die Eigentümerin das Grundstück des Nachbarn nicht betreten und auch nicht selbst die Vermessungen vorgenommen. Sie stand lediglich in der Nähe und wurde gleichsam nebenbei mit fotografiert.

Auch die behaupteten Eigentumsverletzungen rechtfertigten das Fotografieren nicht. Der kurzzeitige Einsatz eines Lasermessgeräts oder das kurze Hinüberreichen eines Zollstocks über den Zaun stellen nach der gerichtlichen Bewertung nur unwesentliche und kurzzeitige Beeinträchtigungen dar, die ein Grundstückseigentümer hinnehmen muss. Solche geringfügigen Einwirkungen sind mit der Nutzung von Nachbargrundstücken verbunden und begründen kein Recht, unbeteiligte Dritte zu fotografieren.

Ausnahme bei rechtswidrigem Betreten des Grundstücks

Das Gericht stellte jedoch auch klar, dass das Fotografierverbot nicht schrankenlos gilt. Ein absolutes Verbot würde unverhältnismäßig in die Rechte des Grundstückseigentümers eingreifen. Wenn sich eine Person tatsächlich rechtswidrig auf dem fremden Grundstück aufhält oder dort sogar Straftaten begeht, darf der Eigentümer zum Schutz seines Eigentums Fotos anfertigen.

Diese Einschränkung ist vergleichbar mit der Rechtsprechung zur Videoüberwachung: Auch dort ist es Grundstückseigentümern erlaubt, ihr eigenes Grundstück zum Schutz vor unberechtigten Eingriffen zu überwachen. Voraussetzung ist aber stets, dass nur das eigene Grundstück erfasst wird und nicht öffentliche Bereiche oder Nachbargrundstücke.

Bedeutung für Wohnungseigentümergemeinschaften

Der Fall zeigt eine besondere Konstellation: In der Teilungserklärung war vereinbart, dass jeder Wohnungseigentümer mit seinem Sondereigentum verfahren darf, als wäre er Alleineigentümer. Diese Regelung ändert aber nichts daran, dass das Persönlichkeitsrecht der anderen Eigentümer zu respektieren ist.

Das Gericht bezog sich auch auf die speziellen Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes. Danach müssen Wohnungseigentümer bestimmte Einwirkungen auf ihr Sondereigentum dulden, wenn diese nur geringfügig sind. Die kurzzeitige Einwirkung mit einem Lasermessgerät oder einem Zollstock fällt nach Ansicht des Gerichts in diese Kategorie. Solche unvermeidlichen Begleiterscheinungen des Zusammenlebens in einer Wohnungseigentümergemeinschaft müssen hingenommen werden, ohne dass dies ein Recht zum Fotografieren unbeteiligter Personen begründet.

Wiederholungsgefahr führt zu Unterlassungsanspruch

Da der Eigentümer seine Nachbarin bereits mehrfach fotografiert hatte, ging das Gericht von einer Wiederholungsgefahr aus. Nach der ständigen Rechtsprechung wird diese Gefahr bei bereits erfolgten Rechtsverletzungen grundsätzlich vermutet. Der Beklagte hatte keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgebracht, die darauf schließen ließen, dass er sein Verhalten künftig ändern würde.

Deshalb wurde er verurteilt, das Fotografieren künftig zu unterlassen, solange sich die Nachbarin außerhalb seines Sondereigentums aufhält. Verstößt er gegen diese Verpflichtung, kann gegen ihn ein Ordnungsgeld verhängt werden. Zusätzlich musste er die Kosten für die anwaltliche Vertretung seiner Nachbarin erstatten, die als notwendige Rechtsverfolgungskosten anzusehen sind.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat praktische Bedeutung für alle, die in Wohnungseigentümergemeinschaften leben oder Nachbarschaftsstreitigkeiten austragen. Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich so zusammenfassen:

Das Persönlichkeitsrecht genießt auf Privatgrundstücken einen besonders hohen Schutz. Niemand muss damit rechnen, auf seinem eigenen Grundstück oder auf anderen privaten Flächen ungefragt fotografiert zu werden. Wer dennoch zur Kamera greift, riskiert rechtliche Konsequenzen.

Das allgemeine Interesse an der Beweissicherung reicht nicht aus, um Nachbarn oder andere Personen zu fotografieren. Auch bei Nachbarschaftsstreitigkeiten oder vermuteten Rechtsverstößen darf nicht einfach zur Kamera gegriffen werden, wenn die fotografierte Person selbst nicht als Störerin auftritt. Es gibt andere Möglichkeiten der Beweissicherung, etwa durch Zeugen oder schriftliche Dokumentation.

