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Einbau eines digitalen Türspions bedarf der Gestattung

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In einer zunehmend digitalisierten Welt finden moderne Technologien auch in Wohngebäuden immer mehr Anwendung. Doch was für den einen Eigentümer ein Sicherheitsgewinn ist, kann für andere einen Eingriff in die Privatsphäre darstellen. Das Landgericht Karlsruhe hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass der Einbau eines digitalen Türspions in einer Eigentumswohnung der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft bedarf - auch wenn das Gerät weder Aufnahmen speichert noch Signale an andere Geräte überträgt.
Türspion
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Fall: Moderne Technik führt zu Nachbarschaftsstreit

In dem vom Landgericht Karlsruhe entschiedenen Fall hatte ein Wohnungseigentümer einen herkömmlichen Türspion durch einen digitalen Türspion mit Kamerafunktion ersetzt. Dieser digitale Türspion zeichnete zwar keine Bilder dauerhaft auf und übertrug auch keine Signale an andere Geräte wie etwa ein Smartphone. Dennoch fühlten sich die klagenden Nachbarn in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, da die Kamera den gemeinschaftlichen Hausflur vor der Wohnungstür erfasste.

Die Kläger forderten vom beklagten Eigentümer die Entfernung des digitalen Türspions. Nach ihrer Ansicht stellte der Einbau eine unzulässige bauliche Veränderung dar, die zudem in ihr Persönlichkeitsrecht eingreife. Der Beklagte berief sich darauf, dass sein digitaler Türspion lediglich einen herkömmlichen Türspion ersetze und keine Daten speichere oder übertrage. Zudem verwies er auf seine Sehbeeinträchtigung, die den Einsatz des digitalen Türspions notwendig mache.

Die Entscheidung des Gerichts: Gemeinschaft muss zustimmen

Das Landgericht Karlsruhe bestätigte in seinem Urteil vom 17.05.2024 (Az. 11 S 163/23) die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Berufung des Beklagten zurück. Die Richter kamen zu folgenden zentralen Feststellungen:

  1. Wohnungseingangstür gehört zum Gemeinschaftseigentum: Die Wohnungseingangstür ist Teil des Gemeinschaftseigentums. Eine Veränderung durch den Austausch des Türspions bedarf daher grundsätzlich der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft.
  2. Eingriff in das Persönlichkeitsrecht: Auch wenn der digitale Türspion keine Bilder dauerhaft speichert, stellt er einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Nachbarn dar. Das Gericht führt aus:

"In derartigen Fällen bedeutet die Videoüberwachung eine ständige Kontrolle der betroffenen Personen in ihrer privaten Lebensführung."

  1. Klagebefugnis der einzelnen Eigentümer: Das Gericht stellte klar, dass einzelne Eigentümer aus der Betroffenheit eigener Rechte (hier: allgemeines Persönlichkeitsrecht) weiterhin gegen andere störende Eigentümer im Wege der Unterlassungs- oder Beseitigungsklage vorgehen können.
  2. Kein automatischer Duldungsanspruch: Ein Duldungsanspruch des Beklagten ergebe sich jedenfalls so lange nicht, bis die in der Anbringung des digitalen Türspions liegende bauliche Veränderung nicht durch die Eigentümergemeinschaft genehmigt wurde.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil hat wichtige praktische Auswirkungen für Wohnungseigentümer:

Für alle Wohnungseigentümer:

  • Digitale Türspione - auch solche ohne Speicher- oder Übertragungsfunktion - stellen eine bauliche Veränderung dar, die der Genehmigung der Eigentümergemeinschaft bedarf.
  • Die Entscheidung betrifft nicht nur komplexe Systeme, sondern auch einfache digitale Türspione.
  • Das Persönlichkeitsrecht der Nachbarn kann bereits durch die bloße Möglichkeit der Beobachtung verletzt sein, auch wenn keine dauerhafte Speicherung erfolgt.

Für Eigentümergemeinschaften:

  • Bei Beschlüssen über solche technischen Neuerungen müssen verschiedene Interessen abgewogen werden.
  • Das Gericht deutet an, dass die Eigentümergemeinschaft durchaus die Nutzung digitaler Türspione genehmigen kann:

"In nicht wenigen Wohnanlagen sind digitale Türspione verbreitet und es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Ermessensfreiheit der Eigentümerversammlung so weit geht, die Nutzung dieser technischen Fortentwicklung für einzelne oder für alle zuzulassen."

Für Eigentümer mit besonderen Bedürfnissen:

  • Bei besonderen Bedürfnissen, wie etwa einer Sehbehinderung, können diese Gesichtspunkte in die Abwägung der Eigentümergemeinschaft einfließen.
  • Das Gericht verweist auf eine frühere Entscheidung des AG Köln, in der einer schwer seh- und gehbehinderten Mieterin die Installation einer Kamera als Türspionersatz gestattet wurde.
  • In solchen Fällen kann sich das Interesse des Betroffenen unter Umständen auf den besonderen Schutz von Menschen mit Behinderungen nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 Grundgesetz stützen.

Fazit: Technischer Fortschritt braucht gemeinschaftliche Entscheidung

Das Urteil zeigt, dass der Einsatz moderner Technik in Wohngebäuden einer sorgfältigen Abwägung bedarf. Während digitale Türspione für viele Menschen einen Komfort- und Sicherheitsgewinn darstellen können, müssen die Persönlichkeitsrechte aller Bewohner respektiert werden.

Die gute Nachricht für technisch interessierte Eigentümer: Das Gericht schließt die Genehmigung solcher Einrichtungen durch die Eigentümergemeinschaft nicht aus. Vielmehr legt es nahe, dass die jeweiligen Interessen im Rahmen einer Beschlussfassung gegeneinander abgewogen werden können. Insbesondere bei besonderen Bedürfnissen aufgrund von körperlichen Einschränkungen könnten gute Argumente für eine Genehmigung sprechen.

Wer als Eigentümer einen digitalen Türspion installieren möchte, sollte daher zunächst einen entsprechenden Antrag an die Eigentümergemeinschaft stellen, statt eigenmächtig zu handeln. So lassen sich Rechtsstreitigkeiten vermeiden und gemeinschaftliche Lösungen finden.

Quelle: LG Karlsruhe, Urteil vom 17.05.2024, Az. 11 S 163/23

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