Geringfügige und kurzzeitige Beeinträchtigungen des Grundstückseigentums rechtfertigen kein Fotografieren. Wer sich über solche Einwirkungen ärgert, kann diese gegebenenfalls auf anderem Weg rechtlich klären lassen. Das Fotografieren unbeteiligter Dritter ist dafür aber nicht das richtige Mittel.

Anders sieht es aus, wenn jemand tatsächlich unberechtigt auf das eigene Grundstück eindringt oder dort Straftaten begeht. In solchen Fällen bleibt das Recht, zum Schutz des Eigentums Fotos anzufertigen, grundsätzlich bestehen. Dieses Recht ist aber auf das eigene Grundstück beschränkt.

In Wohnungseigentümergemeinschaften ist besondere Zurückhaltung geboten. Das enge Zusammenleben erfordert gegenseitige Rücksichtnahme und die Duldung unvermeidlicher Begleiterscheinungen. Wer in Konfliktsituationen vorschnell zur Kamera greift, verletzt nicht nur das Persönlichkeitsrecht der anderen, sondern verschärft meist auch die ohnehin angespannte Situation.

Bei berechtigten Beschwerden über das Verhalten anderer Eigentümer sollte zunächst das Gespräch gesucht werden. Führt dies nicht zum Erfolg, können die Verwaltung oder im Ernstfall ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden. Das heimliche oder offene Fotografieren von Nachbarn sollte dagegen tabu sein, solange diese sich nicht rechtswidrig auf dem eigenen Grundstück aufhalten.


Quelle: Landgericht Itzehoe, Urteil vom 18.03.2025, Az. 1 S 23/24, GRUR-RS 2025, 19285

Kontaktieren Sie uns!

Für detaillierte Fragen oder eine individuelle Beratung stehen Ihnen die Experten unserer Kanzlei für Mietrecht in Essen zur Verfügung. Wir helfen Ihnen, die beste Strategie für Ihr spezifisches Anliegen zu entwickeln.


Ihr Recht ist unsere Leidenschaft!

Portrait der besten Anwälte von Essen

Sie sind ratlos im Streit mit Ihrem Mieter oder Vermieter? Sie stehen vor komplexen Vertragsverhandlungen oder es geht um den Erwerb, Veräußerung oder Vererbung von Immobilieneigentum. Wir haben uns auf das private und gewerbliche Mietrecht, Immobilienrecht und Maklerrecht spezialisiert. Vertrauen Sie uns. Zögern Sie also nicht länger und holen Sie sich die Unterstützung, die ein professionelles Vorgehen ermöglicht. Lassen Sie uns gemeinsam eine Strategie für die Umsetzung Ihres Vorhabens besprechen.


Unsere digitale Kanzlei

Kind sitzt im Chefsessel und bedient ein Mobiltelefon

Bei uns geht Recht vollkommen digital. Für Sie entscheidend: Sie können alles bequem von überall aus organisieren. Besuchen Sie unsere Webseite und buchen Sie ein Video-Meeting mit einem Anwalt. Ihre Unterlagen können Sie einfach uploaden. Selbst erforderliche Unterschriften können Sie bei uns digital leisten.

Erfahrungen & Bewertungen zu JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

kostenlose Ersteinschätzung

Wartebereich der JURiAL® Rechtsanwaltskanzlei

Lassen Sie uns bei einem unverbindlichen Kennenlerngespräch über Ihre spezifischen rechtlichen Anliegen sprechen.


Das könnte Sie auch interessieren:

03. Mai 2024
Die Kündigung eines Wohnungsmietvertrages ist ein Thema, das sowohl für Mieter als auch für Vermieter von großer Bedeutung ist. In diesem Artikel e...
08. August 2025
Wenn ein Eigentümer in einer Wohnungseigentümergemeinschaft insolvent wird, müssen die anderen Eigentümer nicht automatisch für dessen Ausfälle auf...
15. Juli 2025
Mieter können einen in der eigenen Wohnung geschlossenen Mietaufhebungsvertrag nicht einfach widerrufen. Das Landgericht Berlin II stellte klar: Di...
28. September 2025
Ein Immobilienmakler wollte eine Reservierungsgebühr behalten, obwohl der Kaufvertrag zustande kam. Das Gericht entschied: Solche Klauseln benachte...
02. September 2025
Vermieter dürfen eine Gemeinschaftswaschküche schließen, auch wenn Mieter diese jahrelang nutzen konnten. Nicht jede Nutzungserlaubnis wird automat...